Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.
Text
Gründe:
Das Schöffengericht erkannte den am 15. September 1934 geborenen Frührentner Josef A im dritten Rechtsgang der Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustande voller Berauschung nach § 287 (§§ 15, 109 Abs. 1 und 3 Z 1; 125; 15, 83 Abs. 1) StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB und der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe. Überdies ordnete es gemäß § 21 Abs. 2 StGB die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Nach den Urteilsannahmen hatte sich der Angeklagte am 22. Juni 1977 in Salzburg durch den Genuß von Alkohol und Valium-Tabletten fahrlässig in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand mit Strafe bedrohte Handlungen begangen, indem er versuchte, mit Gewalt in einen zum öffentlichen Dienst bestimmten Raum, nämlich in das Büro des Leiters des Sozialamtes der Stadt Salzburg, einzudringen, um gegen die dort befindlichen Beamten Gewalt auszuüben; weiters hatte er aus diesem Anlaß verschiedenes Inventar beschädigt, wobei der von ihm verursachte Schaden ca. S 5.000,-- betrug, und versucht, die im Amtsraum befindlichen Beamten mit einem Taschenmesser bzw. mit einem als Wurfgeschoß verwendeten Bürosessel und mit einem Blumentopf zu verletzen.
Den entscheidungswesentlichen Feststellungen zufolge hatte der Angeklagte ferner, und zwar gleichfalls in alkoholisiertem, nicht aber volltrunkenem Zustand am 4. Juni 1979
in Salzburg den Dr. Peter B in der Landesnervenklinik mit einem mitgebrachten Küchenmesser und durch die Äußerung, er werde ihn erschießen, gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, und am 20. Feber 1979 auf der Landesstraße 3005 zwischen Oberweiden und Weikersdorf der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs dienende Sachen beschädigt, indem er vier Leitpflöcke und zwei Schneestangen aus der Erde riß und auf die Fahrbahn warf, wodurch die Straßenverwaltung Gänserndorf einen Schaden in der Höhe von S 520,-- erlitt.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
In seinen Ausführungen zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund übersieht der Beschwerdeführer, daß eine Verletzung der Vorschriften der §§ 234 und 248 Abs. 4 StPO mangels Anführung dieser Gesetzesstellen in der taxativen (SSt 32/9 u. a.) Aufzählung des § 281 Abs. 1 Z 3 StPO keineswegs zu einer Nichtigkeit im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle führt. Sie kann allenthalben als Verfahrensmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO geltendgemacht werden, doch setzt die Anfechtung des Urteils aus diesem Grund die Nichterledigung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages des Beschwerdeführers oder ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis voraus. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der die Verhandlung durch sein ungeziemendes Verhalten störende Angeklagte seine Entfernung aus der Verhandlung nach der erfolgten Ermahnung selbst beantragte (S 393 d. A) und sich ohne Erlaubnis des Gerichtes schon zu einem Zeitpunkt aus dem Verhandlungssaal entfernte, zu dem der von ihm selbst beantragte Beschluß gemäß § 234 StPO noch gar nicht gefaßt worden war. Er mußte deswegen zur Verkündung des (seinem Antrag stattgebenden) Beschlusses eigens vorgeführt werden (S 394 d. A). Nichtig nach § 281 Abs. 1 Z 3 StPO ist das Urteil aber auch - den Beschwerdeausführungen zuwider - wegen des Unterbleibens der Mitteilung über das während der Abwesenheit des Angeklagten Vorgefallene (§ 250 StPO) nicht. Denn es entfällt die im § 250 StPO festgesetzte Verpflichtung des Gerichtes, wenn der Angeklagte aus disziplinären Gründen aus dem Gerichtssaal entfernt worden ist (RZ 1965, 122 u. a.).
Von einer Vernehmung der vom Angeklagten zum Nachweis seiner
Verhandlungsunfähigkeit beantragten Zeugen Dr. N.
C, Roswitha D (Dr. E) und Dr. F (S 393, 455 d. A) konnte das Gericht aus den im Urteil zutreffend angeführten Gründen (S 432 d. A) Abstand nehmen. Bedenken gegen diese (und das Gutachten des Sachverständigen, soweit es sich auf die Frage der Verhandlungsfähigkeit bezieht) zeigt der Beschwerdeführer in seinen darauf bezüglichen Ausführungen nicht auf. In ihnen verweist er nämlich lediglich darauf, daß er die Sachverständigen Doz Dr. G und Doz Dr. H (dem Vorsitzenden gegenüber) mehrfach ablehnte und in der Hauptverhandlung unmißverständlich zum Ausdruck gebracht habe, daß er den abermals beigezogenen Sachverständigen Doz. Dr. G 'nicht anerkenne' und zum Beweis seiner Verhandlungsunfähigkeit die Einvernahme des Zeugen Dr. C beantrage (S 461 d. A). Dabei läßt er allerdings außer Acht, daß das Gericht die von ihm gegen die genannten Sachverständigen vorgebrachten Einwendungen (§ 120 StPO) mit Beschluß vom 6. September 1979, ON 65, rechtskräftig zurückgewiesen hat, und es im übrigen ein förmliches Ablehnungsrecht der Parteien gegenüber Sachverständigen nach der Strafprozeßordnung nicht gibt (SSt 34/79, 36/7 u. a.).
Insoweit der Angeklagte in seinem Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 und teilweise auch nach Z 5 StPO die Unterlassung der Einvernahme der oben genannten Zeugen mit der Behauptung bemängelt, es wäre ihre Anhörung erforderlich gewesen, um 'dem Vorsitzenden ein erschöpfendes und für die Beurteilung der gegenständlichen Straftaten sowie die beantragte Einweisung erforderliches Gesamtbild über den Angeklagten zu verschaffen', genügt es ihn darauf zu verweisen, daß er nach dem oben Gesagten einen in diese Richtung zielenden Beweisantrag in der Hauptverhandlung nicht gestellt hat (vgl. dazu S 393, 455 und 461 d. A). Demzufolge mangelt es an einem gegen einen diesbezüglichen Antrag ergangenen Zwischenerkenntnis, weshalb der Beschwerdeführer in diesem Umfang nicht beschwerdelegitimiert ist.
Das Gleiche trifft hinsichtlich des in der Beschwerde behaupteten weiteren Verfahrensmangels zu, der dem Erstgericht nach dem Beschwerdevorbringen durch die Abstandnahme von der Beiziehung eines zweiten ärztlichen Sachverständigen unterlaufen sein soll. Auch hier fehlt es an einem beschwerdekonformen Antrag im Verfahren erster Instanz.
Unbegründet ist weiters der vom Angeklagten erhobene Einwand, das Erstgericht habe bei der Ablehnung seines Antrages auf Vernehmung der Zeugen Rudolf I und Ewald J (S 19 a in ON 40, 393 und 455) übersehen, daß die Genannten nach seinem Vorbringen Zeugen eines mit Dr. B geführten Telefonates gewesen seien. Sein diesbezügliches Vorbringen wird nämlich zum einen durch den Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen (S 408 d. A) Berichtes der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 18. Juli 1979, ON 45 a d. A widerlegt; zum anderen läßt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang außer Acht, daß die von ihm anläßlich des erwähnten Telefonates gegenüber Dr. B gemachten Äußerungen gar nicht Gegenstand des Strafverfahrens waren.
In diesem wurde lediglich über Drohungen abgesprochen, die er am 4. Juni 1979 während eines Besuches in der Landesnervenklinik Salzburg zu dem dabei anwesenden Dr. B machte (S 413, 425 ff d. A). Mit seinem Vorbringen in der Mängelrüge über die Erforderlichkeit der Einvernahme der Zeugen Dr. C u. a. ist der Angeklagte auf das zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO Gesagte zu verweisen. Im übrigen zeigt der Beschwerdeführer - soweit er nicht überhaupt nur unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft -
keine Begründungsmängel betreffend eine entscheidungswesentliche Tatsache auf. Ob der Angeklagte dem Alkohol übermäßig zuspricht, ist weder für den wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung ergangenen Schuldspruch (Punkt 1 des Urteilssatzes), noch für den Ausspruch über die Zulässigkeit einer Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt gemäß § 21 Abs. 2 StGB bedeutsam. Im ersteren Fall kommt es, wie das Schöffengericht zutreffend erkannte, lediglich darauf an, ob der Eintritt einer vollen Berauschung bei Genuß von Alkohol und Valium-Tabletten für den Beschwerdeführer bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt vorhersehbar war. Das diesbezüglich dem Angeklagten anzulastende Verschulden wurde im Urteil unter Hinweis auf die Angaben der Zeugen Dr. Heimo K und Dr. Eckehart L und das Eingetändnis des Angeklagten im Verfahren 15 c E Vr 10538/73 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mängelfrei begründet (siehe dazu insbes. S 416 f, 420 f. d. A).
Begründungsfehler der in der Beschwerde gerügten Art sind dem Erstgericht dabei nicht unterlaufen.
Für die Anwendung der im § 21 Abs. 2 StGB vorgesehenen vorbeugenden Maßnahme ist bei bestehender Gefährlichkeit lediglich rechtlich bedeutsam, ob der Angeklagte unter dem Einfluß einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad eine Tat begangen hat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist; demzufolge ist nicht entscheidungswesentlich, ob sich der vom Erstgericht (auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Doz. Dr. G) mit mängelfreier Begründung festgestellten Persönlichkeitsabnormität im Sinne einer Psychopathie eine durch jahrelange Sucht bedingte weitere Wesensveränderung 'aufgepropft' hat (S 407, 429 d. A). Allfällige Begründungsfehler, die dem Erstgericht nach dem Vorbringen in der Mängelrüge in Beziehung auf den letzteren Ausspruch (also über eine durch Trunksucht entstandene zusätzliche Wesensveränderung) unterlaufen sein sollen, vermögen demnach eine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nicht zu begründen.
Aus den erwähnten Gründen kommt auch dem Umstand, daß die zwischen den Angaben der Zeugin Maria A bestehenden Widersprüche über den Alkoholkonsum des Angeklagten während der Ehe mit ihr in den Entscheidungsgründen nicht erörtert wurden, keine Bedeutung zu. Bezüglich des gleichfalls unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 (gemeint wohl: Z 3) des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Einwandes, daß die Vernehmung der Zeugen Dr. K und Dr. L, die den Angeklagten während seines Aufenthaltes in der Landeskrankenanstalt Salzburg unter anderem wegen der bei ihm bestehenden Trunksucht behandelten, unzulässig gewesen sei, weil diese Zeugen (zwar als Landesbeamte von der Amtsverschwiegenheit, aber) nicht von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden worden waren, ist der Angeklagte auf § 10 Abs. 2 ÄrzteG und auf § 9 Abs. 2 Krankenanstaltengesetz zu verweisen; danach besteht eine Verschwiegenheitspflicht nicht, wenn - wie im Fall von Strafverfahren -
die Offenbarung des Geheimnisses durch Interessen der Rechtspflege gerechtfertigt ist. Die ärztliche Schweigepflicht befreit in so gelagerten Fällen demnach nicht von der Pflicht zur Ablegung eines Zeugnisses (so schon 10 Os 59/79).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Über die Berufung des Angeklagten wird bei einem gemäß § 296 Abs. 3
StPO anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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