OGH 1Ob39/79

OGH1Ob39/7912.11.1979

SZ 52/166

Normen

AHG §8
JN §1
AHG §8
JN §1

 

Spruch:

Wurde nur das für das handelnde Organ zuständige Bundesministerium, nicht aber die Finanzprokuratur zur Anerkennung eines Schadenersatzanspruches gegen den Bund nach dem Amtshaftungsgesetz aufgefordert, ist der Rechtsweg für den Amtshaftungsanspruch unzulässig, auch wenn das Bundesministerium vor Ablehnung des Ersatzanspruches das Einvernehmen mit der Finanzprokuratur hergestellt hatte

OGH 12. November 1979, 1 Ob 39/79 (OLG Linz 3 R 105/79; LG Salzburg 8 Cg 239/79)

Text

Die klagende Partei - eine Gebietskrankenkasse - begehrt die Zahlung des Klagsbetrages als Heilungsaufwand für den bei ihr sozialversicherten Simon B, dessen Ansprüche gemäß § 332 ASVG auf sie übergegangen seien. Simon B sei am 12. Juni 1976 anläßlich von Tätlichkeiten anderer Personen gegenüber Gendarmeriebeamten als völlig Unbeteiligter durch einen vom Gendarmeriebeamten Erich M aus der Dienstwaffe abgegebenen Schuß am Unterarm verletzt worden. Die klagende Partei habe die beklagte Partei - die Republik Österreich - mehrmals zur Anerkennung des Ersatzanspruches aufgefordert, doch habe diese eine Anerkennung des Anspruches abgelehnt.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung, die Klägerin habe die Finanzprokuratur niemals zur Anerkennung des Anspruches aufgefordert. Dem hielt die klagende Partei entgegen, die Korrespondenz sei mit dem Bundesministerium für Inneres abgewickelt worden, das von sich aus das Einvernehmen mit der Finanzprokuratur gepflogen habe.

Das Erstgericht hob das durchgeführte Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Die klagende Partei hat mit den Schreiben vom 14. Juli 1978, 10. Oktober 1978, 5. Dezember 1978, 9. April 1979 und 17. Mai 1979, jeweils gerichtet an das Bundesministerium für Inneres, diese Verwaltungsbehörde zur Anerkennung ihres Ersatzanspruches aufgefordert. Das Bundesministerium für Inneres hat mit den Schreiben vom 7. September 1978, 31. Oktober 1978, 14. Dezember 1978, 8. Mai 1979 und 23. Mai 1979 die Ansprüche der klagenden Partei bestritten und deren Regelung abgelehnt. Im Schreiben vom 23. Mai 1979 heißt es "Unter Bezugnahme auf obzitiertes Schreiben betreffend die Regreßforderung in der Verletzungssache Simon B bedauert das Bundesministerium für Inneres nach gepflogenem Einvernehmen mit der Finanzprokuratur mitteilen zu müssen, daß es in der gegenständlichen Rechtssache auf die Einrede der Verjährung nicht verzichtet." Das Erstgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß ein an das Bundesministerium für Inneres direkt und ohne Einschaltung der Finanzprokuratur gerichtetes Aufforderungsschreiben nicht der Bestimmung des § 8 AHG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der VO vom 1. Feber 1949, BGBl. 45, entspreche.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es die Einrede der Unzuläßigkeit des Rechtsweges zurückwies und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auftrug. Das Rekursgericht führte aus, die klagende Partei habe ohnehin das Bundesministerium für Inneres als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zur Anerkennung des Ersatzanspruches aufgefordert. Das genannte Bundesministerium habe nun trotz der klaren Bestimmung des § 1 der Verordnung vom 1. Feber 1949, BGBl. 45, das Aufforderungsschreiben entgegengenommen und mit der klagenden Partei meritorisch verhandelt; es habe damit zu erkennen gegeben, daß es auf die Einhaltung der zu seiner Entlastung gedachten formalen Bestimmung des § 1 der zitierten Verordnung keinen Wert lege. Dazu komme, daß zumindest im letzten Stadium der schriftlich gepflogenen Verhandlungen, und zwar hinsichtlich der Frage der Einrede der Verjährung die Finanzprokuratur eingeschaltet worden sei. Werde berücksichtigt, daß die Erhebung des Sachverhaltes und die Entscheidung über die Anerkennung oder Verweigerung des Ersatzanspruches nach dem Beschluß der Bundesregierung vom 16. Feber 1949, Zl. 34 324 - 2a/1949, ohnehin beim jeweiligen Ministerium liege, so erscheine die Aufforderung an den Rechtsträger direkt ausreichend.

Über Revisionsrekurs der beklagten Partei stellte der Oberste Gerichtshof in Abänderung des Beschlusses der zweiten Instanz den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 8 AHG hat der Geschädigte zunächst den Rechtsträger, gegen den er den Ersatzanspruch geltend machen will, zur Anerkennung des Ersatzanspruchs schriftlich aufzufordern. Kommt dem Geschädigten binnen drei Monaten nach Einlangen dieser Aufforderung beim Rechtsträger eine Erklärung über sein Begehren nicht zu oder wird innerhalb dieser Frist der Ersatzanspruch ganz oder zum Teil verweigert, so kann er den Ersatzanspruch durch Klage gegen den Rechtsträger geltend machen. § 1 Abs. 1 der Verordnung der Bundesregierung vom 1. Feber 1949, BGBl. 45, sieht vor, daß die Aufforderung zur Anerkennung eines Ersatzanspruches, der gegen den Bund erhoben werden soll, an die Finanzprokuratur zu richten ist. Gemäß § 2 der zitierten Verordnung verständigt die Finanzprokuratur den Geschädigten, ob sein Ersatzanspruch anerkannt oder ganz oder zum Teil verweigert wird. Das Aufforderungsverfahren stellt seinem Wesen nach ein Verfahren dar, in dem sich die zukünftigen Streitteile als gleichberechtigte Rechtssubjekte des Zivilrechts gegenüberstehen. Der Geschädigte hat daher auch nicht eine Eingabe an eine Behörde zu richten und andererseits der Rechtsträger über die Aufforderung nicht bescheidmäßig abzusprechen, sondern als juristische Person eine nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilende Erklärung abzugeben, ob der Ersatzanspruch anerkannt oder bestritten wird. Zur Vertretung des Bundes in diesem Vorverfahren beruft § 1 Abs. 1 der zitierten Verordnung der Bundesregierung ausschließlich die Finanzprokuratur. Die Finanzprokuratur ist daher allein berufen, zivilrechtliche Erklärungen im Sinne des § 8 AHG für den Bund als Rechtssubjekt privaten Rechtes abzugeben, wie auch Erklärungen des Geschädigten ihr gegenüber abzugeben sind. Im Hinblick auf diese Rechtslage wurde schon in der Entscheidung SZ 23/349 einer vom Bundesministerium für Justiz abgegebenen Erklärung nicht die Bedeutung beigemessen, daß damit dem Verfahren nach § 8 AHG Genüge getan worden sei. Im vorliegenden Fall wurde freilich nach der Aktenlage zumindest im letzten Stadium der Verhandlungen die Finanzprokuratur vom Bundesministerium für Inneres eingeschaltet. Die von der klagenden Partei geforderte Abgabe einer Erklärung, wonach auf die Verjährungseinrede in einem künftigen Rechtsstreit verzichtet werde, wurde nach gepflogenem Einvernehmen mit der Finanzprokuratur abgelehnt. Auch dieser Umstand, daß nämlich die Finanzprokuratur letztlich von der Anspruchserhebung gegenüber dem Bundesministerium für Inneres Kenntnis erlangt hat, vermag an der Unzulässigkeit des Rechtsweges nichts zu ändern. Eine Aufforderung an die Finanzprokuratur hat die klagende Partei nicht gerichtet; es ist auch nicht hervorgekommen, daß die Schreiben der klagenden Partei an die Finanzprokuratur zur Erledigung weitergeleitet wurden und die Finanzprokuratur eine Erklärung dennoch unterlassen hätte. Eine für den Bund als Rechtsträger verbindliche zivilrechtliche Erklärung, den Ersatzanspruch abzulehnen, konnte nach dem Vorgesagten namens des Bundes nur die hiezu gemäß den §§ 1 und 2 der Verordnung der Bundesregierung vom 1. Feber 1949 berufene Finanzprokuratur abgeben. Eine solche Erklärung liegt nicht vor. Ob materiell die Entscheidung über die Anerkennung oder Ablehnung des Ersatzanspruches beim zuständigen Bundesministerium liegt, ist unerheblich. Die in § 8 AHG vorgesehene Erklärung konnte in Vertretung des Bundes nur von der Finanzprokuratur und nicht vom Bundesministerium für Inneres abgegeben werden. Da sohin der Rechtsweg beschritten wurde, ohne daß an die Finanzprokuratur als die einzige zur Vertretung des Bundes im Verfahren nach § 8 AHG berufene Behörde eine Aufforderung im Sinne dieser Gesetzesstelle gerichtet oder ihr doch übermittelt wurde, ist der Rechtsweg, wie das Erstgericht zutreffend erkannte, unzulässig.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte