OGH 4Nd507/78

OGH4Nd507/785.12.1978

SZ 51/170

Normen

ABGB §179a Abs1
Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §13 Abs1
Haager Minderjährigenschutzabkommen Art1 Abs1
JN §111 Abs1
JN §111 Abs3
JN §113a
ABGB §179a Abs1
Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §13 Abs1
Haager Minderjährigenschutzabkommen Art1 Abs1
JN §111 Abs1
JN §111 Abs3
JN §113a

 

Spruch:

Die Zuständigkeit zur Bewilligung der Adoption eines mj. Kindes österreichischer Staatsbürgerschaft durch den nunmehrigen Ehemann der Mutter - einen in den Niederlanden wohnhaften niederländischen Staatsbürger - kann nicht gemäß § 111 Abs. 3 JN an das zuständige niederländische Amtsgericht übertragen werden

OGH 5. Dezember 1978, 4 Nd 507/78

Text

Beim Bezirksgericht Floridsdorf ist die Pflegschaft der mj. Martina E, geb. 17. Juli 1969, anhängig. Die Minderjährige ist ein eheliches Kind der Pia E, wiederverehelichte H und des Otto E. Die Ehe der Eltern ist geschieden. Das Kind, welches die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, befindet sich auf Grund eines im Zuge des Scheidungsverfahrens abgeschlossenen und pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleiches in Pflege und Erziehung der Mutter. Diese ist seit 1973 mit Klaas H, einem niederländverheiratet und wohnt mit ihrem Gatten und der Minderjährigen in den Niederlanden. Klaas H beabsichtigt, die mj. Martina E zu adoptieren. Die Mutter legte daher dem Bezirksgericht Floridsdorf als Pflegschaftsgericht einen Adoptionsvertrag vom 9. Juni 1978, abgeschlossen zwischen ihrem nunmehrigen Gatten Klaas H und der mj. Martina E, vertreten durch die Mutter Pia H, zur Genehmigung vor. Der eheliche Vater, Otto E, hat bereits am 20. Oktober 1976 vor dem Bezirksgericht Floridsdorf die Erklärung abgegeben, daß er "auf seine väterliche Gewalt verzichte und mit einer allfälligen Adoption des Kindes durch Klaas H einverstanden sei". Sein derzeitiger Aufenthalt ist unbekannt.

Nunmehr beantragt das Erstgericht gemäß § 111 Abs. 3 JN die Genehmigung seines Beschlusses vom 22. Juni 1978, womit es seine Zuständigkeit zur Bewilligung der Annahme an Kindesstatt der mj. Martina E durch Klaas H an das Amtsgericht Alkmar bzw. das in den Niederlanden zur Bewilligung der Adoption zuständige Amtsgericht übertragen hatte.

Der Oberste Gerichtshof versagt der beantragten Zuständigkeitsübertragung seine Genehmigung.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst muß darauf verwiesen werden, daß dem Beschluß vom 22. Juni 1978 nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob das Pflegschaftsgericht die gänzliche Übertragung der Pflegschaftssache an das ausländische Gericht beabsichtigt (wie dies der letzte Absatz der Begründung vermuten ließe), oder (entsprechend dem Spruch des Beschlusses) nur die Zuständigkeit zur Bewilligung der Annahme an Kindesstatt übertragen werden soll. Eine Klarstellung ist jedoch nicht erforderlich, da keine der beiden Maßnahmen genehmigt werden könnte.

Dem Beschluß des Erstgerichtes ist zu entnehmen, daß er - gleichgültig, ob die vollständige Übertragung der Pflegschaft beabsichtigt war oder nicht - ausschließlich deshalb gefaßt wurde, damit über den antrag auf Genehmigung des Adoptionsvertrages von einem niederländischen Gericht entschieden werden kann. Durch Art. 1 des Übereinkommens BGBl. 446/1975 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen allein wäre eine solche Abtretung (die in derartigen Fällen auch nicht genehmigt werden müßte) noch nicht gedeckt, da Verfügungen, die selbständigen Sachgebieten zuzuordnen sind, wie die Bewilligung einer Annahme an Kindesstatt (§ 179a ABGB), nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen (vgl. 1210 BlgNR, XIII. GP, 9). Es käme daher tatsächlich nur eine Übertragung nach § 111 Abs. 3 JN in Frage. Auch wenn man nun die Ansicht vertritt, die Bewilligung der Annahme an Kindesstatt gehöre wegen der in § 113a JN verfügten Zuständigkeit des Vormundschafts- oder Pflegschaftsgerichtes und deren Durchführung im Pflegschaftsakt (§ 417 Abs. 2 Geo.) zu den vormundschaftsbehördlichen Geschäften im Sinne des § 111 JN, deren Übertragung an ein ausländisches Gericht möglich ist (vgl. dazu Loewe, Die Übertragung der vormundschafts- und pflegschaftsbehördlichen Zuständigkeit an ausländische Gerichte, ÖJZ 1955, 132, insbesondere 136), wäre eine derartige Übertragung im vorliegenden Fall nicht im Interesse der Minderjährigen gelegen. Im übrigen ist davon auszugehen, daß die Übertragung der Zuständigkeit an eine ausländische Behörde nur dann genehmigt werden kann, wenn diese mit der Übernahme der Pflegschaft einverstanden ist (EvBl. 1971/128 u. a.). Da eine solche Zustimmung nicht vorliegt, könnte der Antrag schon aus diesem Grund derzeit nicht genehmigt werden.

Darüber hinaus ist folgendes zu erwägen:

§ 13 Abs. 1 der 4. DVEheG wird von Lehre und Rechtsprechung als zweiseitige Rechtsanwendungsnorm angesehen, so daß sich die Adoption in materiell-rechtlicher Hinsicht nach den Gesetzen des Staates bestimmt, dem der oder die Annehmenden zur Zeit der Adoption angehören (Schwind, HdB des Österr. IPR, 230; SZ 45/50; EvBl. 1959/95 u. a.). Auch § 26 Abs. 1 IPRG, BGBl. 304/1978, welches mit 1. Jänner 1979 in Kraft tritt, sieht vor, daß die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt in erster Linie nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen sind. Ist nach dem Personalstatut des Kindes die Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, erforderlich, so ist insoweit auch dieses Recht maßgebend. Auch die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt bestimmen sich nach § 26 Abs. 2 leg. cit. nach dem Personalstatut des Annehmenden. Das am 23. Oktober 1978 in Kraft getretene Übereinkommen vom 15. November 1965, BGBl. 581/1978, über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt kann dagegen auf den vorliegenden Fall deshalb nicht angewendet werden, weil es bisher außer von Österreich nur von der Schweiz und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, nicht aber auch vom Königreich der Niederlande ratifiziert wurde. Dieses Übereinkommen ist jedoch gemäß Art. 1 auf die Annahme an Kindesstatt jedenfalls nur dann anwendbar, wenn sowohl die Annehmenden als auch das anzunehmende Kind die Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten besitzen.

Wie sich aus einer vom OGH im Wege des Bundesministeriums für Justiz eingeholten und dem Erstgericht unter einem in Ablichtung übermittelten Auskunft des Justizministeriums des Königreichs der Niederlande vom 26. Oktober 1978 ergibt, prüfen auch die niederländischen Richter in allen Fällen derartige Anträge an Hand der Bedingungen, die das niederländische Recht an die Adoption stellt. Handelt es sich bei dem Antrag um die Adoption eines Kindes ausländischer Staatsangehörigkeit, so berücksichtigt der Richter im allgemeinen auch die Bedingungen des im Heimatland des Kindes geltenden Rechtes (Arrondissementgericht Zutphen vom 5. November 1963, Nederlandse Jurisprudentie 1966, Nr. 169;

Arrondissementgericht Amsterdam vom 10. März 1964, Nederlandse Jurisprudentie 1966, Nr. 179). Das niederländische Recht sieht aber kein Verfahren vor, auf Grund dessen ein Gericht ersucht werden kann, eine Entscheidung über die Gültigkeit nach niederländischem Recht eines in Österreich abgeschlossenen Adoptionsvertrages zu treffen.

Für den vorliegenden Fall ist nun bedeutsam, daß das niederländische Recht in Art. 227 ff. BW (abgedruckt bei Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht) nur die Adoption eines Kindes durch ein Ehepaar und nicht auch durch eine Einzelperson vorsieht, wobei auch die Adoption durch ein Ehepaar dann unzulässig ist, wenn es sich um das eheliche oder natürliche Kind eines der Ehegatten handelt (Art. 228 lit. b BW). Wohl wurde nach der zitierten Auskunft des Justizministeriums des Königreichs der Niederlande am 6. Oktober 1977 ein Gesetzesentwurf eingereicht, der u. a. bezweckt, die Bestimmung aufzuheben, nach der das Kind kein legitimiertes oder natürliches Kind eines der Adoptanten sein darf. Auch nach einer eventuellen Einführung der vorgeschlagenen Änderung würde jedoch die bisher geltende Bedingung, daß der Antrag von einem Ehepaar gemeinsam gestellt werden muß (die Ausnahme des Art. 227 Abs. 3 BW liegt hier nicht vor) weiter gelten. Der vorliegende, nur vom nunmehrigen Gatten der ehelichen Mutter abgeschlossene Adoptionsvertrag kann daher - soweit dies im Rahmen eines Verfahrens nach § 111 Abs. 3 JN geklärt werden kann - von den Gerichten des Königreichs der Niederlande nicht bewilligt werden.

Da die Entscheidung über den Adoptionsvertrag durch Gerichte der Niederlande der einzige Grund für die beabsichtigte Übertragung der Vormundschaft war, eine solche positive Entscheidung aber voraussichtlich nicht erfolgen kann, war die Übertragung der Zuständigkeit nicht zu genehmigen.

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