OGH 3Ob532/80

OGH3Ob532/8021.5.1980

SZ 53/80

Normen

ABGB §363 Abs1
AÖSp §51 Abs2
HGB §407
HGB §408
ABGB §363 Abs1
AÖSp §51 Abs2
HGB §407
HGB §408

 

Spruch:

Die Spediteurübernahmsbescheinigung (FCR) gehört nicht zu den kaufmännischen Orderpapieren; Weisungsänderungen des Auftraggebers dürfen vom Spediteur nur bei Rückgabe der Bescheinigung beachtet werden

Der Spediteur kann sich bei groben Verschulden nicht auf die Haftungsbeschränkungen der AÖSp berufen

OGH 21. Mai 1980, 3 Ob 532/80 (OLG Wien 4 R 185/79; HG Wien 30 Cg 586/79)

Text

Die Klägerin hat im Jahre 1973 den Ankauf von 20 Zigarettenautomaten durch die R Gastronomiebedarf Handelsgesellschaft m. b. H. (im folgenden kurz GesmbH genannt) bei der W AG in Zug vorfinanziert. Die Einziehung des Kaufpreises sollte durch die C-Bank im Wege des Dokumenteninkassos erfolgen.

Die Klägerin brachte hiezu vor, anläßlich der Bezahlung des Kaufpreises sei die erstbeklagte Partei angewiesen worden, die bei ihr lagernden Zigarettenautomaten ausschließlich zur Verfügung der klagenden Partei zu halten. Obwohl die erstbeklagte Partei diese Weisung zur Kenntnis genommen habe, habe sie in der Folge die Zigarettenautomaten ohne Zustimmung und Mitwirkung der Klägerin an die GesmbH. ausgefolgt. Diese habe die Zigarettenautomaten verkauft und den Kaufpreis vereinnahmt, ohne ihn an die Klägerin abzuführen. Über das Vermögen der GesmbH sei inzwischen der Konkurs eröffnet worden. Hätte die Erstbeklagte die Ware zur Verfügung der Klägerin gehalten, wäre die GesmbH genötigt gewesen, jeweils ihre Kaufpreisforderung vor Auslieferung an die Klägerin abzutreten, sodaß die Klägerin den vorfinanzierten Betrag bis längstens Ende Oktober 1973 zurückerhalten hätte. Durch das Verhalten der Erstbeklagten sei der Klägerin ein Schaden von 359 120 S samt Anhang verursacht worden, den sie von den Beklagten ersetzt verlange; dieser Betrag setze sich aus dem vorfinanzierten Kaufpreis von 215 700 S und den in der Zeit vom 1. November 1973 bis 12. Dezember 1978 aufgelaufenen Zinsen (12% p.a.) für aufgenommenes Fremdkapital in der Höhe von 143 420 S zusammen. Obwohl die Erstbeklagte die Speditionsversicherung eingedeckt habe, hafte sie wegen groben Verschuldens ohne die Haftungsbeschränkung der AÖSp. Die Zweit- bis Fünfzehntbeklagten hätten als SVS-Versicherer zur ungeteilten Hand mit der Erstbeklagten der Klägerin gegenüber anteilsmäßig für den eingetretenen Schaden einzustehen, weil die Klägerin derjenige Teil sei, dem gemäß § 1 SVS das versicherte Interesse zur Zeit des den Schaden verursachenden Ereignisses zugestanden sei.

Die Beklagten bestritten und beantragten Klagsabweisung. Die Erstbeklagte habe am 4. Juni 1973 über Aviso der Firma H die Sendung von 20 Zigarettenautomaten erhalten, die für die GesmbH bestimmt gewesen, aber vorerst zur Verfügung der Firma W AG Zug gestanden sei. Richtig sei, daß die C- Bank und die Klägerin die Erstbeklagte davon verständigt hätten, daß die Sendung auf Grund eines unwiderruflichen Auftrages der GesmbH zur Verfügung der Klägerin zu halten sei, doch sei nur die Firma W AG Zug zu Verfügungen über die Ware berechtigt gewesen. Trotzdem sei irrtümlich am 3. Juli 1973 an die Klägerin eine Bestätigung der Erstbeklagten gegangen, daß die Automaten nunmehr zur Verfügung der Klägerin lägen; dieses Schreiben sei aber nicht firmenmäßig gezeichnet gewesen. Eine grobe Fahrlässigkeit der Erstbeklagten sei dabei nicht unterlaufen. Mit Schreiben vom 22. August 1973 habe die GesmbH unter Anschluß der Spediteur-Übernahmebescheinigung (in der Folge kurz FCR) der Firma H von der Erstbeklagten die Ausfolgung der Automaten in Teilmengen verlangt. Diese Bescheinigung sei von der Dokumentenabteilung der C-Bank abgestempelt gewesen, sodaß die Erstbeklagte habe annehmen können, daß entgegen der ursprünglichen Disposition der C-Bank nunmehr, aus welchem Gründe immer, der GesmbH das Verfügungsrecht eingeräumt worden sei. Die Automaten seien daher der GesmbH ausgeliefert worden. In der Folge habe sich herausgestellt, daß das FCR durch einen Irrtum der C-Bank an die GesmbH statt an die Klägerin zugestellt worden sei. Die Klägerin habe erstmals im Dezember 1975 die Herausgabe der 20 Zigarettenautomaten verlangt. In diesem Zeitpunkt wären diese Automaten bereits überaltert und mangels Wartung möglicherweise auch gar nicht betriebsfähig gewesen.

Compensando machten die Beklagten bis zum Abruf der Ware auf dieser haftende Lagergelder in der Höhe von 25 111.40 S geltend. Zinsen wären auch dann bis dahin aufgelaufen, wenn die Automaten zum Abruftermin Dezember 1975 zur Verfügung gestanden wären. Im übrigen sei auch das Zinseszinsenbegehren unberechtigt. Die Erstbeklagte treffe keine Fahrlässigkeit, ihr Auftraggeber sei die Firma H gewesen. Die GesmbH habe sich von der C-Bank das FCR verschafft, aus dem sich die vom Spediteur H erteilte Weisung ergebe. Die Erstbeklagte sei aber auch deshalb von jeder Haftung frei, weil die SVS-Versicherung eingedeckt sei; allenfalls hätten die Haftungsbeschränkungen nach § 54 AÖSp zum Tragen zu kommen. Die Haftung der zweit- bis fünfzehntbeklagten SVS-Versicherer sei nicht gegeben, weil einerseits das der Erstbeklagten angelastete Verschulden sich auf keinen Verkehrsvertrag beziehe und daher nicht versichert sei, andererseits Leistungsfreiheit deshalb vorliege, weil der Schaden dem Versicherer nicht innerhalb der Monatsfrist nach § 10 SVS zur Kenntnis gebracht worden sei.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als zu Recht, die eingewendeten Gegenforderungen als nicht zu Recht bestehend und verurteilte demgemäß die Erstbeklagte und die Zweit- bis Fünfzehntbeklagten zur ungeteilten Hand mit ihr (jede einzelne Versicherungsgesellschaft jedoch nur entsprechend ihrem Anteil am Speditionsversicherungsschein) zur Bezahlung des Klagsbetrages von 359 120 S samt Anhang. Es ging bei dieser Entscheidung von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Die GesmbH stand mit der W AG in Zug, Schweiz, in Geschäftsverbindung und bezog wiederholt Zigarettenautomaten, die von der genannten Firma fakturiert, aber von der Firma W in Westfalen geliefert wurden. Die Bezahlung erfolgte entweder aus Eigenmitteln oder mit Bankkredit oder unter Inanspruchnahme verschiedener Financiers, darunter auch der Klägerin. Die Verkäuferin bediente sich zur Sicherung ihres Kaufpreises des Dokumenteninkassos, d. h. daß erst dann über die Ware verfügt werden konnte, wenn der Kaufpreis bezahlt war. Im Falle der Einschaltung von Banken oder Financiers wurde die von diesen Geldgebern bezahlte Ware jeweils zu deren Verfügung gehalten; eine Freigabe an die GesmbH erfolgte erst nach Abdeckung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber den Geldgebern.

Das klagsgegenständliche Geschäft wurde im Jahre 1973 über die C-Bank abgewickelt. Die Klägerin überwies an diese Bank am 18. Juni 1973 215 700 S als Kaufpreis für 20 Zigarettenautomaten. Die C-Bank war vorher einerseits von der GesmbH beauftragt worden, den überwiesenen Betrag zur Bezahlung der Dokumente der W AG im Betrage von 29 511.45 DM zu verwenden, anderseits hatte sie von der W AG den Auftrag, die übersandte Faktura nur gegen Bezahlung des gesamten Fakturenbetrages auszufolgen. Bezogener des Dokumenteninkassos war die GesmbH, doch war es der W AG gleichgültig, wer die Zahlung auf ihr Dokumenteninkasso leistete, solange die Zahlung im Einverständnis mit der GesmbH erfolgte. Zur Auslieferung der Ware bediente sich die Firma W in H, Westfalen, der Spedition Firma H. Diese kundigte der Erstbeklagten durch ein Export-Versand-Avis vom 25. Mai 1973 die für die GesmbH bestimmte Sendung mit der Weisung an, die Ware zur Verfügung der W AG Zug zu halten. Am 1. Juni 1973 stellte die Firma H eine Spediteurübernahmebescheinigung (FCR = Forwarding-Agents Certification of Receipt) aus, in der sie bestätigte, daß sie von der Firma W in H 20 Kartons Zigarettenautomaten in äußerlich guter Beschaffenheit mit der unwiderruflichen Weisung zur Beförderung an die Erstbeklagte bzw. zur Weiterbehandlung gemäß Instruktion der GesmbH übernommen habe (Beil./4).

Mit Schreiben vom 13. Juni 1973 beauftragte die GesmbH die C-Bank, die Dokumente dieser Sendung auf Grund der Zahlung der Klägerin von 215 700 S an diese auszufolgen und gleichzeitig die Erstbeklagte davon zu verständigen, daß die Ware ausschließlich und unwiderruflich zur Verfügung der Klägerin stehe. Die C-Bank entsprach diesem Auftrag und schrieb am 18. Juni 1973 an die Erstbeklagte zu Handen des zuständigen Sachbearbeiters J, daß sie auf Grund des unwiderruflichen Auftrages der GesmbH im Rahmen des (diesen Fall betreffenden) Dokumenteninkassos Nr. 617.733 29 511.45 DM an die W AG Zug überwiesen habe. Weiters ersuchte die C-Bank die Erstbeklagte, die "in diesem Zusammenhang ... eingetroffenen 20

Stück Zigarettenautomaten ... zur ausschließlichen und

unwiderruflichen Verfügung" der Klägerin zu halten. Die Klägerin übermittelte der Erstbeklagten eine Kopie dieses Schreibens der C-Bank und eine Kopie des Schreibens der GesmbH vom 13. Juni 1973 und ersuchte in ihrem Brief vom 19. Juni 1973 um Kenntnisnahme, daß die 20 Zigarettenautomaten unverzollt zur ausschließlichen klägerischen Verfügung stunden und nur auf Grund einer von Dr. R oder Herrn U gezeichneten fernschriftlichen Freigabe freigegeben werden dürften. Als Verzollungsunterlage übermittelte die Klägerin der Erstbeklagten ferner die an die GesmbH ausgestellte Originalrechnung der Verkäuferfirma. Diese Rechnung trug bereits den Stempel der Dokumentenabteilung der C-Bank. Die Klägerin ersuchte ferner um Bestätigung, daß die Erstbeklagte die Waren zur Verfügung der Klägerin halte.

Diese Bestätigung erfolgte mit Schreiben der Erstbeklagten vom 3. Juli 1973, welches auf Firmenpapier der Erstbeklagten sowie unter Verwendung ihrer Firmenstampiglie abgefaßt war. Darin bestätigt die Erstbeklagte sowohl den Empfang des Schreibens der Klägerin vom 19. Juni 1973 als auch, daß die eingelagerten 20 Zigarettenautomaten in ihrem Lager in der T-Gasse zur Verfügung der Klägerin lägen. Dieses Schreiben unterfertigten für die Erstbeklagte J als Sachbearbeiter und Dr. A als Kollektivprokurist. Diese Vorgangsweise bei der Abfassung derartiger Geschäftsbriefe einschließlich ihrer Unterfertigung war bei der Erstbeklagten Praxis und auch den Vorgesetzten des Zeugen J bekannt. J hatte allerdings auf dem Aktendeckel des Verkehrsaktes keinen Hinweis angebracht, daß die Ware für die Klägerin und nicht für die GesmbH zur Verfügung zu halten sei. Ein derartiger Sperrvermerk wäre aber in den Akten und in der Lagerkartei so anzubringen gewesen, daß er vom zuständigen Bearbeiter jederzeit wahrgenommen werden kann.

Unter Bezugnahme auf ihren Inkassoauftrag übermittelte die Firma W AG Zug am 13. Juli 1973 der C-Bank zum Dokumenteninkasso Nr. 617.733 das FCR vom 1. Juni 1973. Da bei der C-Bank der ganze Geschäftsfall infolge der Überweisung des Kaufpreises abgeschlossen schien, wurde das FCR entgegen der Weisung der GesmbH irrtümlich nicht der Klägerin, sondern der GesmbH ausgefolgt, nachdem es mit einem Stempel der Dokumentenabteilung der C-Bank versehen worden war.

Mit Schreiben vom 22. August 1973 übermittelt die GesmbH dieses FCR der Erstbeklagten; gleichzeitig ersuchte sie um Verzollung der 20 Zigarettenautomaten. Auf Grund des FCR hatte J keine Bedenken, die Automaten entgegen dem Schreiben vom 3. Juli 1973 der GesmbH auszufolgen, ohne die Klägerin zu verständigen, weil er im FCR einen Nachweis der Freigabe der Sendung erblickte. Die Automaten wurden in der Folge von der GesmbH um Preise zwischen 16 000 S und 19 000 S verkauft, ohne daß Zahlungen an die Klägerin geleistet wurden.

Die Spediteur-Übernahmebescheinigung (FCR) wurde von der FIATA, der internationalen Dachorganisation der nationalen Spediteurverbände, 1955 herausgegeben, um die bis dahin uneinheitlich textierten Spediteurbescheinigungen über den Empfang einer Sendung und deren weitere Behandlung entsprechend den Weisungen des Auftraggebers zu vereinheitlichen. Mit der Ausstellung des FCR bestätigt der Spediteur, eine genau beschriebene Ware mit dem unwiderruflichen Auftrag erhalten zu haben, sie an den im Dokument genannten Empfänger zu befördern oder zur Verfügung des im Dokument genannten Dritten zu halten. Dieser Auftrag an den Spediteur kann nur widerrufen oder abgeändert werden, wenn das Original des FCR dem Spediteur zurückgegeben wird und der Spediteur noch in der Lage ist, die Anullierung oder Umdisposition durchzuführen. Dazu gehört, daß der Spediteur noch ein Verfügungsrecht über die Sendung besitzt bzw. daß die Verfügung des begünstigten Dritten noch nicht beim ausstellenden Spediteur eingegangen ist. Durch das FCR kann der Lieferant dem Käufer den Nachweis der Erfüllung seiner Pflichten bei einem Verkauf ab Werk führen. Wenn das FCR dem Käufer übergeben ist, kann der Verkäufer nicht mehr über die dem Spediteur übergebene Ware verfügen. Die Sperrwirkung des FCR wirkt im wesentlichen zwischen dem Auftraggeber und dem Versandspediteur. Der Versandspediteur vermerkt in der Regel in seiner Verfügung (Bordero) an den Empfangsspediteur, wie die Sendung behandelt werden soll; dieser weiß nicht immer von Ausgabe und Inhalt eines FCR, daher ist für ihn die Verfügung des Versandspediteurs im Bordero maßgebend. Sinn des FCR ist es, dem Käufer einer Ware Sicherheit zu verschaffen, daß der Verkäufer nicht noch nach Bezahlung der Ware andere Verfügungen über sie trifft.

Ein Handelsbrauch, wonach das FCR die Wirkung eines Legitimations- oder Inhaberpapiers hätte, besteht nicht; es besteht in Österreich auch keine einheitliche Auffassung darüber, eine derartige Wirkung des FCR zu entwickeln. Zum Gebrauch als Inhaberpapiere hat die FIATA

andere Dokumente (so das FCT = Forwarding Agents Certificate of

Transport, und das FBL = Fiata Combined Transport Bill of Lading)

entwickelt. In den Usancen für Akkreditive scheint das FCR nicht als Dokument auf, das die Auslösung des Akkreditives bewirkt.

Die Nichtbeachtung von Sperrvermerken ist ein Spediteurfehler. Nach Bestätigung der Sperre wäre die Erstbeklagte daher verpflichtet gewesen, bei einer dieser Sperre zuwiderlaufenden Verfügung der GesmbH vor Ausfolgung der Waren jegliche Unklarheit zu beseitigen.

Über das Vermögen der GesmbH wurde vom Handelsgericht Wien am 27. November 1975 zu Sa 71/75 das Ausgleichsverfahren eröffnet und am 19. März 1976 zu S 39/76 der Anschlußkonkurs; Masseverwalter ist Rechtsanwalt Dr. G. Die von der Klägerin angemeldete Forderung von 354 387 S wurde in der 3. Klasse der Konkursgläubiger anerkannt. Aus Anlaß des Insolvenzverfahrens wollte die Klägerin die GesmbH-Konten liquidieren. Als ihr dies zu langsam vor sich ging, wandte sie sich im Dezember 1975 an die Erstbeklagte wegen der 20 Automaten aus dem klagsgegenständlichen Geschäft. Die erste Auskunft, diese Automaten seien vorhanden, stellte sich bald als unrichtig heraus, es lagerten nur noch andere, nicht von der Klägerin finanzierte Zigarettenautomaten bei der Erstbeklagten. Anfang 1976 setzte die Erstbeklagte brieflich die Klägerin davon in Kenntnis, daß die Automaten nicht mehr vorhanden seien. Die Klägerin nahm hierauf die Erstbeklagte mit Schreiben vom 12. Jänner 1976 in Anspruch, diese verwies die Klägerin an ihre SVS-Versicherer (Zweit- bis Fünfzehntbeklagte), deren Büro Dr. F von der Erstbeklagten am 19. Jänner 1976 von der Inanspruchnahme durch die Klägerin verständigt worden war. Die SVS-Versicherer vertraten jedoch die Meinung, daß die Erstbeklagte keinen Fehler gemacht habe, und lehnten eine Schadensregulierung ab.

Die Konkursmasse der GesmbH wird nicht einmal zur Berichtigung der Masseforderungen ausreichen. Im Dezember 1975 hätte die GesmbH wegen der Ausgleichseröffnung keine Automaten mehr zurückgeben können. Zwischen Mai 1973 und Dezember 1975 wurden an den einschlägigen W-Modellen keine konstruktiven Veränderungen vorgenommen. Eine Wertminderung trat durch die Lagerung der Zigarettenautomaten nicht ein. Es stieg im Gegenteil ihr Verkaufspreis und damit der Wert der Automaten infolge der Geldentwertung bis Dezember 1975 von 29 511.45 DM auf 33 938.17 DM.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Erstbeklagte von der Befriedigung der Verkäuferfirma und damit dem Wegfall der Verfügungsbeschränkung durch die ihr zugegangenen Briefe und Dokumente Kenntnis erlangt habe. Die GesmbH sei daher als Warenempfängerin berechtigt gewesen, die Erstbeklagte anzuweisen, die Ware zur ausschließlichen und unwiderruflichen Verfügung der Klägerin zu halten. Die Erstbeklagte habe diese Weisung zur Kenntnis genommen und der Klägerin gegenüber mit Schreiben vom 3. Juli 1973 bestätigt. Einer Aufhebung der Weisung der Versandspedition Firma H, die Ware für die Verkäuferfirma (W AG) zur Verfügung zu halten, habe es bei dieser Sachlage nicht mehr bedurft. Das FCR sei kein Legitimations- oder Inhaberpapier; es schütze lediglich den Käufer vor für ihn schädlichen Dispositionen des Verkäufers. Die Vorweisung des FCR habe daher die Erstbeklagte nicht von der Beachtung des ihr mitgeteilten und von ihr bestätigten Sperrvermerkes zugunsten der Klägerin entbunden. Der Ausfolgeauftrag der GesmbH habe ihrer früheren Weisung widersprochen. Dadurch, daß die Erstbeklagte unter Mißachtung des Sperrvermerkes die Ware ausgefolgt habe, habe sie sich weisungswidrig verhalten. Diese Vorgangsweise sei als grobe Fahrlässigkeit zu qualifizieren, weil die Erstbeklagte im Falle zweier einander widersprechender Weisungen verpflichtet gewesen wäre, bei der Klägerin anzufragen, ob sie der Ausfolgung der Ware an die GesmbH zustimme. Auf die Haftungsbefreiung des § 41 AÖSp bzw. die Haftungsbeschränkung des § 54 AÖSp könne sich die Erstbeklagte wegen der von ihr zu vertretenden groben Fahrlässigkeit nicht berufen. Die Schadenersatzforderung umfasse den von der Klägerin aufgewendeten Kapitalsbetrag von 215 700 S zuzüglich der aufgelaufenen Bankzinsen. Dieser realen Schadenersatzforderung könnten die Beklagten nicht bloß fiktive Lagerspesen entgegenhalten. Aus demselben Gründe schlage auch das Argument der Beklagten, daß Zinsen bis Dezember 1975 auch aufgelaufen wären, wenn die Zigarettenautomaten noch vorhanden gewesen wären, nicht durch. Die eingewendeten Gegenforderungen bestunden daher nicht zu Recht. Die Speditionsversicherung wirke zugunsten des Auftraggebers oder desjenigen, dem das versicherte Interesse zur Zeit des Schadenseintrittes zugestanden sei. Die SVS-Versicherer hätten für alle Schäden zu haften, welche dem Versicherten aus Verkehrsverträgen erwachsen. Da die Haftung der Erstbeklagten aus einem Speditionsvertrag in Anspruch genommen werde (Einlagerung der spedierten Ware beim Empfangsspediteur), sei somit auch die anteilsmäßige Haftung der Zweit- bis Fünfzehntbeklagten zu bejahen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil hinsichtlich eines Zuspruches von 215 700 S samt 10.75% Zinsen seit 16. Dezember 1978 als Teilurteil; im übrigen hob es das Ersturteil (ohne Rechtskraftvorbehalt) auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurück. Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Erstbeklagte durch die Unterlassung eines ihrem Schreiben an die Klägerin entsprechenden Sperrvermerkes in ihren Akten und durch die spätere Mißachtung dieser Sperre grob fahrlässig gehandelt habe und daher die Haftungsbeschränkungen der §§ 41 lit. a und 54 AÖSp nicht für sich in Anspruch nehmen könne. Die Unterlassung einer Rückfrage bei der durch die Sperre begünstigten Klägerin vor der Ausfolgung der Automaten an die GesmbH stelle einen die vorgenannte Rechtsfolge auslösenden Spediteurfehler dar. Da nach den Sachverhaltsfeststellungen der Verjährungseinwand der SVS-Versicherer (Zweit- bis Fünfzehntbeklagte) nicht berechtigt sei, hätten sie anteilsmäßig für den der Klägerin durch die Erstbeklagte verursachten Schaden zu haften. Der Höhe nach sei dieser Schaden (zumal die Beklagten auf ihren vom Erstgericht als ungerechtfertigt erkannten Einwand bestehender Gegenforderungen in der Berufung nicht mehr zurückkamen) zumindest mit 215 700 S samt Anhang anzunehmen, das sei jener Betrag, den die Klägerin für die Finanzierung des Ankaufes der Automaten aufgewendet habe. Der Umstand, daß die Klägerin ihre Ansprüche auf die Automaten erst nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GesmbH geltend gemacht habe, sei für ihren Schadenersatzanspruch ohne Bedeutung, weil die Automaten einerseits bereits lange vor Konkurseröffnung der GesmbH ausgefolgt und von dieser weiterveräußert worden seien, anderseits aber bei Vorhandensein der Automaten der Klägerin ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB mit den Wirkungen des § 10 KO zustunde. Bezüglich des Mehrbegehrens von 143 420 S samt Anhang sei die Sache noch nicht spruchreif.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Rechtsrüge gehen die Beklagten gleich den Unterinstanzen davon aus, daß die Haftungsbefreiung des Spediteurs nach § 41 lit. a AÖSp sowie die Beschränkung seiner Haftung nach § 54 AÖSp dann nicht zum Tragen komme, wenn der Spediteur vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt oder gegen einen ihm ausdrücklich erteilten Auftrag verstößt (vgl. JBl. 1974, 473 u. a.). Die Beklagten sind jedoch der Ansicht, der Erstbeklagten falle grobe Fahrlässigkeit bei der Ausfolgung der Zigarettenautomaten an die GesmbH deshalb nicht zur Last, weil ihr Verschulden höchstens darin gelegen sein könne, daß sie (möglicherweise zu Unrecht) die FCR-Bescheinigung als ein Legitimationspapier angesehen habe. Demgegenüber ist festzuhalten:

Die Spediteur- und Übernahmebescheinigung oder Forwarding Agents Certificate of Receipt ist nach den Feststellungen ein 1955 von der FIATA, der internationalen Dachorganisation der nationalen Spediteurverbände, im Interesse der Rechtsvereinheitlichung herausgegebenes Muster einer Erklärung, in welcher der Spediteur den ordnungsgemäßen Empfang der zu befördernden Sendung bestätigt und sich verpflichtet, das Speditionsgut entsprechend der in der Bescheinigung wiedergegebenen unwiderruflichen Weisung des Auftraggebers weiterzubehandeln (vg. Krien - Hay, AÖSp. 124; Marek, Wesen und rechtliche Wirkungen der Spediteur-Übernahmebescheinigung im Lichte der Praxis, ÖJZ 1958, 447 f.). Der Spediteur-Übernahmebescheinigung kommt insofern Sperrwirkung zu, als Weisungsänderungen des Auftraggebers vom Spediteur nur bei Rückgabe der Bescheinigung beachtet werden dürfen. Die Spediteur-Übernahmebescheinigung gehört jedoch nicht zu den kaufmännischen Orderpapieren, die an Order ausgestellt und durch Indossament übertragen werden können (§§ 363 ff. HGB) mit der Folge, daß der Besitzer des Papiers, soweit er als Eigentümer der Urkunde berechtigt ist, auch als Inhaber des verbrieften Rechtes legitimiert ist, (BGH BGHZ 68/5, 18; vgl. auch Schlegelberger, HGB[5] IV, 355 f.). Sie ist also kein "Legitimationspapier". Ein davon abweichender Handelsbrauch wurde nicht festgestellt (durch den OGH nicht weiter überprüfbare Tatsachenfeststellung; vgl. JBl. 1974, 473; HS 4218, 7210 u. a.).

Was schließlich die Auffassung der Revisionswerber anlangt, ihr Verschulden könne höchstens darin liegen, daß sie die Spediteur-Übernahmebescheinigung - nach den vorstehenden Ausführungen zu Unrecht - als Legitimationspapier angesehen habe, so liegt ihr Verschulden in Wahrheit in der Nichtbeachtung der Schreiben vom 18. Juni 1973 bzw. 19. Juni 1973 und des Bestätigungsschreibens vom 3. Juli 1973.

Nach dem hier festgestellten Sachverhalt wurde die Erstbeklagte bei der Versendung der für die GesmbH bestimmten Zigarettenautomaten als Zwischenspediteur der Firma H tätig (vgl. Schlegelberger HGB[5] IV, 402 f.; SZ 45/59; VersR 1974, 1043 u. a.). Sie hatte als solche laut der ihr erteilten Weisung die Ware zur Verfügung der W AG in Zug zu halten. Da die Spediteurübernahmebescheinigung nur die GesmbH als Verfügungsberechtigte auswies, konnte sich für die Erstbeklagte im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses zum Hauptspediteur - und die Spediteur-Übernahmebescheinigung betrifft nur dieses Vertragsverhältnis - lediglich die Frage ergeben, ob in der Spediteur-Übernahmebescheinigung eine Abänderung der ihr ursprünglich erteilten Weisung gelegen ist. Die Unterlassung einer diesbezüglichen Rückfrage (bei der Firma H; zur Rückfragepflicht vgl. HS 4387) hat aber mit dem hier geltend gemachten Anspruch der am Speditionsvertrag nicht beteiligten Klägerin nichts zu tun. Hier geht es um die Nichtbeachtung einer von der erstbeklagten Partei eingegangenen besonderen vertraglichen Abrede (vgl. Schlegelberger a. a. O., 402), die nicht mit ihrem Vertrauen auf den Inhalt der Spediteur-Übernahmebescheinigung entschuldigt werden kann. Die erstbeklagte Partei wurde durch die Schreiben der Klägerin vom 19. Juni 1973, der C-Bank vom 18. Juni 1973 und der GesmbH vom 13. Juni 1973 unter Anschluß der Originalfaktura von der Begleichung der Kaufpreisforderung der Firma W AG Zug durch die Klägerin verständigt und hat die Weisung der Empfängerin (der GesmbH), die Ware (20 Zigarettenautomaten) "ausschließlich und unwiderruflich" zur Verfügung der Klägerin zu halten, widerspruchslos zur Kenntnis genommen, ja sogar dieser gegenüber noch durch das der Erstbeklagten (auf Grund der äußeren Form des Schriftstückes) zurechenbare Schreiben vom 3. Juli 1973 bestätigt. Die Ausfolgung des Speditionsgutes an den Empfänger entgegen einer von diesem erteilten, vom Spediteur zur Kenntnis genommenen und dem Berechtigten gegenüber schriftlich bestätigten, noch dazu unwiderruflichen Sperrverfügung ohne Rückfrage bei dem aus der Sperrverfügung Berechtigten ist einem Spediteur als grobes Verschulden anzulasten (ähnlich 3 Ob 647/77). Denn ein solches ist anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar war (SZ 43/80; EvBl. 1979/53 u. a.). Die Unterlassung jener organisatorischen Maßnahmen, die die Einhaltung derartig wesentlicher Vertragspflichten gewährleisten (hier die Unterlassung der diesem Zweck dienenden Anbringung eines Sperrvermerkes), ist für einen ordentlichen Spediteur ein grober Fehler, es liegt auch auf der Hand, daß aus der Nichtbeachtung einer zu Sicherungszwecken erfolgten Sperrverfügung leicht ein Schaden entstehen kann. Daß sich die beklagten Parteien bei Vorliegen groben Verschuldens der Erstbeklagten auf die Haftungsbeschränkungen der AÖSp nicht berufen können, wird von ihnen selbst nicht in Zweifel gezogen und entspricht auch der herrschenden Auffassung. Daher kann sich auch entgegen der Meinung der Revisionswerber die Bestimmung des § 54 lit. a Z. 2 AÖSp, wonach die Haftung des Spediteurs "für alle sonstigen Schäden, gleichviel aus welchem Gründe" betragsmäßig beschränkt ist, nicht auf Fälle beziehen, in denen sich der Spediteur wegen seines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns ganz allgemein nicht auf die Haftungsbeschränkungen der AÖSp berufen kann (vgl. Schlegelberger a. a. O., 508; Helm, Speditionsrecht, 138).

Ob die Erstbeklagte die GesmbH auf Grund der Speditions-Übernahmsbescheinigung zur Empfangnahme der Zigarettenautomaten legitimiert ansah, ist somit für den vorliegenden Fall von untergeordneter Bedeutung, da sich die Erstbeklagte aus den dargelegten Erwägungen nicht ohne Zustimmung der Klägerin über die von ihr zur Kenntnis genommene entgegengesetzte frühere Weisung der GesmbH, "die Ware ausschließlich und unwiderruflich" zur Verfügung der Klägerin zu halten, hinwegsetzen durfte. Die Haftung der beklagten Parteien für den der Klägerin durch die Ausfolgung des Speditionsgutes an die GesmbH unter Mißachtung einer von der Erstbeklagten zur Kenntnis genommenen Sperrverfügung verursachten Schaden ist daher von den Unterinstanzen grundsätzlich zu Recht bejaht worden.

In welcher Weise die Klägerin ihr "Verfügungsrecht" über die Zigarettenautomaten im Konkurs der GesmbH verfolgen hätte können, wenn die Automaten in diesem Zeitpunkt noch bei der Erstbeklagten vorhanden gewesen wären, ist rechtlich bedeutungslos, weil der Schadenersatzanspruch der Klägerin auf ein vertragswidriges Verhalten bei Ausfolgung des Speditionsgutes lange vor Konkurseröffnung gestützt wird, nicht aber auf die Verletzung etwaiger Aus- oder Absonderungsrechte der Klägerin im Konkurs der GesmbH. Daß der Schaden der Klägerin auch dann eingetreten wäre, wenn sich die Erstbeklagte vertragsgemäß verhalten und die Ware nicht an die GesmbH ausgefolgt hätte, haben die Beklagten in erster Instanz weder behauptet, geschweige denn bewiesen.

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