Normen
ABGB §1320 Abs1
ABGB §1320
ABGB §1320 Abs1
ABGB §1320
Spruch:
Der Schutzzweck des § 1320 ABGB umfaßt auch Schäden, die im Zusammenhang mit der Abwehr des Angriffes eines Tieres stehen (Hier: Hund attackiert fahrendes Auto)
OGH 27. April 1978, 2 Ob 65/78 (KG Leoben R 13/78; BG Schladming C 262/77 )
Text
Der Kläger forderte, gestützt auf § 1320 ABGB, von den Beklagten einen Betrag von 7363.35 S samt Anhang.
Das Erstgericht sprach dem Kläger 798 S samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren von 6565.35 S samt Anhang ab.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne des Zuspruches von insgesamt 5307.90 S samt Anhang sowie Abweisung des Mehrbegehrens von 2055.45 S samt Anhang ab.
Der Oberste Gerichtshof gab weder der Revision der klagenden noch jener der beklagten Parteien Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der folgende Sachverhalt steht fest:
Der Kläger ist Halter eines PKW VW-Käfer sowie eines 3 1/2 Jahre alten deutschen Schäferhundes. Der Erstbeklagte ist Eigentümer eines 6jährigen Boxerhundes, welchen er seit vier Jahren bei seiner Mutter, der Zweitbeklagten, in Verwahrung hat. Für das Futter und die Hundesteuer kommt er auf, es ist aber zumeist die Zweitbeklagte, die mit dem Hund spazieren geht. Der Erstbeklagte tut dies nur dann, wenn er Zeit hat. Der Boxerhund hat noch keinen Menschen gebissen, er verträgt sich allerdings nicht mit Schäferhunden. Er hat sich, von der Zweitbeklagten an der Leine geführt, bereits mehrmals losgerissen, und zwar immer dann, wenn er Schäferhunde sah. Der Erstbeklagte wußte davon.
Am 16. Juni 1977 ging die 50 kg wiegende Zweitbeklagte mit dem 40 kg schweren Boxerhund an der Leine spazieren. Sie stand mit diesem gerade vor dem Postamt Schladming und sprach mit Sommergästen, als sich ein anderer Hund näherte. Der Boxer wollte auf diesen losgehen, worauf letzterer flüchtete. Der Boxer wollte daraufhin diesem nachlaufen, es gelang jedoch der Zweitbeklagten, ihn festzuhalten. Kurze Zeit später fuhr der Kläger mit seinem VW beim Postamt vorbei in der Absicht, zu dem hinter dem Postamtsgebäude liegenden Parkplatz zuzufahren. Den Beifahrersitz seines PKW hatte er entfernt, dort führte er seinen Hund mit. Die rechte Seitenscheibe seines VW hatte er wegen der herrschenden Hitze fast zur Gänze so weit heruntergekurbelt, daß ein Hund durch diese Öffnung in das Fahrzeuginnere springen hätte können.
Als der Boxer den im PKW des Klägers befindlichen Schäferhund wahrnahm, riß er sich von der Zweitbeklagten los, sprang gegen den fahrenden VW und zerkratzte die rechte Tür. Dadurch entstand ein Schaden von 798 S. Der Kläger fuhr zunächst in langsamen Tempo weiter, befürchtete jedoch nach einer Fahrtstrecke von etwa 50 m, daß der nach wie vor attackierende Boxer, der auch seinen Kopf durch das Fenster hereinstreckte und die Zähne fletschte, in das Fahrzeug springen und ihn beißen könnte. Dabei dachte er insbesondere auch an die im Gebiet von Schladming herrschende Tollwut. Er versuchte deshalb, während der Fahrt mit der rechten Hand die rechte Seitenscheibe hinaufzukurbeln, um damit dem Boxer ein Eindringen unmöglich zu machen. Dabei blickte er allerdings nicht nach vorne, so daß er im Zuge des versuchten Hinaufkurbelns die Herrschaft über sein Fahrzeug verlor und gegen einen entgegenkommenden Taxibus prallte. Dadurch entstand am PKW des Klägers ein weiterer Schaden von 9019.80 S (9817.80 S minus 798 S).
1. Zur Revision der Beklagten:
Die Beklagten bestreiten die Adäquanz des Verhaltens der Beklagten für den durch die Kollision mit dem Taxibus entstandenen Schaden. Durch die Beförderung des Hundes habe der Kläger gegen die Bestimmung des § 106 Abs. 1 KFG 1967 verstoßen, weil dadurch die Aufmerksamkeit des Lenkers beeinträchtigt und der Lenker auch sonst gefährdet worden sei. Jeder Hund und jedes sonstige Tier hätte den Schäferhund zum Bellen, zu unkontrollierbaren Bewegungen und schließlich zum Herausspringen aus dem geöffneten Wagenfenster veranlassen können. Mit einem solchen ungewöhnlichen und gesetzwidrigen Mitführen des Hundes durch den Kläger habe im praktischen Leben niemand rechnen müssen. Der Folgeschaden durch die Kollision mit dem anderen Fahrzeug habe sich nicht beim ersten Hinaufspringen des Hundes des Erstbeklagten ereignet, sondern, nachdem der Kläger mehr als 50 m zurückgelegt hatte und dann infolge Unachtsamkeit beim Hinaufkurbeln des Seitenfensters gegen das andere Fahrzeug geprallt war. Die Kausalkette sei durch dieses Verhalten des Klägers unterbrochen worden. Bei der Bemessung des Mitverschuldens des Klägers habe das Berufungsgericht die sich aus der Verletzung des § 106 Abs. 1 KFG resultierende Verschuldenskomponente außer acht gelassen. Gegenüber dem groben Verschulden des Klägers sei das geringfügige Mitverschulden der Beklagten zu vernachlässigen. Zum Losreißen des Hundes sei es nur durch die schwache Konstitution der Zweitbeklagten gekommen. Ursache für das Losreißen des Hundes sei aber die unsachgemäße und gesetzwidrige Beförderung des Schäferhundes durch den Kläger gewesen.
Nach der Lehre von der adäquaten Kausalität ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem eingetretenen Schaden nicht nur dann anzunehmen, wenn das Verhalten den eingetretenen Schaden unmittelbar verursacht hat. Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt vielmehr auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstehenden Schaden hinzugetreten ist und dieses Hinzutreten nicht außerhalb der allgemeinen menschlichen Erwartung steht. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht ganz außergewöhnlich ist (vgl. SZ 36/45; SZ 43/117; ZVR 1977/58 u. a.). Die Adäquanz des Kausalzusammenhanges ist objektiv und nicht danach zu beurteilen, was dem Schädiger subjektiv voraussehbar war (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, 110 nach Anm. 23; ZVR 1977/58 u. a.).
Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die Kollision eines PKW, der von einem kräftigen Hund wild attackiert und angesprungen wird, mit einem anderen Fahrzeug durchaus nicht einen Erfolg darstellt, der außerhalb jeglicher menschlicher Erfahrung und Voraussehbarkeit liegt und daher als atypischer Erfolg anzusehen wäre. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend begrundet, daß in der durch das Schließen des Fensters bewirkten Unaufmerksamkeit des Klägers, die dann zum Zusammenstoß mit dem anderen Kraftfahrzeug führte, keine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges erblickt werden kann, weil diese Maßnahme des Klägers lediglich im Zusammenhang mit der Abwehr des drohenden Angriffs des Hundes, der sich von der Leine losgerissen hatte, erfolgte. Inwiefern dem Kläger eine Verletzung der Vorschrift des § 106 Abs. 1 KFG 1967, der die Personenbeförderung regelt, durch das Mitnehmen eines Hundes, der angeblich die Aufmerksamkeit des Klägers beeinträchtigte, zur Last fallen soll, ist nicht verständlich, zumal schon der Wortlaut der genannten Bestimmung eine solche Auslegung ausschließt. Die zutreffende Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Schutzzweck des § 1320 ABGB auch Schäden umfaßt, die im Zusammenhang mit der Abwehr des Angriffes eines Tieres stehen, wird in der Revision nicht mehr bekämpft. Es kann auch nicht zweifelhaft sein, daß dem Erstbeklagten, der seinen 40 kg schweren Hund einer Person anvertraute, von der er wußte, daß sie auf Grund ihrer körperlichen Konstitution nicht in der Lage war, ein Losreißen des an der Leine geführten Tieres zu verhindern, der ihm nach § 1320 ABGB obliegende Beweis, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung des Hundes gesorgt habe ebenso mißlungen ist wie der Zweitbeklagten, die in Kenntnis des Umstandes, daß sie nicht in der Lage war, das Losreißen des Hundes zu verhindern, diesen im Ortszentrum in unmittelbarer Nähe einer verkehrsreichen Straße führte. In der Auffassung, daß die Beklagten auch an der Entstehung des durch die Kollision mit einem anderen Fahrzeug dem Kläger entstandenen Schaden ein Mitverschulden trifft, kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.
2. Zur Revision des Klägers:
Der Kläger wendet sich gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung und führt aus, ein Mitverschulden des Klägers sei zu verneinen, weil dieser im Zustand eines durch den Hund der Beklagten herbeigeführten Schockzustandes nicht dafür verantwortlich sei, wenn er im Zuge einer unmittelbar erforderlichen Abwehrmaßnahme, nämlich beim Hinaufkurbeln des Seitenfensters, teilweise die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe und mit einem anderen Fahrzeug zusammengestoßen sei.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht mit Recht dem Kläger, der, ohne auf den Verkehr zu achten, während des Schließens des Seitenfensters auf einer stark frequentierten Straße im Ortszentrum weitergefahren war, ein Mitverschulden an dem Zusammenstoß mit dem anderen Kraftfahrzeug angelastet, da von einem Kraftfahrzeuglenker verlangt werden muß, daß er auch unter dem Eindruck eines das Kraftfahrzeug angreifenden Hundes beim Schließen eines Seitenfensters, wenn er schon sein Fahrzeug nicht anhält, beim Weiterfahren seine Aufmerksamkeit so weit auf den übrigen Straßenverkehr konzentriert, daß Unfälle vermieden werden.
Bei Gegenüberstellung des den Beklagten einerseits und dem Kläger andererseits zur Last fallenden Fehlverhaltens kann aber in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.
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