OGH 2Ob163/54

OGH2Ob163/543.3.1954

SZ 27/59

Normen

ABGB §1425
Geschäftsordnung der Gerichte §307
ABGB §1425
Geschäftsordnung der Gerichte §307

 

Spruch:

Ein noch vor der gerichtlichen Beschlußfassung über die Ausfolgung eines Erlages nach § 1425 ABGB. bekanntgewordener Forderungsberechtigter darf nicht übergangen werden.

Entscheidung vom 3. März 1954, 2 Ob 163/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die antragstellende Firma Johann H. hat den Schuldgegenstand gemäß § 1425 ABGB. zu Gunsten von vier namentlich bezeichneten Erlagsberechtigten zu Gericht erlegt. Nachdem die an erster Stelle genannten Erlagsgegner, die Rechtsanwälte Dr. Franz B. sen. und Dr. Franz B. jun., im Einverständnis mit den anderen Beteiligten den Antrag auf Ausfolgung gestellt hatten, beantragte die Erlegerin, einen weiteren Erlagsgegner, das Bankhaus B., vom Erlage zu verständigen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Rekursgericht behob den Beschluß und trug dem Erstrichter auf, nach Verständigung des weiteren Erlagsgegners neuerlich über den Erfolglassungantrag zu entscheiden. Es geht von der Ansicht aus, daß die Namhaftmachung weiterer empfangsberechtigter Personen keine Änderung der Erlagsbedingungen bedeute und ihre Rechte daher beachtet werden müssen, solange nicht rechtskräftig über den Erlag verfügt wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Erlagsgegner nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig (JudB. 203), aber nicht begrundet.

Der Schuldner ist nach § 1425 ABGB. u. a. zur Hinterlegung des Schuldgegenstandes befugt, wenn mehrere Prätendenten auftreten, ohne daß er erkennen könnte, wer zur Leistung berechtigt ist. Er muß sie im Hinterlegungsantrag namentlich bezeichnen. Unter der Voraussetzung, daß die Hinterlegung dem Gläubiger bekanntgemacht wurde, hat die gerichtliche Hinterlegung für den Schuldner schuldbefreiende Wirkung. Welche rechtliche Wirkungen die Verständigung vom Erlage für den Gläubiger hat, ist im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt. Es erhellt aber aus ihm, daß die Forderungsberechtigten aufgefordert werden sollen, nach Maßgabe des Einverständnisses aller Beteiligten oder im Falle widerstreitender Ansprüche auf Grund eines Urteils, welches den Anspruch einer Partei auf Ausfolgung anerkennt, die Erfolglassung zu beantragen. Ein Recht auf Ausfolgung erlangen mit dem Erlage aber nicht allein jene Personen, die im Hinterlegungsantrag namhaft gemacht wurden, sondern auch alle anderen, die Rechte an der Hinterlegungssumme besitzen. Sie müssen daher, sofern sie rechtzeitig bekannt werden, am Verfahren beteiligt werden. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich auch aus § 307 Abs. 2 GeO., der eine Verständigung der Gläubiger nach Möglichkeit vorsieht, also auch eine spätere Benachrichtigung empfangsberechtigter Personen nicht ausschließt. Jede andere Auffassung könnte dazu führen, daß Forderungsberechtigte in ihren Rechten verletzt oder beeinträchtigt würden, was gewiß vom Gesetz nicht beabsichtigt ist. Die Beschwerdeführer behaupten nun selbst nicht, daß sie mit den anderen im Antrage genannten Prätendenten ein ausschließliches Recht am erlegten Betrage erlangt haben, sie meinen nur, es dürfe, nachdem sie den Ausfolgungsantrag einvernehmlich gestellt haben, der Kreis der Beteiligten nicht mehr erweitert werden. Es kann im gegenwärtigen Falle dahingestellt bleiben, ob der Zeitpunkt der Beschlußfassung oder jener der tatsächlichen Verfügung den Kreis jener Personen bestimmen soll, der bei der Ausfolgung zu berücksichtigen ist, weil der weitere Prätendent noch vor der Beschlußfassung über den Ausfolgungsantrag bekannt wurde. Jedenfalls darf, wie das Rekursgericht auch nicht verkannt hat, ein noch vor der gerichtlichen Beschlußfassung bekanntgewordener Forderungsberechtigter nicht übergangen werden. Es war daher im Ergebnis richtig, wenn das Rekursgericht dem Erstgericht die Berücksichtigung auch dieses weiteren Prätendenten aufgetragen hat.

Dem Revisionsrekurs mußte daher ein Erfolg versagt werden.

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