OGH 13Os100/79

OGH13Os100/7928.9.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Plischnack als Schriftführers in der Strafsache gegen Günther A wegen des Vergehens der mittelbar unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs. 1 StGB. über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. August 1977, AZ. 12 Bs 255/77, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 16.August 1977, GZ. 1 d E Vr 7731/76-50, (= 12 Bs 255/77) verletzt insoweit, als Günther A des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB. zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 150 S im Nichteinbringungsfall einer Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen, und gemäß den §§ 389 und 390 a StPO. zum Kostenersatz verurteilt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 228 Abs. 1 StGB.

In diesem Umfang wird das, im übrigen (in den Teilfreisprüchen) unberührt bleibende, Urteil sowie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 5.Oktober 1977, GZ. 1 d E Vr 7731/76-51, aufgehoben und es wird gemäß den §§ 288 Abs. 2 Z. 3, 292

StPO. in der Sache selbst erkannt:

Der Angeklagte Günther A wird von der Anklage, er habe am 9.Juni 1976 in Wien (auch) dadurch, daß er den Meldezettel für die Wohnung Wien 5, Einsiedlergasse 44/1/17, auf den Namen 'Johann B, geboren am 21. Feber 1957, in Hainburg', ausfüllte und unterfertigte, wobei er diese falsche Urkunde am 6.Juni 1976 durch die Einreichung im Wachzimmer Schönbrunnerstraße 54 zur Erlangung des Meldevisums im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebrauchte, eine falsche Urkunde mit dem Vorsatz hergestellt, daß im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht werde, und gebraucht, und hiedurch das Vergehen der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 und 2 StGB. begangen, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Text

Gründe:

I./ Aus den Akten 1 d E Vr 7731/76 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem Urteil des Einzelrichters dieses Gerichtes vom 20.Jänner 1977, GZ. 1 d E Vr 7731/76-44, wurde Günther A des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 1 und 2 StGB. schuldig erkannt, weil er u.a. am 9.Juni 1976 den Meldezettel für die Wohnung (Wien 5), Einsiedlergasse 44/1/17, fälschlich auf den Namen 'Johann B, geboren am 21.Feber 1957 in Hainburg', ausgefüllt, unterfertigt und diese falsche Urkunde am 11. Juni 1976 durch die Einreichung im Polizeiwachzimmer Schönbrunnerstraße 54' zur Erlangung des Meldevisums im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht' hatte (Punkt 3) des Schuldspruches).

Mit dem Urteil vom 16.August 1977, 12 Bs 255/77

(ON. 50 der erstgerichtlichen Akten) gab das Oberlandesgericht Wien der Nichtigkeits- und Schuldberufung des Angeklagten Folge, hob das Ersturteil zur Gänze auf und erkannte den Angeklagten wegen der durch Einreichung des fälschlich auf den Namen 'Johann B, geboren am 21. Feber 1957 in Hainburg' ausgestellten und unterfertigten Meldezettels beim Wachzimmer Schöbrunnerstraße am 11.Juni 1976 bewirkten gutgläubigen unrichtigen Beurkundung einer Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs. 1 StGB. schuldig.

Rechtliche Beurteilung

II./ Das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 16.August 1977, GZ. 1 d E Vr 7731/76-50 (= 12 Bs 255/77) steht in diesem den Angeklagten wegen des Vergehens der mittelbar unrichtigen Falschbeurkundung nach dem § 228 Abs. 1 StGB. schuldigsprechenden Teil mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Das Vergehen der mittelbaren unrichtigen Beurkundung (oder Beglaubigung) gemäß dem § 288 Abs. 1 StGB. begeht, wer bewirkt, daß gutgläubig ein Recht, ein Rechtsverhältnis oder eine Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde unrichtig beurkundet (oder an einer Sache ein unrichtiges öffentliches Beglaubigungszeichen angebracht) wird, wenn er mit dem Vorsatz handelt, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechtes, des Rechtsverhältnisses oder der Tatsache gebraucht (oder die Sache im Rechtsverkehr gebraucht) werde. Tatbildlich nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle handelt, wer eine gutgläubig hergestellte unrichtige öffentliche Urkunde, deren Unrichtigkeit von ihm oder einen Dritten vorsätzlich bewirkt wurde, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache (oder wer eine Sache, die gutgläubig mit einem unrichtigen öffentlichen Beglaubigungszeichen versehen wurde, dessen unrichtige Anbringung von ihm oder einem Dritten vorsätzlich bewirkt wurde, im Rechtsverkehr) gebraucht.

§ 228 StGB. verpönt somit die Herstellung unrichtiger Beweismittel durch die Erschleichung unrichtiger öffentlicher Beurkundungen (und Beglaubigungen) sowie den Gebrauch derartiger erschlichener Urkunden und Beglaubigungszeichen (12 Os 172/77; Foregger-Serini StGB.2 Erl.

I S. 385).

Die Ausstellung des sogenannten Meldevisums beruht auf dem § 3 des Meldegesetzes 1972 (BGBl. Nr. 30/1973).

Danach ist, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, grundsätzlich innerhalb von drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden. Dies geschieht durch Übergabe des ausgefüllten Meldezettels (Abs. 1 und 2). Die Meldebehörde hat die erfolgte Anmeldung durch Anbringung von Datum, Amtsstampiglie und Unterschrift eines Amtsorganes auf den Meldezetteln zu vermerken und hievon zwei dem Meldepflichtigen unverzüglich wieder auszufolgen (Abs. 4).

Entscheidungswesentlich für die Tatbildmäßigkeit unrichtiger Angaben in Meldezetteln im Sinne des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 StGB. ist die Frage, ob mit dem Meldevisum lediglich die Tatsache der Meldung oder aber auch deren inhaltliche Richtigkeit beurkundet wird. Keine mittelbare unrichtige Beurkundung läge vor, wenn nur die (richtige) Tatsache der Meldung an sich beurkundet würde (vgl. ÖJZ-LSK.

1977/140 /= EvBl. 1977/198 /, 287).

Nach den folgenden Bestimmungen des Meldegesetzes erschöpft sich die Tätigkeit der Meldebehörde bei Ausstellung des Meldevisums aber bloß in der Bestätigung, daß der Meldepflicht entsprochen wurde:

Gemäß dem § 7 Abs. 4 Meldegesetz hat der Meldepflichtige die Richtigkeit der Meldedaten und die Tatsache des Beziehens der angegebenen Unterkunft durch seine Unterschrift zu bestätigen; nach § 10 Abs. 1 Meldegesetz kann die Meldebehörde dem Meldepflichtigen zum Nachweis seiner Identität und der Richtigkeit der zur Erfüllung der Meldepflicht erforderlichen Meldedaten die Vorlage geeigneter Urkunden auftragen. Gemäß dem § 11 Abs. 1 l. c. hat die Meldebehörde die in den Meldezetteln enthaltenen Meldedaten in einem Melderegister evident zu halten und nach Abs. 2 der gleichen Bestimmung können unrichtige oder unvollständige Meldedaten von Amts wegen berichtigt oder ergänzt werden.

Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich, daß die Meldebehörde mit der Beisetzung des Meldevisums lediglich die Tatsache der unter einem bestimmten Namen erfolgten Anmeldung, keineswegs aber die Richtigkeit der Angaben im allgemeinen oder hinsichtlich des Namens des Meldepflichtigen und seiner Unterkunft im besonderen bestätigt. Es verhält sich die Sache ähnlich wie bei den in den bereits zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, ÖJZ-LSK. 1977/140, 287, behandelten Fällen, wo jemand eine falsche Verlustanzeige bzw. eine inhaltlich unrichtige Wildunfallsmeldung bei der Behörde erstattete, was zu einer behördlichen Bestätigung des Einlangens der Anzeige geführt hat. Sowohl in den der genannten Entscheidung zugrundeliegenden Fällen als auch bei falschen Angaben in Meldezetteln wird von der Behörde nichts Falsches, sondern etwas Richtiges beurkundet, nämlich die Tatsache, daß eine Privatperson bestimmte Angaben der Behörde gegenüber gemacht hat. Für eine Anwendung des § 228 StGB. bleibt daher kein Raum.

Zum selben Ergebnis gelangt man auch bei einer rechtsteleologischen, kriminalpolitisch-historischen Betrachtung des Problems (vgl. auch Loebenstein und Burgstaller, ÖJZ. 1979 S. 127).

Bis zur Strafgesetznovelle 1932 waren Zuwiderhandlungen gegen die Meldevorschriften gerichtlich strafbar (§ 320 lit. a bis d StG.). Nach der Regierungsvorlage zu diesem Gesetz (259 Blg.NR. IV. GP.) handelte es sich hier um 'echte Polizedelikte', weshalb falsche Angaben bei der vorgeschriebenen Meldung der Ahndung durch die Verwaltungsbehörde übertragen werden sollen (§ 320 a Abs. 3 StG.). Daran änderte sich bis zum Inkrafttreten des Strafgesetzbuches nichts. Es besteht nun kein Anlaß für die Annahme, daß das Strafgesetzbuch, das in weiten Bereichen eine Entkriminalisierung brachte, gerade im Bereich der von der Regierungsvorlage für die Strafgesetznovelle 1932 als 'echte Polizeidelikte' bezeichneten Übertretungen der Meldevorschriften eine Rekriminalisierung beabsichtigt hat. Insbesondere darf dies nicht aus dem Umstand geschlossen werden, daß der erwähnte § 320 a Abs. 3 StG. 1945 nicht Eingang in das Strafgesetzbuch gefunden hat. Das Strafgesetzbuch hat eine allgemeine Regelung der Konkurrenzprobleme bewußt vermieden und auch im einzelnen nur an wenigen Stellen - durch Einfügung von Subsidiaritätsklauseln - eine Regelung bestimmter Konkurrenzverhältnisse vorgenommen. Die Nichtaufnahme einer entsprechenden Bestimmung ist daher lediglich auf das System des neuen Strafgesetzbuches zurückzuführen und hat keine normative Bedeutung.

Demnach ist auch aus der dargestellten Rechtsentwicklung ersichtlich, daß § 228 Abs. 1 StGB. auf falsche Angaben beim Meldevorgang, wie dies gegenständlich geschehen ist, nicht anwendbar ist. Es kommt aber auch nach dem Gesagten ein anderes Urkundendelikt nicht in Betracht, insbesondere nicht jenes des § 223 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB., in welcher Richtung das Erstgericht, dem gegen den Angeklagten erhobenen Strafantrag folgend, die Tat qualifizierte. Nach wie vor ist vielmehr § 16 MeldeG. die abschließende Strafbarkeitsregelung für falsche Angaben bei der nach den Meldevorschriften vorgeschriebenen Anmeldung und bleibt die Ahndung solcher Verstöße der zur Handhabung dieser Vorschrift zuständigen Behörde vorbehalten.

Der Unrechtsgehalt des vorliegend zu beurteilenden Tatverhaltens des Angeklagten wird somit von der Bestimmung des § 16 MeldeG. erfaßt und rechtsirrig vom Erstgericht und vom Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht als gerichtlich strafbar angesehen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte