OGH 5Ob582/80

OGH5Ob582/806.5.1980

SZ 53/74

Normen

ABGB §34
ABGB §36
ABGB §1174
ABGB §1271
ABGB §1272
ABGB §1380
ABGB §1414
GlückspielG §4
ScheckG Art1
ABGB §34
ABGB §36
ABGB §1174
ABGB §1271
ABGB §1272
ABGB §1380
ABGB §1414
GlückspielG §4
ScheckG Art1

 

Spruch:

Der von einer Spielbank zur Anschaffung von Jetons für ein Glücksspiel, an dem sie selbst teilnimmt, kreditierte Betrag kann gerichtlich nicht gefordert werden

OGH 6. Mai 1980, 5 Ob 582/80 (OLG Innsbruck 5 R 16/80; LG Innsbruck 8 Cg 210/78)

Text

Anfangs Mai 1976 hat der Beklagte im Spielcasino X von der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft Jetons zum Nennwert von 56 000 DM gegen Hingabe eines auf diesen Betrag lautenden Schecks bezogen und verspielt. Er hatte die genannte Aktiengesellschaft ersucht, mit der Einlösung des Schecks etwas zuzuwarten, denn es werde erst nach dem Abschluß eines Geschäftes Deckung für den Scheck vorhanden sein. Mit Brief vom 11. August 1976 teilte er unter gleichzeitiger Übersendung eines auf denselben Betrag ausgestellten neuen Schecks der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft mit, daß er nicht in der Lage sei, den zuerst gegebenen Scheck, um dessen Rücksendung er ersuchte, einzulösen. Die Gläubigerin war mit diesen Vorschlägen einverstanden, doch konnte der Beklagte abermals nicht zahlen. Er ersuchte die Gläubigerin, ihm Stundung und Ratenzahlung einzuräumen, und versprach ihr, am 25. Feber 1977 15 000 DM und am 25. März sowie am 25. April 1977 je 20 500 DM zu zahlen, teilte ihr dann aber am 5. Feber 1977 mit, daß er auch dieses Zahlungsversprechen nicht einhalten könne. Am 31. März 1977 unterfertigte der Beklagte eine ihm vom Kläger, dem die genannte Aktiengesellschaft ihre Forderung zum Inkasso abgetreten hat, in Würzburg vorgelegte schriftliche Verpflichtungserklärung, die Schuld von 56 000 DM in 37 verschieden hohen Raten bei sonstigem Terminverlust ab 1. August 1977 an die Österreichische Spielbanken Aktiengesellschaft zu bezahlen. Auch dieses Zahlungsversprechen erfüllte der Beklagte nicht.

Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 397 600 S samt 4% Zinsen seit 31. März 1977 und berief sich auf die Schuld des Beklagten an die Österreichische Spielbanken Aktiengesellschaft, auf dessen zahlreiche Zahlungsversprechen und auf die Nichtbezahlung der ihm von der Gläubigerin zum Inkasso abgetretenen Forderung durch den Beklagten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Kläger zur Klageführung nicht legitimiert sei und er, der Beklagte, seine Zurückzahlungsvorschläge nicht habe einhalten können; zur Zeit der Unterfertigung des ersten Schecks sei er derart alkoholisiert gewesen, daß er die Tragweite seines Handelns nicht habe überblicken können; dies hätte den Angestellten der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft auffallen müssen. Die Vereinbarung vom 31. März 1977 sei nur durch Drohung des Klägers mit gerichtlichen Schritten zustande gekommen.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten nach dem Begehren des Klägers, das Gericht zweiter Instanz, das der Beklagte mit Berufung anrief, bestätigte diese Entscheidung.

Die Vorinstanzen stimmten in der Rechtsansicht überein, daß der Kläger als Inkassomandatar zur Klageführung berechtigt sei und nahmen an, daß eine die Geschäftsfähigkeit des Beklagten zur Zeit der Unterfertigung des ersten Schecks über 56 000 DM (anfangs Mai 1977) beeinträchtigende Alkoholisierung nicht habe festgestellt werden können.

Der Oberste Gerichtshof hob über Revision des Beklagten die Urteile der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da die Rechtsrüge gehörig ausgeführt wurde, ist der OGH verpflichtet, die angefochtene Entscheidung einer allseitigen Rechtsprüfung zu unterziehen und dabei auch auf die Normen des österreichischen Kollisionsrechtes Bedacht zu nehmen, denn es besteht auf Grund des Wohnsitzes des Beklagten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinreichend Anlaß, seine allfällige Angehörigkeit zu diesem Staate in Erwägung zu ziehen. Der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt hat sich allerdings noch vor dem Inkrafttreten des IPR-Gesetzes 1978, BGBl. 304/1978, also vor dem 1. Jänner 1979 (§ 50 leg. cit.) verwirklicht, sodaß darauf die konkreten Verweisungsnormen dieses Gesetzes nicht zur Anwendung kommen können (§ 5 ABGB). Vielmehr ist noch nach dem Kollisionsrecht des ABGB zu verfahren.

Die Verbindlichkeit des Beklagten zur Zahlung von 56 000 DM für die von der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft auf Kredit bezogenen und dann verspielten Jetons wurde auf dem Gebiet der Republik Österreich begrundet. Auf den in Österreich geschlossenen Vertrag ist auch bei Annahme der Ausländereigenschaft des Beklagten in Ermangelung einer besonderen Rechtswahl gemäß § 36 ABGB österreichisches Sachrecht anzuwenden. Da Schecks in aller Regel - anderes wurde hier nicht behauptet - zahlungshalber und nicht an Zahlungs Statt gegeben und genommen werden (für alle: Baumbach - Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz[12], 429), bestand infolge der Nichteinlösung des ersten und in der Folge auch des zweiten vom Beklagten hingegebenen Schecks dessen Schuld von 56 000 DM gegenüber der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft aus dem Bezug von Jetons mit diesem Nennwert auf Kredit unverändert fort. Seine späteren Zahlungsversprechen, insbesondere die Ratenzahlungsvereinbarung vom 31. März 1977, stellen sich ihrem Inhalt nach keinesfalls als die ursprüngliche Schuld ersetzende selbständige Verpflichtungsakte des Beklagten dar, gleichgültig ob man sie nach österreichischem Recht oder im Falle einer selbständigen kollisionsrechtlichen Anknüpfung nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (§§ 780, 781 BGB) - die Angehörigkeit des Beklagten zu diesem Staate unterstellt - beurteilt, denn es kommt darin nicht zum Ausdruck, daß dadurch eine in ihrem ursprünglichen Bestand bezweifelte Forderung unabhängig von ihrem ursprünglichen Schuldgrund künftig auf Grund eines neuen, selbständigen Verpflichtungsgrundes Bestand haben soll (Koziol - Welser, Grundriß I[5], 240; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I[12], 80 f. und II[11], 429 ff.); vielmehr handelt es sich gerade bei dem Übereinkommen vom 31. März 1977, das vom Berufungsgericht rechtsirrig als konstitutives Schuldanerkenntnis (nach österreichischem Sachrecht) beurteilt wurde, um eine bloße Ratenzahlungsvereinbarung in Ansehung der bis dahin vom Beklagten in ihrem rechtlichen Bestand nicht in Frage gestellten Schuld aus der Anschaffung von Jetons auf Kredit.

Den Einwand, daß er zur Zeit der Unterfertigung des ersten Schecks derart alkoholisiert gewesen sei, daß er die Tragweite seines Handelns nicht habe überblicken können, hält der Beklagte im Revisionsverfahren zwar nicht mehr aufrecht, doch wäre darauf ohnedies nicht Rücksicht zu nehmen, weil es nicht darauf ankommen kann, ob er zur Zeit der Unterfertigung des Schecks eine gültige Willenserklärung abgegeben hat; maßgebend wäre vielmehr der Zeitpunkt der Begebung des Schecks, wenn es um den Bestand der Scheckverbindlichkeit ginge; aber auch dies ist hier bedeutungslos, denn es steht das der Scheckbegebung zugrunde liegende Rechtsgeschäft über den Bezug von Jetons durch den Beklagten bei der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft auf Kredit zur Entscheidung. Sollte allerdings der erwähnte Einwand des Beklagten auf dieses Geschäft bezogen gewesen sein - dem Wortlaut seines Vorbringens ist dies nicht zu entnehmen -, dann müßte im Falle seiner Angehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland nach § 34 ABGB an das Recht seines Heimatstaates angeknüpft und der Sachverhalt nach § 105 Abs. 2 2 BGB ("Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustande der Bewußtlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird") beurteilt werden. Danach kann eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit auch bei hochgradiger Trunkenheit vorliegen (Palandt, BGB[39], 73 und dort zitierte Judikatur), aber jedenfalls muß die Störung der Geistestätigkeit die freie Willensbildung ausschließen (a.a.O. und dort zitierte Judikatur), wofür freilich den Beklagten die Beweislast träfe (a.a.O.).

Richtig gelöst haben die Vorinstanzen das vom Beklagten aufgeworfene Problem der aktiven Klagelegitimation. Der Kläger tritt nämlich als Inkassomandatar auf, indem er die weiterhin im Vermögen der österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft stehende Forderung in eigenem Namen geltend macht, also formell eine eigene, materiell gesehen jedoch eine fremde Forderung einklagt, sodaß ihm auch die Stellung eines Gläubigers zukommt (SZ 45/82 u.a.).

Indessen ist die Sache aus einem weder von den Vorinstanzen noch vom Beklagten beachteten, aber amtswegig wahrzunehmenden (Wolff in Klang[2] V, 994) Grund nicht entscheidungsreif: Es ist nämlich nicht geklärt, welcher Art das Spiel war, in dessen Verlauf der Beklagte die ihm von der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft auf Kredit zugezählten Jetons verloren hat. Sollte es sich um ein Spiel gehandelt haben, bei dem die Kreditgeberin selbst nicht mitgespielt hat, wie etwa Baccara (auch Bakkarat), dann stunde der Geltendmachung der Forderung weder § 1174 Abs. 2 ABGB noch § 1271 letzter Satz ABGB entgegen, weil es sich um einen Kredit der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft an den Beklagten für ein erlaubtes Spiel (§ 4 Abs. 3 Glückspielgesetz) handelte, an dem sie selbst nicht als Spieler teilnahm (vgl. dazu A. B. Szanto in Pechan-Perlen-Reihe, Bd. 645[10], 72 ff.; Meyers Enzyklopädisches Lexikon[9], Bd. 3, 382; Der Große Brockhaus[15], Bd. 2, 232; Brockhaus Enzyklopädie[17], Bd. 2, 234; Gööck, Das große Buch der Spiele, 229 f.). Sollte es sich jedoch um ein Spiel gehandelt haben, an dem die genannte Aktiengesellschaft selbst Spielpartner war, wie etwa Roulett (auch Roulette; vgl. dazu A. B. Szanto a.a.O., 3 ff.; Meyers Enzyklopädisches Lexikon[9], Bd. 20, 392 f.; Brockhaus Enzyklopädie[17], Bd. 16, 173 f.; Gööck a.a.O., 235 ff.), dann müßte das Klagebegehren der Abweisung verfallen, denn es steht fest, daß die Österreichische Spielbanken Aktiengesellschaft dem Beklagten die Jetons, die er dann verspielte, auf Kredit gegeben hat, sodaß in diesem Falle die verdeckte Kreditierung einer Spielschuld durch einen Spielpartner vorläge (Wolff a.a.O., 993 und 997; Ehrenzweig, System[2], Bd. 2/1, 616). Die Anordnung des § 1271 ABGB, die gemäß § 1272 Satz 2 ABGB auch für Glückspiele gilt, bringt zum Ausdruck, daß die Rechtsordnung einen gültigen Verpflichtungsgrund aus Spiel- und Wettvereinbarung in Wahrheit gar nicht anerkennt, sondern nur der Übereinkunft der Beteiligten über den Erwerbsgrund der zur Erfüllung der "Konventionalschuld" (dazu vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts AT I[12], 19) bereits erbrachten Leistung rechtliche Wirkung zubilligt. Offenkundig liegt die ratio legis dieser Vorschrift darin, die an Spiel und Wette Beteiligten vor dem Verlust solcher Vermögenswerte zu schützen, die sie nicht in sinnfälliger Weise dem Risiko des Verlustes ausgesetzt haben.

Dem Schutz dieser Vorschrift wäre der Beklagte übrigens auch dann nicht entzogen, wenn über die solcherart rechtlich betroffene Verpflichtung ein konstitutives Schuldanerkenntnis (nach österreichischem Sachrecht oder nach § 781 BGB) oder ein selbständiges Schuldversprechen nach § 780 BGB abgegeben worden wäre (Wolff a.a.O., 993; vgl. auch § 762 Abs. 2 BGB, welcher dies ausdrücklich anordnet).

Die Beweislast dafür, daß er die von der Österreichischen Spielbanken Aktiengesellschaft auf Kredit bezogenen Jetons bei einem Spiel gegen diese Kreditgeberin ganz oder teilweise - und im letzteren Fall in welchem Umfange - verloren hat, obliegt dem Beklagten (vgl. Rosenberg, Die Beweislast[5], 260). Das Erstgericht wird in Ausübung seiner materiellen Prozeßleitungspflicht (§§ 180 Abs. 3 und 182 Abs. 1 ZPO) die Sache mit den Parteien zu erörtern und diese zu den erforderlichen Tatsachenbehauptungen und allenfalls auch Beweisanboten zu veranlassen haben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte