OGH 3Ob68/80 (3Ob69/80, 3Ob70/80)

OGH3Ob68/80 (3Ob69/80, 3Ob70/80)30.7.1980

SZ 53/105

Normen

EO §222
EO §222

 

Spruch:

Bei der Zwangsversteigerung ist im Verteilungsverfahren eine Massenbildung auch dann erforderlich, wenn versteigerte Liegenschaftsanteile verschieden belastet sind. Ist mit einem Liegenschaftsanteil Wohnungseigentum verbunden, muß bei der Massenbildung auch der Wert der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeiten berücksichtigt werden. § 222 EO ist bei der Verteilung des Erlöses unterschiedlich belasteter Miteigentumsanteile analog anzuwenden

OGH 30. Juli 1980, 3 Ob 68 - 70/80 (KG Wels R 6, 11, 12/80; BG Vöcklabruck E 7013/77)

Text

Im gegenständlichen Versteigerungsverfahren wurden 34 611/88 500 Anteile der W-GesmbH an der Liegenschaft EZ 1730 KG A, mit denen Wohnungseigentum verbunden ist, versteigert. Im einzelnen handelte es sich um A. 39 unverbaute Grundstücksanteile (= als "Stiege 1" projektiert), B. 5 Hochhauseigentumswohnungen (nicht vollständig fertiggestellt auf Stiege 2) samt Grundanteilen, C. 33 unverbaute Grundstücksanteile für projektierte Garagen und D. 3 unverbaute Grundstücksanteile für projektierte Geschäftsbauten. Die Miteigentumsanteile wurden zwar entsprechend den vorbezeichneten Kategorien separat geschätzt, aber, wie in den Versteigerungsbedingungen vorgesehen, nicht gesondert, sondern als Ganzes ausgeboten und der L- Gemeinnützige Landeswohnungsgenossenschaft regGenmbH im Versteigerungstermin vom 27. Juni 1979 um das Meistbot von 2 900 000 S zugeschlagen.

Bei der Meistbotsverteilung bildete das Erstgericht bezüglich des nach Abzug der Sondermassekosten verbleibenden Meistbotsrestes von 2 774 720 S infolge der verschiedenen bücherlichen Belastung der fünf nahezu fertiggestellten Eigentumswohnungen einerseits und der übrigen, noch unverbauten Grundstücksanteile anderseits zwei Verteilungsmassen. Die Aufteilung des Meistbotes erfolgte in analoger Anwendung des § 222 EO nach den Schätzwerten. Demnach entfielen auf die fünf Eigentumswohnungen 2 121 971.80 S auf die restlichen (unverbauten) Miteigentumsanteile 652 748.20 S. Aus der auf die fünf Eigentumswohnungen entfallenden Verteilungsmasse wurden die im Range C-OZ 221 (nur) auf den zu diesen Eigentumswohnungen gehörigen Miteigentumsanteilen pfandrechtlich sichergestellten Förderungsdarlehensforderungen des Landes Oberösterreich in der angemeldeten Höhe von 1 571 003 S vollständig berichtigt (Punkt B 1 des Verteilungsbeschlusses). Der aus dem Rest dieser Verteilungsmasse sowie der zweiten Verteilungsmasse bestehende Meistbotrest von 1 203 717 S wurde der Raiffeisenkasse W regGenmbH zur teilweisen Berichtigung ihrer im Range C-OZ 500 auf sämtlichen versteigerten Miteigentumsanteilen pfandrechtlich sichergestellten Forderung von 1 500 000 S samt Anhang zugewiesen (Punkt B 2 des Verteilungsbeschlusses). Die folgende Pfandgläubigerin Raiffeisenkasse Z regGenmbH kam mit ihrer in C-OZ 502 sichergestellten Forderung von 180 000 S samt Anhang nicht mehr zum Zuge.

Die Pfandgläubigerinnen und betreibenden Parteien Raiffeisenkasse W und Raiffeisenkasse Z sowie der Masseverwalter der verpflichteten Partei erhoben gegen die Zuweisung eines Teilbetrages von 1 261 952.54 S an das Land Oberösterreich Widerspruch mit der Begründung, daß die Bildung der beiden Verteilungsmassen entsprechend dem Verhältnis der verschieden belasteten Miteigentumsanteile zu erfolgen hätte. Da das Pfandrecht für die Förderungsdarlehensforderungen des Landes Oberösterreich nur auf 3 855/88 500 der insgesamt 34 611/88 500 versteigerten Miteigentumsanteile der verpflichteten Partei einverleibt sei, würden bei dieser Aufteilung des Meistbotes auf die für die Forderung des Landes Oberösterreich haftende Sondermasse nur 309 050.46 S entfallen. Das Erstgericht wies diese Widersprüche aber im Hinblick auf die Wertunterschiede der versteigerten Miteigentumsanteile, je nachdem, ob damit bereits nahezu fertiggestellte Eigentumswohnungen oder bloß "projektierte Räumlichkeiten" verbunden seien, ab.

Das Rekursgericht gab den Rekursen der Pfandgläubigerinnen und betreibenden Parteien Raiffeisenkasse W und Raiffeisenkasse Z, mit denen sie eine ihren Widersprüchen entsprechende Bildung der Verteilungsmassen und dementsprechend eine Kürzung des auf die vorrangige Forderung des Landes Oberösterreich entfallenden Betrages auf nur 309 050.46 S und die Zuweisung des freiwerdenden Differenzbetrages von 1 261 952.54 S auf ihre angemeldeten Forderungen anstrebten, keine Folge. Das Rekursgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes aus der Erwägung an, daß die Rechtsnatur des Wohnungseigentums, insbesondere das ausschließliche Nutzungsrecht an einer selbständigen Wohnung, dazu führen müsse, daß bei der Verteilung des Meistbotes so zu verfahren sei, als ob mehrere unterschiedlich belastete einzelne Liegenschaften eines Verpflichteten versteigert worden wären, sodaß das Meistbot in Analogie zu § 222 EO zu verteilen sei. Aus diesem Grund sei auch bereits bei der Schätzung auf die besonderen Verhältnisse des Wohnungseigentums durch Berücksichtigung des unterschiedlichen Ausbauzustandes der einzelnen Wohnungen Bedacht genommen worden. Die Bildung der beiden Massen sei daher mit Recht nach dem Verhältnis der Schätzwerte der fünf mit dem Pfandrecht des Landes Oberösterreich belasteten Eigentumswohnungen zum Gesamtschätzwert der versteigerten Wohnungseigentumsanteile erfolgt.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der betreibenden Parteien Raiffeisenkasse W und Raiffeisenkasse Z nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gegenstand des Versteigerungsverfahrens waren insgesamt 80 unterschiedlich große Miteigentumsanteile, der in Konkurs befindlichen Firma W-GesmbH an der EZ 1739 KG A, mit denen Wohnungseigentum untrennbar verbunden ist (§ 7 Abs. 1 WEG). Fünf dieser Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum an weitgehend fertiggestellten Hochhauseigentumswohnungen verbunden ist, weisen eine abweichende (höhere) hypothekarische Belastung auf als die übrigen Miteigentumsanteile, deren Wohnungseigentum noch im Planungsstadium befindliche Räumlichkeiten betrifft. Mit Recht hat das Erstgericht bei dieser Sachlage zum Zwecke der Meistbotsverteilung zwei Verteilungsmassen gebildet. Eine Massenbildung ist nämlich immer dann erforderlich, wenn sich das Versteigerungsverfahren auf mehrere Liegenschaften (Liegenschaftsanteile) oder auf eine im Eigentum mehrerer stehende Liegenschaft bezogen hat und die Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteile verschieden belastet sind. Eine solche für das Verteilungsverfahren wesentliche Belastungsverschiedenheit liegt dann vor, wenn die Lasten nicht auf allen Liegenschaften (Liegenschaftsanteilen) zugunsten derselben, noch zum Zuge kommenden Berechtigten in derselben Rangfolge haften. Durch die Massenbildung soll verhindert werden, daß bei verschiedener Pfandbelastung des Gesamterlöses ein Gläubiger aus einem Teil des Erlöses, an dem er kein oder ein späteres Pfandrecht hat, zum Nachteil eines Vorgläubigers zum Zug kommt (Heller - Berger - Stix, 1462).

Die Exekutionsordnung enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen, in welcher Weise im Verteilungsverfahren erforderlichenfalls Teilmassen zu bilden sind. Die Versteigerungsbedingungen können durch die bei der Feilbietung einzuhaltende Vorgangsweise (etwa parzellenweise Versteigerung) indirekt auch diese Frage regeln, doch ist dies entgegen der Ansicht der Rekurswerber nicht unbedingt erforderlich, da durch die Versteigerungsbedingungen nur die Regeln für den zwangsweisen Verkauf festgelegt, also in erster Linie die Rechtsbeziehungen zum Ersteher bestimmt werden (vgl. Heller - Berger - Stix, 1164; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht, 151; Petschek - Hämmerle - Ludwig, Zwangsvollstreckung, 111; EvBl. 1966/244). Sie sagen daher über die Verteilungsgrundsätze nichts aus.

Aus dem erwähnten Zweck der Massenbildung, der auch aus der vom Gesetzgeber beabsichtigten verhältnismäßigen Befriedigung der Simultanpfandgläubiger ersichtlich ist (§ 222 Abs. 2 bis 4 EO; vgl. Heller - Berger - Stix, 1515 ff.; SZ 49/32 u. a.), ergibt sich nun, daß die Teilmasse jenem Teil des Gesamterlöses entsprechen soll, den der betreffende Teil des Exekutionsobjektes, sei es nun eine von mehreren Liegenschaften oder ein realer oder ideeller Liegenschaftsanteil, bei der Versteigerung erzielte oder bei gesonderter Feilbietung erzielt hätte. Mangels anderer Anhaltspunkte wird der hypothetische Verkaufserlös nach dem Verhältnis von Teil- und Gesamtschätzwert zu ermitteln sein (vgl. Heller - Berger - Stix, 1514 f., 1822; SZ 24/83; EvBl. 1962/98 und 1971/26). Die Bestimmung des § 222 EO ist auch bei der Verteilung des Erlöses unterschiedlich belasteter Miteigentumsanteile analog anzuwenden (Heller - Berger - Stix, 1617 f.; SZ 15/192; EvBl. 1967/310 u. a.). Sind also Teilmassen für ideelle Liegenschaftsanteile zu bilden, so werden sie, ausgehend vom dargelegten Gesichtspunkt des für jeden Teil hypothetisch zu ermittelnden Erlöses, nur dann mit dem der Miteigentumsquote entsprechenden Bruchteil des Gesamterlöses anzunehmen sein, wenn es sich um schlichtes Miteigentum handelt, weil sich dieses in der quotenmäßigen Beteiligung am Gesamtrecht erschöpft. Hier ist jedoch mit dem Miteigentumsanteil untrennbar Wohnungseigentum verknüpft, welches dem Berechtigten ein ausschließliches Nutzungs- und Verfügungsrecht über einen bestimmten Teil der gemeinschaftlichen Sache verschafft (§ 1 WEG). In diesem Fall setzt sich der Wert eines - mit Wohnungseigentum verbundenen - Miteigentumsanteiles aus dem Wert des Grundanteiles und dem Wert der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeiten zusammen; der hypothetische Verkaufserlös kann daher, anders als bei schlichtem Miteigentum, nicht ausschließlich auf Grund der Eigentumsanteile ermittelt werden.

Da im vorliegenden Falle mit den Miteigentumsanteilen der W- GesmbH Wohnungseigentum verbunden ist, erstrecken sich die daran begrundeten Pfandrechte auch auf das mit dem Miteigentumsanteil jeweils verbundene Wohnungseigentum, und zwar auch dann, wenn sie dem Wohnungseigentum im Range vorangehen (§ 7 Abs. 2 WEG). Bei der Bildung der den einzelnen Pfandgläubigern verhafteten Befriedigungsfonds ist somit auch der Wert des mit den Liegenschaftsanteilen untrennbar verbundenen Wohnungseigentums in Anschlag zu bringen. Da dieser Wert wegen der unterschiedlichen Fertigstellung der Eigentumswohnungen bzw. im Wohnungseigentum stehenden sonstigen Räumlichkeiten hier geradezu exorbitant verschieden ist, war es sachlich gerechtfertigt, bei der im Hinblick auf die unterschiedliche Pfandbelastung erforderlichen Massenbildung in der Weise vorzugehen, wie dies das Erstgericht getan hat.

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