Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Unterbringung des Peter A in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß dem § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Peter A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach den §§ 75 und 15 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 6.April 1978 in Wien I. Pawel B durch einen gezielten Schuß mit einem Kleinkalibergewehr in die Herzgegend tötete, und II. Rafaela C sowie Margit D durch gezielte Schüsse mit einem Kleinkalibergewehr, und zwar C durch einen Schuß in die Herzgegend, wobei sie einen Durchschuß im linken Schulter-Oberarmbereich erlitt, sowie D durch einen Schuß in den Kopf, wobei sie einen Durchschuß der Kopfschwarte erlitt, zu töten versuchte.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu. Zu einer - vom Beschwerdeführer vermißten - Rechtsbelehrung über den Begriff des Tatirrtums im Sinne des § 8 StGB bestand kein Anlaß, weil den Geschwornen darauf abzielende Zusatzfragen nach jeweils irrtümlicher Annahme eines (vorsätzliche Tatbegehung voraussetzenden) rechtfertigenden Sachverhaltes (zu den Hauptfragen I bis III nach Mord und Mordversuch), die allein die Notwendigkeit einer dementsprechenden Belehrung hätten nach sich ziehen können (vgl. RZ 1977/138), im Einklang mit seiner Verantwortung gar nicht gestellt wurden. Die Darstellung des Angeklagten, er habe sich über die (lebensgefährliche) Wirkung der von ihm verwendeten Munition in einem 'Irrtum' befunden, betraf nämlich die schon bei der Beantwortung der Hauptfragen zu berücksichtigende - und nicht erst für die Eventualfragen (I. bis III.) nach fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z 1 StGB) sowie nach fahrlässiger Körperverletzung (§ 88 Abs 1, 3 und 4 StGB) relevante - reine Beweisfrage, ob er mit Tötungsvorsatz gehandelt hat (§ 5 StGB). Diese aber war nicht in der schriftlichen Rechtsbelehrung, sondern im Zuge des Zurückführens der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung - hier des Vorsatzes - auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt in der vom Vorsitzenden gemäß § 323 Abs 2 StPO mit den Geschwornen abzuhaltenden Besprechung zu erörtern. Das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander ist den Geschwornen in der Rechtsbelehrung (S. 11 f.) ohnedies erklärt worden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus Anlaß dieses Rechtsmittels war gemäß dem § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil zum Nachteil des Angeklagten mit einer von ihm nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinne des § 345 Abs 1 Z 13 StPO behaftet ist, als das Erstgericht seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher anordnete. Die Einweisung in eine Anstalt nach dem § 21 Abs 2
StGB setzt u.a. eine geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades voraus. Dieser Zustand, der neben der Bestrafung zur Anordnung einer vorbeugenden Maßnahme führt, muß eindeutig außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen liegen und so stark ausgeprägt sein, daß er die Willensbildung wesentlich beeinflussen kann (Dokumentation, 76).
Daraus folgt, daß nicht jede - wenn auch beträchtliche - geistige oder seelische Abartigkeit, die das kriminelle Verhalten des Täters beeinflußt, den Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB genügt.
Das Erstgericht nimmt auf Grund einer beim Angeklagten frühzeitig aufgetretenen Hirnschädigung eine seelische Abartigkeit höheren Grades an und verweist auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. Heinrich E und Dr. R.
F. Damit scheint das Geschwornengericht aber davon ausgegangen zu sein, daß bereits eine leichte seelische Abartigkeit (also auch eine solche, durch die der Willensbildungsprozeß unabhängig von sonstigen Einflüssen nicht entscheidend beeinflußt wird) für eine Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB genügt. Denn aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. E ergibt sich lediglich, daß Hinweise für ein uncharakteristisches organisches Psychosyndrom (Hirnleistungsschwäche und körperlich begründbare Persönlichkeitsstörung) bestehen, deren Ursache nicht eindeutig geklärt werden konnte (Band II, ON. 56, Seite 67); an einer anderen Stelle des Gutachtens spricht der Sachverständige nur von einem leichtgradigem organischen Psychosyndrom (Band II, ON. 56, Seite 68). Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F liegen beim Angeklagten 'Zeichen einer uncharakteristischen, grenzwertig organisch bedingten Hirnleistungsschwäche' vor (Band II, Seite 95) und ist eine 'leichte Hirnschädigung' gegeben (Band II, Seite 234). Näher konkretisierende (und damit eine Überprüfung der Rechtsanwendung überhaupt ermöglichende) Tatsachenfeststellungen traf das Geschwornengericht aber nicht. Der allgemein gehaltenen Äußerung des Sachverständigen Dr. E, die festgestellte seelische Abartigkeit des Angeklagten sei höheren Grades (Band II, ON. 56, Seite 73), genügt mangels einer entsprechenden Konkretisierung aber nicht.
Da das angefochtene Urteil sohin in bezug auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB - und zwar sowohl hinsichtlich des Bestehens des dort umschriebenen Zustandes als auch hinsichtlich seiner Kausalität für die Begehung der Tat - mit Feststellungsmängeln behaftet ist, war es in seinem Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Das Geschwornengericht verurteilte Peter A nach dem § 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe.
Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend die bei Begehung der Taten an den Tag gelegte Heimtücke und Kaltblütigkeit, weiters den Umstand, daß insgesamt drei Tatangriffe verschiedenen Personen gegenüber gesetzt wurden, und die einschlägigen Vorstrafen an. Als mildernd wertete es das Eingeständnis der Abgabe von drei Schüssen, die Begehung der Taten unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes sowie den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.
Die Berufung des Angeklagten richtet sich gegen das Strafmaß und beantragt Verhängung einer zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe. Die Berufung ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig und richtig erfaßt sowie auch zutreffend gewürdigt. Der in der Berufung weiter geltend gemachte Milderungsgrund liegt nicht vor. Da der Angeklagte nach dem Mord an Pawel B einen weiteren gezielten Schuß auf Rafaela C abgab und sodann auch noch auf Margit D schoß, ist nicht anzunehmen, daß der Angeklagte nach Abgabe des (tödlichen) Schusses auf B nur deshalb Rettung und Polizei verständigte und der verletzten Rafaela C Hilfe anbot, um die Folgen der Tat zu mindern. Dies ist nach dem Tathergang und dem Verhalten des Angeklagten nur darauf zurückzuführen, daß der Angeklagte auf Grund seines gesteigerten Selbstwertgefühls im Mittelpunkt des Geschehens stehen wollte.
Nach Lage des Falles ist die über den Angeklagten verhängte lebenslange Freiheitsstrafe, und zwar vor allem im Hinblick auf sein zielstrebiges Vorgehen und seine - durch die vorangegangenen Abstrafungen gekennzeichnete -
Täterpersönlichkeit, nicht als überhöht anzusehen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)