Spruch:
Josef A ist schuldig, am 7.Mai 1979 in Wien dadurch, daß er auf einem Meldezettelformular eine fingierte Anschrift eintrug und die Unterschrift der angeblichen Unterkunftgeberin nachmachte, eine falsche Urkunde mit dem Vorsatz hergestellt zu haben, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich seiner Unterkunft an der angeführten Adresse, gebraucht werde.
Josef A hat hiedurch das Vergehen der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 37 StGB zu einer Geldstrafe von 40 (vierzig) Tagessätzen zu je 150 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 20 (zwanzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, und gemäß den §§ 389, 390 a StPO zum Ersatz der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz verurteilt.
Gemäß dem § 38 StGB wird die Vorhaft vom 7.Mai 1979, 8 Uhr 30 bis zum 14.Mai 1979, 9 Uhr 30, auf die Strafe angerechnet. Im übrigen wird die Berufung als ungegründet zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Der am 16.Jänner 1951 geborene beschäftigungslose Bäckergeselle Josef A legte am 7.Mai 1979 beim Meldeamt des Bezirkspolizeikommissariates Wien-Neubau zu seiner polizeilichen Anmeldung Meldezettelformulare vor, welche er auf eine fingierte Wohnadresse ausgefüllt und fälschlich mit dem Namen seiner geschiedenen Gattin 'Hermine A' als Unterkunftgeber unterfertigt hatte. Die fingierte Adresse wurde jedoch von dem die Meldezettel entgegennehmenden Beamten noch vor Anbringung des Meldevisums erkannt.
Auf Grund des diesen Sachverhalt erfassenden Strafantrages der Staatsanwaltschaft Wien (ON 3 und ON 7 S 41 d. A., 5 a E Vr 4.135/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) wurde Josef A mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 9. Oktober 1979, AZ 23 Bs 361/79 (= ON 16
der erstgerichtlichen Akten), in Stattgebung der Nichtigkeitsberufung der Staatsanwaltschaft gegen den vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit dem Urteil vom 14.Mai 1979, GZ 5 a E Vr 4.135/79-8, gemäß dem § 259 Z 4 StPO gefällten Freispruch der Vergehen der versuchten mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach den §§ 15, 228 Abs. 1
StGB sowie der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB. schuldig erkannt und nach dem § 228 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten sowie gemäß den §§ 389, 390 a StPO zum Ersatz der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz verurteilt.
Gemäß dem § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wurde die Verwahrungsund Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Schuldspruch steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Nach der jüngsten Judikatur des Obersten Gerichtshofes, auf deren nähere Begründung hier verwiesen sei (vgl. 13 Os 100/79 = RZ 1979 Nr. 84), ist die Verwaltungsvorschrift des § 16 MeldeG nach wie vor die abschließende Strafbarkeitsregelung für falsche Angaben bei der nach den Bestimmungen des Meldegesetzes vorgeschriebenen Anmeldung; somit bleibt die Ahndung solcher Verstöße der zur Handhabung dieser Vorschrift zuständigen (Verwaltungs-) Behörde vorbehalten. Dies gilt auch (und nur) für mit Beziehung auf den Meldevorgang, also solcherart bei einem Rechtsverkehr spezifischer Art, begangene Fälschungen von Unterschriften auf den Meldezettelformularen, die außer diesen Fällen als tatbildlich im Sinn des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 (Abs. 1 oder 2) StGB anzusehen wären (vgl. neuerlich RZ 1979 Nr. 84), zumal im Ort der Unterkunft (= Aufenthalt) eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu erblicken ist (§ 74 Z 7 StGB).
Dem verschlägt es nichts, daß die vom Täter durch Fälschung der Unterschrift des Unterkunftgebers /der im Fall der Angabe einer fingierten Unterkunft gemäß dem § 7 Abs. 5 MeldeG eine Bestätigung, ebenfalls bei sonstiger Straffälligkeit nach dem § 16 MeldeG, zu verweigern hätte / bewirkte Identitätsverschleierung (vgl. Kienapfel, ZVR 1977 S 218) insofern auch den schutzwürdigen Interessen des angeblichen Unterkunftgebers zuwiderläuft.
Das geschützte Rechtsgut der im 12. Abschnitt des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches enthaltenen Tatbestände weist zwar - obgleich nicht in erster Linie -
auch einen engen Bezug zu den Interessen einzelner auf. Da der § 16 MeldeG aber jegliche Verstöße gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes, somit auch die Fingierung einer Unterkunft und die Fälschung der Bestätigung des (ebenso vorgetäuschten) Unterkunftgebers auf dem Meldezettel, pönalisiert, ist der Unrechtsgehalt einer solchen Identitätsverschleierung, solange sie sich auf den Meldevorgang beschränkt, ebenfalls durch den, als speziellere Norm dem § 223 StGB insoweit vorgehenden, Verwaltungsstraftatbestand erfaßt.
So gesehen ist das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien mit Nichtigkeit im Sinn der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO behaftet, was in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zur begehrten Feststellung der Gesetzesverletzung und - wegen der Untunlichkeit einer Trennung im Sinn des § 289 StPO - zur (gänzlichen) Aufhebung des mit der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes bekämpften Urteiles führen mußte.
Es war allerdings in Ansehung des dem schriftlichen Strafantrag (ON 3 des Aktes) zugrunde liegenden Faktums (§§ 15, 228 Abs. 1 StGB) - entgegen der von der Generalprokuratur vertretenen Auffassung - nicht auf (neuerlichen) Freispruch nach dem § 259 Z 3 StPO zu erkennen, sondern insoweit (in ausgeübter Funktion des Rechtsmittelgerichtes) der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Erkenntnis erster Instanz (das mit der Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteiles wieder auflebte) der Erfolg zu versagen, zumal die Frage, ob der Freispruch aus einem Grund der Z 3 statt aus jenem der Z 4 des § 259
StPO hätte ergehen sollen, im Rechtsmittelverfahren - mangels einer daraus abzuleitenden Beschwer - nicht erfolgreich geltend gemacht werden kann (s. in diesem Zusammenhang ÖJZ-LSK 1978/162; 13 Os 16/80 u. a.).
Hinsichtlich des erst in der Hauptverhandlung vom 14.Mai 1979 (ON 7 des Aktes) erhobenen Vorwurfes (§ 223 Abs. 1 StGB) wurde erwogen:
Entsprechend den vom Landesgericht für Strafsachen Wien (in erster Instanz) getroffenen und vom Oberlandesgericht Wien (als Berufungsgericht) übernommenen Feststellungen handelte der Angeklagte schon im Zeitpunkt der Herstellung der falschen Urkunde mit dem Vorsatz, sie - nach durchgeführter polizeilicher Anmeldung - (auch) beim Sozialamt (der Stadt Wien) zum Nachweis seiner Unterkunft zwecks Erlangung einer Unterstützung vorzuweisen (siehe S 46 und S 67 ff des Aktes). Im Hinblick auf diesen - unabhängig von der Vorlage zu Meldezwecken - bereits bei Anfertigung der falschen Urkunde in Aussicht genommenen Verwendungszweck, der einem Gebrauch im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache (nämlich der Unterkunft bei Hermine A) entspricht, erfüllt aber das festgestellte Verhalten sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 223 Abs. 1 StGB.
Daher war insoweit mit (neuerlichem) Schuldspruch - nunmehr
rechtsrichtig nach dem Abs. 1 des § 223 StGB -
vorzugehen, wobei jenen im Urteil des Oberlandesgerichtes Wien zum Ausdruck gebrachten Erwägungen, aus denen die Anwendbarkeit des § 42 StGB auf den vorliegenden Fall verneint wurde, im wesentlichen zu folgen ist.
Bei der hiedurch erforderlichen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend, daß der Angeklagte bereits wenige Tage nach der Entlassung aus dem Vollzug einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe abermals straffällig wurde, als mildernd das Geständnis und den Umstand, daß aus der Straftat niemand ein Schaden erwuchs (§ 34 Z 13 StGB).
Berücksichtigt man, daß Josef A seit Mai 1979
einer geregelten Arbeit nachgeht, eine Lebensgemeinschaft mit seiner früheren Ehefrau wieder aufnahm und auch für seine beiden im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder sorgt, dann kann im Hinblick auf diesen Resozialisierungsprozeß das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Umwandlung der zu verhängenden Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe gemäß dem § 37 Abs. 1 StGB bejaht werden. Entsprechend den vorliegenden Strafzumessungsgründen erachtete der Oberste Gerichtshof die Verhängung einer Geldstrafe von vierzig Tagessätzen für tat- und schuldangemessen. Die Höhe des Tagessatzes war den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten (Bäckergeselle) anzupassen. Die übrigen Entscheidungen beruhen auf den angeführten Gesetzesstellen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)