OGH 6Ob575/79

OGH6Ob575/7921.3.1979

SZ 52/49

Normen

ABGB §1425
AußStrG §9
ABGB §1425
AußStrG §9

 

Spruch:

Zur Parteistellung im Erlagsverfahren nach § 1425 ABGB Der schlichte Gläubiger eines Erlagsgegners hat Forderungsrechte gegen diesen, aber in Ermangelung von Rechten am Erlagsgegenstand im Ausfolgungsverfahren weder Parteistellung noch Rechtsmittelbefugnis

OGH 21. März 1979, 6 Ob 575/79 (LG Innsbruck 4 R 243, 282/79; BG Innsbruck 4 Nc 100/78)

Text

Der Erleger beantragte beim BG Innsbruck unter Berufung auf § 1425 ABGB die Annahme eines Betrages von mehr als 1.3 Mill. S zum gerichtlichen Erlag. In seinem Antrag bezeichnete er sechs Erlagsgegner:

Als zweiten Erlagsgegner den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen einer Ges. m. b. H., die nach den Antragsangaben eine bestimmte Wohnhausanlage errichtete, als fünfte Erlagsgegnerin eine betreibende Gläubigerin, der das BG Hall i. T. gegen den zweiten Erlagsgegner die Forderungsexekution auf deren angebliche Ansprüche gegen den Erleger bewilligte (Pfändung: 13. April 1977), als erste Erlagsgegnerin eine im Ausgleich befindliche Baugesellschaft m. b.H. als dritten Erlagsgegner einen Zessionar dieser nunmehrigen Ausgleichsschuldnerin, als vierte Erlagsgegnerin eine betreibende Gläubigerin, der unter Bestimmung des BG Rottenmann als Exekutionsgerichtes gegen die erste Erlagsgegnerin die Forderungsexekution auf deren angebliche Ansprüche gegen den Erleger bewilligt wurde (Pfändung: 28. Jänner 1977), als sechste Erlagsgegnerin eine betreibende Gläubigerin, der das BG Rottenmann gegen die erste Erlagsgegnerin die Forderungsexekution auf deren angebliche Ansprüche gegen den Erleger bewilligte (Pfändung: 16. März 1977).

Nach dem Vorbringen im Erlagsantrag seien nach einer Vereinbarung vom 11. September 1975 die Kaufpreise für die einzelnen Einheiten der von der nunmehrigen Gemeinschuldnerin errichteten Anlage an den Erleger zu überweisen und von diesem an die erste Erlagsgegnerin weiterzuleiten gewesen. Wegen großer finanzieller Schwierigkeiten der nunmehrigen Gemeinschuldnerin sowie auch der ersten Erlagsgegnerin habe der Erleger mit der Auszahlung innegehalten. Inzwischen sei es zu den bereits erwähnten Pfändungen gekommen. Über die vom Erleger verwahrten Geldbeträge sei keine Einigung zwischen der ersten Erlagsgegnerin und deren Ausgleichsverwalter einerseits sowie dem zweiten Erlagsgegner in seiner Eigenschaft als Masseverwalter andererseits zu erzielen gewesen, beide Teile beanspruchten die verwahrten Geldbeträge für sich allein. Deshalb sehe sich der Antragsteller zum gerichtlichen Erlag genötigt.

Das Erstgericht nahm den Erlag an.

Die dritte Erlagsgegnerin, die Zessionarin der ersten Erlagsgegnerin, stellte in Ansehung eines Teilbetrages von 1 042 913 S einen Ausfolgungsantrag an sie. Die erste Erlagsgegnerin und ihr Ausgleichsverwalter sowie die vierte und sechste Erlagsgegnerin stimmten der beantragten Ausfolgung an die dritte Erlagsgegnerin zu, ebenso die fünfte Erlagsgegnerin als betreibende Gläubigerin. Der zweite Erlagsgegner erklärte, daß die Konkursmasse keinen Anspruch auf den Erlagsbetrag erhebe. Dieser Erklärung fügte er bei, daß er im Sinn eines Beschlusses des Gläubigerausschusses prinzipiell der Ausfolgung des Erlagsbetrages an die diesen Betrag beanspruchenden Gläubiger zustimme, er aber auf die Aufteilung dieses Betrages keinen Einfluß habe und daher auch keine Stellungnahme dazu abgebe, ob der von der dritten Erlagsgegnerin begehrte Teilbetrag an diese ausgefolgt werden solle. Die Konkursmasse sei nicht als Erlagsgegnerin zu betrachten.

Das Erstgericht ordnete mit Beschluß vom 17. Oktober 1978 die Ausfolgung des von der dritten Erlagsgegnerin beantragten Teilbetrages an diese an. Der Ausfolgungsbeschluß wurde dem Erleger und den Vertretern sämtlicher sechs im Antrag angeführter Erlagsgegner zugestellt. Keiner von ihnen erhob ein Rechtsmittel.

Gegen den Ausfolgungsbeschluß erhob aber die Firma H & Co, eine Gläubigerin der ersten Erlagsgegnerin, Vorstellung und Rekurs. Sie machte geltend, daß sie Installationen an dem von der nunmehrigen Gemeinschuldnerin errichteten Objekt ausgeführt und daher eine Forderung von insgesamt 358 204.85 S habe. Sie habe diese Ansprüche auch gegenüber dem Erleger sowie gegenüber den ersten drei Erlagsgegnern bekanntgegeben. Dennoch seien im Erlagsverfahren ihre Ansprüche verschwiegen worden.

Das Erstgericht wies die Vorstellung gemäß § 9 Abs. 3 AußStrG zurück.

Das Rekursgericht hob den Ausfolgungsbeschluß als nichtig auf und überwies die Erlagssache zur Durchführung des Verteilungsverfahrens im Sinne des § 307 EO gemäß § 44 EO dem BG Rottenmann.

Das Rekursgericht anerkannte die Rechtsmittelbefugnis der vom Erleger nicht als Erlagsgegner angeführten Rekurswerberin, weil bei einem Erlag wegen Ungewißheit des Gläubigers jeder bis zur Rechtskraft des Ausfolgungsbeschlusses auftretende Forderungsansprecher dem Verfahren beizuziehen sei. Aus Anlaß des für zulässig angesehenen Rekurses habe das Rechtsmittelgericht von Amts wegen die Zuständigkeit eines der beiden Exekutionsgerichte im Sinne des § 307 EO wahrzunehmen gehabt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des dritten Erlagsgegners statt und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Rekurs der Firma H & Co gegen den erstgerichtlichen Beschluß zurückgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wem in einem außerstreitigen Verfahren Beteiligtenstellung zukommt, richtet sich nach dem Verfahrensgegenstand. Im Verfahren über einen Erlag nach § 1425 ABGB ist zunächst die verfahrensrechtliche Erklärung des Antragstellers, wem er den Erlagsgegenstand im Weg des Gerichtserlages zwecks Schuldbefreiung und Abwälzung der Gefahr anbiete, bestimmend. Die vom Erleger namentlich bezeichneten Erlagsgegner genießen kraft dieser verfahrensrechtlichen Erklärung des Antragstellers Parteistellung, sonstige Personen aber nur insoweit, als sie am Erlagsgegenstand - unabhängig von einem noch aufrechten Willen des Erlegers - bereits rechtlich geschützte Interessen besitzen (SZ 27/59; SZ 40/8 u. a.).

Erlagsgegenstand ist ein Geldbetrag, Erlagszweck eine Schuldtilgung, Erlagsgrund der Streit über die Rechtszuständigkeit an einer Forderung zwischen erstem und zweitem Erlagsgegner. Die dritte Erlagsgegnerin als Zessionarin und die weiteren drei Erlagsgegnerinnen als betreibende Gläubigerinnen wurden vom Erleger offensichtlich deshalb in das Verfahren mit einbezogen, weil deren Rechtsstellung, die der Erleger in keiner Weise als zweifelhaft darstellte, die Rechtsstellung der beiden ersten Erlagsgegner als verpflichtete Parteien und als Zedenten beschränken.

Die Vorstellungswerberin stützte ihre Ansprüche auf den Erlagsgegenstand im Gründe nur darauf, daß sie Forderungen gegen die erste Erlagsgegnerin besitze. Sie legte aber in keiner Weise schlüssig dar, welche Ansprüche sie an der durch den Erlagsgegenstand zu tilgenden Forderung der ersten Erlagsgegnerin gegen den Erleger besitze.

Der Gläubiger eines Schuldners, sei er auch Ausgleichsschuldner, hat Forderungsrechte gegen diesen, aber, mögen seine Ansprüche sogar auch vollstreckbar sein, keinen Anspruch auf einzelne Vermögensbestandteile des Schuldners, daher auch keinen Anspruch auf Forderungen des Schuldners gegen Dritte. Dazu bedürfte es eines Rechtsgeschäftes (z. B. Verpfändung oder Abtretung), eines richterlichen Aktes (Pfändung und Überweisung), ausnahmsweise genügte die Erfüllung eines besonderen gesetzlichen Tatbestandes (gesetzliches Pfandrecht). Derartige Rechte am Erlagsgegenstand hat die Vorstellungswerberin nicht einmal behauptet.

Die Befriedigung schlichter Gläubiger eines Erlagsgegners aus dem Erlagsgegenstand liegt eindeutig außerhalb der Ziele und Zwecke eines Erlagsverfahrens nach § 1425 ABGB. Mangels schlüssig behaupteter Rechte der Vorstellungswerberin am Gegenstand des Erlages konnte ihr im Ausfolgungsverfahren keine Parteistellung und daher auch keine Rechtsmittelbefugnis zukommen. Ihr Rekurs war mangels Rechtsmittellegitimation unzulässig. Er wäre vom Rekursgericht zurückzuweisen gewesen. Damit entfiel auch die Möglichkeit zur amtswegigen Wahrnehmung einer Nichtigkeit.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war der angefochtene Beschluß in seinem Punkt 1 derart abzuändern, daß der Rekurs der Firma H & Co. gegen den erstgerichtlichen Beschluß zurückgewiesen wird. Damit entfällt auch seine Aufhebung als nichtig und die Überweisung der Sache gemäß § 44 JN an das BG Rottenmann.

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