OGH 4Ob374/78

OGH4Ob374/785.9.1978

SZ 51/119

Normen

EO §394 Abs1
EO §394 Abs3
Umsatzsteuergesetz 1952 §1 Abs1
Umsatzsteuergesetz 1952 §1 Abs2
ZPO §273
EO §394 Abs1
EO §394 Abs3
Umsatzsteuergesetz 1952 §1 Abs1
Umsatzsteuergesetz 1952 §1 Abs2
ZPO §273

 

Spruch:

Die Zahlung eines Entschädigungsbetrages nach § 394 EO ist keine umsatzsteuerpflichtige Leistung im Sinne des § 1 UStG 1972

Der nach dieser Bestimmung erforderliche Leistungsaustausch setzt ein Verhältnis der Wechselbeziehung von Leistung und Gegenleistung, also deren inneren Zusammenhang und gegenseitige Abhängigkeit, voraus

Bei der Berechnung des Ersatzbetrages nach § 394 EO ist von der Bestimmung des § 273 ZPO weitgehend Gebrauch zu machen, sofern nur überhaupt feststeht, daß durch die einstweilige Verfügung ein Vermögensnachteil eingetreten ist

OGH 5. September 1978, 4 Ob 374/78 (OLG Wien 1 R 39/78; HG Wien 18 Cg 55/74)

Text

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Unterlassung des Vertriebes von Schaumzuckerwaren in der - näher beschriebenen - charakteristischen Form der "Schwedenbombe" in Österreich. Sie erwirkte zur Sicherung des erhobenen Unterlassungsanspruches das begehrte Verbot durch eine einstweilige Verfügung, die dem Beklagtenvertreter am 11. März 1974 zugestellt wurde. In der Hauptsache gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt, während es das Berufungsgericht abwies. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wurde vom OGH bestätigt; das Urteil des OGH wurde dem Beklagtenvertreter am 22. Juni 1976 zugestellt.

Der Beklagte begehrte gemäß § 394 EO einen Entschädigungsbetrag in der Höhe von insgesamt 2 709 136.80 S, nämlich 2.5 Mill. S als entgangenen Gewinn wegen des Verbotes des Vertriebes der angeführten Schaumzuckerwaren, durch die einstweilige Verfügung während der Zeit vom 8. März 1974 bis 22. Juni 1976, dazu 8% (= 200 000 S) Umsatzsteuer und Verfahrenskosten von insgesamt 9136.80 S.

Das Erstgericht sprach einen Entschädigungsbetrag von 950 000 S zu, während es das Mehrbegehren abwies. Das Erstgericht ging davon aus, daß dem Beklagten durch das Verbot des Vertriebes von Schaumzuckerwaren in der beanstandeten Form während der Zeit zwischen der Zustellung der einstweiligen Verfügung und der Zustellung der Entscheidung des OGH in der Hauptsache, also durch 27 1/2 Monate,ein Reingewinn von 1 076 000 S entgangen sei. Davon zog das Erstgericht den Reingewinn des Beklagten aus dem Vertrieb von "Sternküssen", die der Beklagte als Ersatz für die vom Verbot betroffenen Schaumzuckerwaren in "Schwedenbomben"-Form verkaufte, ab und stellte den tatsächlich erlittenen Schaden des Beklagten mit 950 000 S fest. Umsatzsteuer von der festgesetzten Entschädigungssumme sprach das Erstgericht nicht zu, weil die zu leistende Entschädigung keine Lieferung oder Leistung im Sinne des § 1 UStG 1972 sei. Die begehrten Kosten sprach das Erstgericht nicht zu, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 2 EO geltend gemacht worden seien.

Die Entscheidung des Erstgerichtes wurde von der klagenden Partei hinsichtlich des auferlegten Entschädigungsbetrages von 950 000 S und von der beklagten Partei hinsichtlich eines Betrages von 221 216.80 S das ist der Abzug des Reingewinnes aus dem Verkauf der "Sternküsse", die Umsatzsteuer in der Höhe von 8% des (noch) angestrebten Entschädigungsbetrages und der Kostenbetrag von 9136.80 S angefochten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und hob die Entscheidung des Erstgerichtes hinsichtlich des Zuspruches eines Betrages von 950 000 S an den Beklagten (ohne Rechtskraftvorbehalt) auf, weil das Sachverständigengutachten hinsichtlich des ohne die Erlassung des Verbotes des Vertriebes von Schaumzuckerwaren in der beanstandeten Form vom Beklagten in der angeführten Zeit vermutlich erzielten Umsatzes an solchen Waren und hinsichtlich der Möglichkeit, auf den Vertrieb von gleichwertigen Ersatzwaren (Waren anderer Form) auszuweichen, zu ergänzen sei. Dem Rekurs des Beklagten gab das Rekursgericht nicht Folge. Zu den Ausführungen des Beklagten gegen den Abzug des Reingewinnes aus dem Verkauf der "Sternküsse" verwies das Rekursgericht zunächst darauf, daß er dessen Höhe mit 109 663 S nicht in Abrede stellte, sein Einwand, diesem Vorteil stehe der Nachteil gegenüber, daß er nach Wegfall der einstweiligen Verfügung den Vertrieb der bis dahin verbotenen Waren nicht sogleich, sondern erst nach einer entsprechenden Vorbereitungszeit und unter erhöhten, Schwierigkeiten habe aufnehmen können, aber nicht berechtigt sei, weil ein Ersatz wegen Vermögensnachteilen nach dem Außerkrafttreten der einstweiligen Verfügung nicht begehrt worden und daher nicht Gegenstand des Verfahrens sei. Daß die Verminderung des Entschädigungsbetrages wegen des Reingewinnes des Beklagten aus dem Verkauf der "Sternküsse" etwa 16 000 S mehr ausmache als der festgestellte Reingewinn, falle bei der Festsetzung des Entschädigungsbetrages gemäß § 273 ZPO nicht ins Gewicht. Hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Kosten bestätigte das Rekursgericht die Auffassung des Erstgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vorerst ist darauf zu verweisen, daß die Festsetzung des Ersatzbetrages nach § 394 EO in ein formloses, selbständiges Verfahren eigener Art (EvBl. 1951/425; 1 Ob 500/56; 4 Ob 343/77) verwiesen wurde, weil eine Berechnung des vom Gegner des Sicherungswerbers tatsächlich erlittenen Vermögensnachteiles regelmäßig nicht genau erfolgen kann, so daß von der Bestimmung des § 273 ZPO weitgehend Gebrauch gemacht werden muß, sofern nur feststeht, daß durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung überhaupt ein Vermögensnachteil eingetreten ist (Fasching III, 288; ÖBl. 1966, 46; SZ 23/224; 4 Ob 343/77). Bei der festzusetzenden Summe handelt es sich um einen einheitlichen Betrag, wobei die einzelnen Posten für dessen Ermittlung (z. B. der vermutliche Reingewinn, falls der Vertrieb der Ware nicht verboten worden wäre) regelmäßig nur Anhaltspunkte für die Anwendung des § 273 ZPO darstellen.

Daraus folgt zunächst, daß der Revisionsrekurs des Beklagten zulässig ist, weil das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes über einen einheitlichen Anspruch nicht vollständig bestätigte, sondern teilweise aufhob, so daß entsprechend den Grundsätzen des Jud. 56 neu (SZ 24/335) auch der bestätigende Teil der Rekursentscheidung mit Revisionsrekurs angefochten werden kann (SZ 39/90; SZ 25/224; ÖBl. 1975, 57 u. a.). Da es sich bei einem Ersatzanspruch nach § 394 EO um einen Anspruch eigener Art und nicht um einen Kostenersatzanspruch handelt, gilt auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs. 1 Satz 1 Z. 2 ZPO nur dann, wenn es sich ausschließlich um den Ersatz von Verfahrenskosten handelt (Heller - Berger - Stix, Komm. z. EO[4], 2863 f.; 3 Ob 177/75, 4 Ob 343/77 u. a.); solche sind aber nicht (mehr) Gegenstand des Revisionsrekurses des Beklagten. Er ist daher zulässig.

Er ist aber nicht berechtigt.

Es wurde bereits betont, daß die Festsetzung eines Entschädigungsbetrages nach § 394 EO regelmäßig eine weitgehende Anwendung der Bestimmung des § 273 ZPO notwendig macht, wonach das Gericht dann, wenn feststeht, daß einer Partei der Ersatz eines Schadens gebührt, der Beweis der zustehenden Beträge aber nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen ist, den Ersatzbetrag nach freier Überzeugung festzusetzen hat. Daraus folgt, daß in der Auffassung des Berufungsgerichtes, die Differenz von etwa 16 000 S zwischen dem Betrag, der sich nach Abzug des Reingewinnes des Beklagten aus dem Verkauf der "Sternküsse" von dem rechnerisch ermittelten entgangenen Gewinn wegen des Verbotes des Vertriebes von Schaumzuckerwaren in der beanstandeten Form ergibt, und jenem Betrag, um den dieser entgangene Gewinn des Beklagten wegen des Gewinnes aus dem Verkauf der "Sternküsse" vom Erstgericht tatsächlich gekürzt wurde, falle nicht ins Gewicht, ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden kann. Andererseits hat aber das Rekursgericht mit Recht darauf verwiesen, daß es bei der Bestimmung des dem Beklagten zustehenden Entschädigungsbetrages an sein Begehren gebunden ist und nicht darüber hinausgehen darf. Das gilt nicht nur für die Höhe des begehrten Betrages an sich, sondern auch in der Richtung, für welchen Vermögensnachteil und für welche Zeit der Beklagte eine Entschädigung haben will. Vermögensnachteile, die dem Beklagten dadurch entstanden seien, daß er den Vertrieb der durch das in der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Verbot betroffenen Waren nach Erlöschen dieses Verbotes erst nach einer entsprechenden Vorbereitungszeit und nur unter erhöhten Schwierigkeiten habe wieder aufnehmen können, hat der Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht. Er hat vielmehr den Zeitraum, für welchen er den Ersatz erlittener Vermögensnachteile begehrt, mit den etwa 27 1/2 Monaten zwischen Zustellung der einstweiligen Verfügung und Zustellung der Entscheidung des OGH in der Hauptsache eindeutig begrenzt. Das Rekursgericht war daher mit Recht der Auffassung, daß - die nunmehr vom Beklagten behaupteten - Vermögensnachteile außerhalb dieses Zeitraumes nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Der Beklagte wendet sich schließlich zu Unrecht gegen die Auffassung, daß ihm eine Umsatzsteuer vorn Entschädigungsbetrag nicht zuzusprechen sei.

Nach § 1 UStG 1972, BGBl. 223, unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Entscheidend für das Vorliegen eines Leistungsaustausches ist, ob Leistung und Entgelt im Verhältnis der Wechselbeziehung in einem inneren Zusammenhang und in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Zwischen den gegenseitigen Leistungen muß also eine innere Verknüpfung bestehen, die Zahlungen müssen davon abhängig sein und deshalb geleistet werden, daß der Zahlungsempfänger die von ihm erwartete Tätigkeit und Leistung vollbringt (Kranich - Siegl - Waba, Mehrwertsteuerhandbuch, 32).

Den Begriff des "Schadenersatzes" kennt das Umsatzsteuergesetz nicht. Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung richtet sich immer danach, ob der Leistung des Unternehmers eine Gegenleistung des Leistungsempfänger gegenübersteht, ob also ein Leistungsaustausch vorliegt. Beim echten Schadenersatz fehlt ein Leistungsaustausch. Wer einen solchen Schadenersatz gewährt, leistet nicht deshalb, weil er vom Schadenersatzempfänger eine Lieferung oder sonstige Leistung empfangen hat oder empfangen will, sondern aus anderen Gründen. Durchaus richtig ist allerdings, daß es nicht auf die Bezeichnung der Leistung, sondern auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge des Vorganges im Einzelfall ankommt (Kranich - Siegl - Waba a. a. O., 33; Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Komm. z. UStG, 63; VwSlg. 4081 F).

Gerade diese Betrachtungsweise führt aber im vorliegenden Fall dazu, in der Leistung des Entschädigungsbetrages nach § 394 EO keine umsatzsteuerpflichtige Leistung zu sehen. Dieser Entschädigungsbetrag wird nicht geleistet, weil oder damit der Empfänger den beanstandeten Vertrieb von Schaumzuckerwaren unterlasse. Diese Unterlassung erfolgte nicht als eine Leistung gegenüber der klagenden Partei, wofür sie ein Entgelt gewährte, sondern in Beachtung des von der klagenden Partei erwirkten gerichtlichen Auftrages. Auch die Entschädigung dafür, daß sich ihr Begehren nach Erlassung dieses Verbotes schließlich als unberechtigt erwies und der Beklagte dadurch einen Vermögensnachteil erlitt, ist auf Grund der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 394 EO zu leisten. Das Unterbleiben des verbotenen Vertriebes der beanstandeten Schaumzuckerwaren ist somit nur der Grund für die Berechtigung des Entschädigungsanspruches und die Grundlage für die Ermittlung seiner Höhe. Ein Leistungsaustausch zwischen den Parteien liegt ebensowenig vor wie bei einem - in diesem Punkt vergleichbaren - Ersatz der Prozeßkosten an die obsiegende Partei durch die unterlegene Partei (VwSlg. 2757 F).

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