OGH 13Os78/79 (13Os79/79)

OGH13Os78/79 (13Os79/79)7.6.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lackner als Schriftführers in der Strafsache gegen Ignaz A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs 1

StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol vom 4.August 1978, GZ U 118/78- 2, sowie des Landesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegerichtes vom 29. August 1978, AZ Bl 409/78, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol vom 4. August 1978, GZ U 118/78-2, mit welchem die Einleitung des Strafverfahrens gegen Iganz A wegen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs 1

StGB abgelehnt wurde, und der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegerichtes vom 29.August 1978, AZ Bl 409/78, mit dem der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den vorerwähnten Beschluß keine Folge gegeben wurde, verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 62 und 67 Abs 2 StGB

Text

Gründe:

I./ Aus den Akten AZ U 118/78 des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 2.August 1978 beantragte der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Matrei in Osttirol die Bestrafung des Ignaz A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs 1 StGB

Der diesem Strafantrag zugrunde liegenden Anzeige der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 30.Juni 1978 zufolge ist der in Rasen-Antholz, Italien, wohnhafte italienische Staatsbürger Ignaz A der außereheliche Vater des am 24.Juli 1974 geborenen Markus B, welcher sich in Pflege und Erziehung seiner Mutter Maria Waltraud B und deren Eltern in St. Jakob im Defereggen befindet. Iganz A, der mit dem seine Vaterschaft feststellenden Urteil des Bezirksgerichtes Matrei i. O. vom 14.Mai 1975, GZ C 183/74 -12, auch zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 600 S ab dem 15.November 1974 für das erwähnte Kind verpflichtet worden war, erbrachte bisher keinerlei Unterhaltsleistungen, und zwar weder in Geld- noch in Sachwerten. Mit dem 30.Juni 1978 haftete ein Unterhaltsbetrag von insgesamt 26.120 S aus. Für die Zeit vom 1.April 1978 bis zum 31. März 1981 wurde für das Kind ein Unterhaltsvorschuß bewilligt. Die monatlichen Beträge von 600 S werden an die Mutter ausbezahlt. Mit dem Beschluß vom 4.August 1978, GZ U 118/78-2, lehnte das Bezirksgericht Matrei i. O. die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Ignaz A wegen des im Hinblick auf den vorbeschriebenen Sachverhalt bestehenden Verdachtes des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs 1 StGB ab. Nach Ansicht des Bezirksgerichtes Matrei i. O. fehle es an den Voraussetzungen für die österreichische Strafgewalt, weil es sich beim Verdächtigen um einen italienischen Staatsbürger handle und der mit dem Wohnort des Verdächtigen idente Tatort - mangels eines durch Hilfe von anderer Seite abgewendeten Gefährdungserfolges - ebenfalls im Ausland liege. Ferner meinte das Bezirksgericht, die Unterlassung der Unterhaltsleistung gegenüber einem unehelichen Kind werde überdies in Italien nicht mit Strafe bedroht, sodaß in Österreich eine Verfolgung des Unterhaltspflichtigen deshalb unmöglich sei, weil die italienischen Gerichte in einem solchen Fall die Rechtshilfe verweigern;

deshalb läge, zumal auch die Voraussetzungen der §§ 63 und 64 StGB nicht zuträfen, keiner der Kompetenztatbestände der §§ 62 bis 65 StGB vor.

Der gegen diesen Beschluß von der Staatsanwaltschaft Innsbruck erhobenen Beschwerde gab das Landesgericht Innsbruck mit dem Beschluß vom 29.August 1978, AZ Bl 409/78

(ON 9 der erstgerichtlichen Akten), keine Folge.

Das Beschwerdegericht erachtete zwar die Auffassung des Erstgerichtes, wonach eine Unterhaltsgefährdung in Österreich nicht eingetreten sei, als unzutreffend, vertrat jedoch den Standpunkt, daß dennoch kein inländischer Tatort bestehe. Es vertrat die Rechtsansicht, die für die Zuständigkeit entwickelte Judikatur zu § 51 StPO, die bei Distanzdelikten teilweise auch den Ort gelten lasse, wo der Erfolg eintrete, sei erst dann anwendbar, wenn primär die inländische Strafgerichtsbarkeit feststehe; dies sei hier nicht der Fall, weil Tatort für das Unterlassungsdelikt der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs 1 StGB jener Ort sei, wo die Handlung stattfinden solle, demnach der vorliegend im Ausland gelegene Wohnort des Schuldners. Auch der Argumentation des Erstgerichtes, daß mangels Strafbarkeit einer Unterhaltsverletzung nach italienischem Recht eine Rechtshilfe der italienischen Behörden nicht in Anspruch genommen werden könne, was eine ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens hindere, pflichtete das Beschwerdegericht bei.

Rechtliche Beurteilung

II./ Die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Matrei i. O. vom 4.August 1978, GZ U 118/78-2, sowie des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.August 1979, AZ Bl 409/78, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß dem § 67 Abs 2 StGB hat der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung an jedem Ort begangen, an dem er gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen.

Nun trifft es zwar zu, daß Erfüllungsort für in Geld zu leistenden Unterhalt der Wohnsitz des Schuldners ist (§§ 1420, 905 ABGB, dessen Bestimmungen als Statut des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes vorliegend gemäß Artikel 1, Abs 1 des übrigens auch nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 15.Juni 1978, BGBl. Nr. 304, über das internationale Privatrecht /-IPR-Gesetz/- - §§ 52 Z 4, 53 - weiter geltenden Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht, BGBl. Nr. 293/1961, in Verbindung mit dem Bundesgesetz vom 30. Oktober 1958, BGBl. Nr. 295/61, zur Anwendung gelangen; vgl. auch SZ 5/30; SSt. 11/31, 5/89).

Beim Vergehen nach dem § 198 StGB reicht jedoch der Eintritt der Gefahr einer Verletzung des geschützten Tatobjektes als Erfolg der Straftat aus: Dieser von der Handlung bzw. Unterlassung häufig räumlich und zeitlich getrennte tatbestandsmäßige Erfolg ist, wie das Landesgericht Innsbruck im Gegensatz zum Bezirksgericht Matrei i. O. richtig erkannte, von der dem Unterhaltsberechtigten von anderer Seite zukommenden Hilfe (Mutter, Großeltern, Staat etc.) unabhängig. Gegenständlich bestand, den Angaben in der Anzeige nach, infolge des Verhaltens des Verdächtigen Ignaz A - für den im Inland lebenden außerehelichen Sohn -

tatsächlich die (konkrete) Gefahr der Unterhaltsverletzung:

Demnach trat gemäß dem § 67 Abs 2 StGB, in welcher Bestimmung die sogenannte Einheitstheorie zum Ausdruck kommt (Foregger-Serini, StGB2, 134), der Erfolg der Tat (auch) im Inland ein, der Tatort lag darum nicht bloß im Ausland, sondern jedenfalls auch im Inland. Daraus ergibt sich aber gemäß dem Grundsatz der Gebietshoheit des § 62 StGB die inländische Strafgewalt. Steht diese Strafgewalt nach den materiellrechtlichen Bestimmungen (§§ 62 und 67 Abs 2 StGB) fest, dann ist, wie das Landesgericht Innsbruck ebenfalls an sich richtig ausführte, erst in weiterer Folge die prozessuale Frage zu beantworten, welches inländische Gericht für die Behandlung der Anzeige sachlich und örtlich zuständig ist (vgl. Foregger-Serini, StPO2, Erl. I zu § 51). Hier verweist zur sachlichen Zuständigkeit für das Delikt nach dem § 198 Abs 1 StGB die Norm des § 9 Abs 1 Z 1 StPO auf das Bezirksgericht; die örtliche Zuständigkeit ist nach den Vorschriften der §§ 51 ff. StPO zu ermitteln.

Unbeachtlich bei Prüfung der inländischen Strafgewalt bleibt, ob in diesem Verfahren Behörden des Heimatstaates des Verdächtigen Rechtshilfe gewähren. Die tatsächliche Unmöglichkeit einer Verfahrensdurchführung, aus welchem Grund immer, ist weder auf das Entstehen noch auf das Bestehen des inländischen Strafanspruches von Einfluß.

Umstände, welche der Verfahrensdurchführung entgegenwirken, könnten nur zur vorläufigen Abbrechung des Verfahrens im Sinn der §§ 412, 452 Z 2 StPO Anlaß geben.

Aus diesen Erwägungen war über die von der Generalprokuratur ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden.

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