OGH 8Ob514/79

OGH8Ob514/7910.5.1979

SZ 52/78

Normen

ABGB §1483
ABGB §1486
ABGB §1497
Wechselgesetz
ABGB §1483
ABGB §1486
ABGB §1497
Wechselgesetz

 

Spruch:

Schritte, die die Geltendmachung eines Rechtes bloß vorbereiten, unterbrechen die Verjährung ebensowenig wie zur Abwehr des Klagebegehrens eingewendete Vorfragentatbestände, deren Lösung nicht der Rechtskraft zugänglich sind § 1483 ABGB ist auf ein zur Deckung einer Forderung gegebenes Blankorezept nicht anwendbar. Es darf nicht dazu verwendet werden, um durch seine Ausfüllung einer schon verjährten Schuld die Wirkungen einer unverjährten zu verschaffen

OGH 10. Mai 1979, 8 Ob 514/79 (KG Wels R 240/78; BG Vöcklabruck 2 C 1325/76)

Text

Der Kläger erteilte am 21. März 1970 der Beklagten den Auftrag, sein Haus in Z mit einer Beschichtung zu versehen, wobei der Unterputz vom Kläger anzubringen war. Der Kläger übergab der Beklagten zur Deckung des vereinbarten Werklohns einen von ihm und seiner Frau akzeptierten Blankowechsel. Die Beschichtungsarbeiten wurden am 19. Juli 1973 durchgeführt. Nach Übermittlung der Rechnung vom 27. Juli 1973 über 38 896.90 S bezahlte der Kläger am 2. August 1973 einen Betrag von 33 060 S. Am 5. Dezember 1975 drohte die Beklagte an, sie würde den Deckungswechsel verkaufen, sollte der Kläger die Restforderung, einschließlich Zinsen, nicht binnen 14 Tagen begleichen. Dieses Ansinnen wurde vom Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 1975 abgelehnt.

Mit seiner am 24. Mai 1976 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Rückstellung des Blankowechsels. Die Beklagte habe zu Unrecht einen Materialmehrverbrauch von 4814.30 S in Rechnung gestellt. Der Kläger habe den berechtigten Rechnungsbetrag abzüglich eines vereinbarten Skontos zur Gänze bezahlt, so daß die Beklagte ihm den Blankowechsel zurückzustellen habe. Gleichzeitig beantragte der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die gerichtliche Hinterlegung des Blankodeckungswechsels aufzutragen. Die Beklagte entsprach der in diesem Sinne erlassenen einstweiligen Verfügung.

Die Beklagte wendete ein, daß der in Rechnung gestellte Mehrverbrauch an Material auf Grund der vom Kläger herzustellenden Bodenstruktur gerechtfertigt gewesen sei, weshalb der Kläger mangels gänzlicher Zahlung des Rechnungsbetrages auch nicht das vereinbarte Skonto von 3% in Abzug hätte bringen dürfen. Einschließlich Verzugszinsen hafteten 7294.70 S auf den Rechnungsbetrag unberichtigt aus. Solange eine Restforderung aber nicht berichtigt sei, brauche die Beklagte den Blankodeckungswechsel dem Kläger nicht zurückstellen.

Am 18. Feber 1977 brachte der Kläger ergänzend vor, der Herausgabeanspruch sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die Forderung der Beklagten auf Grund ihrer Faktura vom 27. Juli 1973 seit 27. Juli 1976 verjährt sei, so daß der Restbetrag nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es gelangte zu dem Ergebnis, der vereinbarte Gesamtpreis von 30 380 S hätte nur für den Fall gelten sollen, daß nur 310 m2 zu beschichten und der Unterputz mit 0.3 cm Sand angefertigt worden wäre. Da der Kläger die ungleichmäßige Bearbeitung des Unterputzes zu vertreten habe, sei der in Rechnung gestellte Mehrverbrauch gerechtfertigt. Da der Kläger zur Sicherung der Restschuld aus dem Werkvertrag den Blankowechsel akzeptiert und übergeben habe, sei die Beklagte berechtigt, diesen mangels Zahlung auszufüllen und zu begeben. Auf die Verjährung der Forderung könne sich der Kläger nicht berufen, weil der Blankowechsel noch innerhalb der Verjährungsfrist infolge der einstweiligen Verfügung bei Gericht erlegt worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, änderte das Ersturteil im Sinne der Klagsstattgebung ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteige. Es gelangte aus folgenden rechtlichen Erwägungen zur Bejahung des Herausgabeanspruchs: Der Kläger sei berechtigt, auch im Laufe des Prozesses die Verjährung der Restforderung geltend zu machen. Tatsächlich sei diese nach § 1486 Z. 1 ABGB unter Bedachtnahme auf die achttägige Zahlungsfrist mit Anfang August 1976 verjährt. Eine Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB könne dadurch, daß die Beklagte ihre Restforderung zum Gegenstand einer Vorfrage machte, nicht eingetreten sein. An der Verjährung könne auch der Umstand nichts ändern, daß die Beklagte einen Blankowechsel übergeben erhalten habe. Eine unmittelbare Anwendung des § 1483 ABGB sei ausgeschlossen. Im Verhältnis zwischen den Streitteilen sei die Einwendung, daß im Augenblick der - noch nicht erfolgten - Ausfüllung des Blankowechsels die Forderung, zu deren Deckung er begeben worden sei, verjährt sei, zulässig und beachtlich. Ein Wechselblankett dürfe nach Verjährung der Forderung, für welches es begeben wurde, nicht mehr mit der Wirkung ausgefüllt werden, daß einer schon verjährten Schuld die Wirkung einer unverjährten Schuld zukäme. Da die Forderung aus dem Grundgeschäft wegen Verjährung erloschen sei, bestehe der Anspruch des Klägers auf Herausgabe des Blankodeckungswechsels zu Recht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Vorweg ist festzuhalten, daß die Sachentscheidung grundsätzlich auf die im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz gegebene Sach- und Rechtslage abzustellen ist (Fasching III, Anm. 1 und 2 zu § 406 ZPO; 6 Ob 521/77; 2 Ob 159/78; JBI. 1974, 426 u. v. a.). Überlegungen der Revision, wie die Rechtssache zu beurteilen wäre, wenn das Verfahren früher geschlossen worden wäre, können daher auf sich beruhen.

Im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (13. Oktober 1977) ist die der Verjährungsfrist des § 1486 Abs. 1 ABGB unterliegende Restforderung der Beklagten gegen den Kläger jedenfalls als verjährt anzusehen. Die Beklagte kann die Bestimmung des § 1497 ABGB nicht in der von ihrer Revision geforderten Weise für sich in Anspruch nehmen. Nach dieser Gesetzesstelle wird die Verjährung insbesondere unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf diese berufen will, vor dem Verlauf der Verjährungszeit vom Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Die Revision vertritt nun die Auffassung, die Verjährung ihrer Restforderung sei deshalb im Sinne dieser Gesetzesstelle unterbrochen, weil die Beklagte dem Begehren des Klägers auf Rückstellung des Blankowechsels noch innerhalb der Verjährungsfrist die Prozeßbehauptung entgegengesetzt hat, der Beklagten stunde gegen den Kläger eine Restforderung von 7294.70 S zu. Dem kann nicht gefolgt werden. Daß hierin eine aufrechnungsweise Geltendmachung einer Gegenforderung nicht erblickt werden kann, räumt die Revision selbst ein, sodaß nicht näher begrundet werden muß, daß eine Aufrechnung mangels Gleichartigkeit unzulässig wäre und schon aus diesem Grund in ihrer Wirkung auf den Lauf der Verjährungsfrist nicht einer Klage gleichgehalten werden könne (1 Ob 207/69). Mit diesem Vorbringen wirft die Beklagte nur eine bei der Beurteilung des Klagebegehrens zu prüfende Vorfrage auf, deren Lösung mangels formeller Verselbständigung (etwa durch Zwischenantrag auf Feststellung) nicht mit den Garantien der Rechtskraft ausgestattet ist (Fasching II, 901). Ebenso wie Schritte, die die Geltendmachung eines Rechtes bloß vorbereiten (Klan[2] VI, 655), können solche zur Abwehr eines Klagebegehrens eingewendete Vorfragentatbestände nicht die Wirkung der Verjährungsunterbrechung haben, wie sie der Klagsführung oder ihr gleichgesetzten Rechtsverfolgungsschritten (vgl. Gschnitzer, Lehrbuch, Allgemeiner Teil, 251 f.; Klang[2] VI, 654 f.; 1 Ob 207/69 u. a.) zukommt. Entgegen den Revisionsausführungen war der Kläger berechtigt, der Behauptung der Restforderung der Beklagten nach Ablauf der Verjährungszeit während des Prozesses mit dem Verjährungseinwand entgegenzutreten. Der von der Revision ins Treffen geführte Umstand, daß die vom Kläger beantragte einstweilige Verfügung im Zeitpunkt ihrer Erlassung nach den nunmehr vorliegenden Verfahrensergebnissen nicht berechtigt war, rechtfertigt nicht den Ausschluß des Klägers vom Verjährungseinwand. Anders als in den Fällen, wo dem Verjährungseinwand die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann, weil der Gläubiger vorn Schuldner veranlaßt wurde, seine Forderung nicht fristgerecht geltend zu machen (EvBl. 1956/36; ZVR 1969/89 u. a.), wurde die Beklagte diesfalls durch die vom Erstgericht bewilligte und von ihr unbekämpft gelassene einstweilige Verfügung in keiner Weise gehindert, ihre Restforderung in der im § 1497 ABGB vorgesehenen Weise gegen Verjährung zu schützen. Hätte sie dies getan, dann wäre sie auch berechtigt, den Blankowechsel zur Deckung des dann noch unverjährten Forderungsrestes weiterhin zu behalten. Unterließ sie dies aber rechtsirrtümlich, dann kann sie daraus nicht ableiten, daß der Verjährungseinwand des Klägers gegen Treu und Glauben verstoße.

Es ist daher davon auszugehen, daß der unbeglichene Rest der Forderung, die dem gegenständlichen Blankowechsel zugrunde liegt, im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz als verjährt anzusehen ist. Damit ist aber für die Beklagte der Rechtsgrund, den Blankowechsel zu behalten, weggefallen. Wie der OGH wiederholt ausgeführt hat, kann gegenüber der dem Wechsel zugrunde liegenden Forderung die (nach § 1502 ABGB im voraus unverzichtbare) Verjährungseinwendung erhoben werden; mit der Verjährung des Wechsels als solchem hat diese Einwendung nichts zu tun. § 1483 ABGB ist auf ein dem Gläubiger zur Deckung gegebenes Blankoakzept nicht anwendbar. Die Ausfüllung des Blankettes nach Eintritt der Verjährung der Forderung, zu deren Deckung der Blankowechsel übergeben wurde, widerspricht der Verkehrssitte (vgl. die unter Nr. 9 zu Art. 70 WG in MGA[6] mitgeteilten Entscheidungen). Den dargelegten Rechtssätzen vermag die Revision nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Der Revision ist zuzugeben, daß auch eine verjährte Forderung noch als natürliche Verbindlichkeit weiterbesteht und ihre Bezahlung keine Schenkung wäre, doch widerspräche es redlicher Übung, das zur Deckung einer aufrechten Schuld gegebene Blankoakzept dazu zu verwenden, um durch seine Ausfüllung der schon verjährten Schuld die Wirkung einer unverjährten Schuld zu verschaffen (SZ 16/75), was der Bestimmung des § 1502 ABGB zuwider laufen würde.

Da die (Rest-)Forderung, zu deren Deckung der gegenständliche Blankowechsel vom Kläger der Beklagten seinerzeit übergeben wurde, im maßgeblichen Zeitpunkt somit als verjährt anzusehen ist, hat das Berufungsgericht zutreffend dem Begehren des Klägers auf Rückstellung des Blankowechsels stattgegeben.

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