Spruch:
Der Ersteher einer beweglichen Sache, der vor ihrer exekutiven Versteigerung durch eine unbedenkliche Urkunde darauf hingewiesen wurde, daß die Sache nicht Eigentum des Verpflichteten sei, erwirbt mangels Redlichkeit zwar nicht mit dem Zuschlag, aber dadurch Eigentum an der Sache, daß der bisherige Eigentümer den Versteigerungserlös beansprucht und übernimmt
OGH 9. November 1977, 1 Ob 706/77 (OLG Linz 5 R 7/77; KG Wels 1 Cg 654/74)
Text
Die Klägerin verkaufte der Landwirtin Anna S am 15. September 1972 einen Traktor Steyr 760 A Fahrgestell-Nr. 1105, Motor-Nr. 2611 samt Frontlader und Schaufel, wobei der (von der Klägerin mit 233 649.40 S bezifferte) Kaufpreis in Raten bezahlt werden sollte. Dieser Traktor wurde am 8. Mai 1974 im Exekutionsverfahren E 415/75 des Bezirksgerichtes St. Peter in der Au gepfändet und in öffentlicher Versteigerung am 5. Juni 1974 dem Beklagten als Ersteher zugeschlagen.
Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkenne, diesen Traktor samt Frontlader und Schaufel Zug um Zug gegen Bezahlung von 90 000 S herauszugeben. Sie habe sich bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises das Eigentum am Traktor vorbehalten und sei daher zur Zeit der Versteigerung noch Eigentümerin gewesen, da vom Kaufpreis noch ein Betrag von 169 737 S ausgehaftet habe. Der Beklagte sei als Ersteher nicht gutgläubig gewesen, weil ihm bekannt war, daß sich die Klägerin Eigentum vorbehalten habe. Er habe daher den Traktor gegen Vergütung des von ihm hiefür bezahlten Betrages herauszugeben.
Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen. Er habe im Wege der gerichtlichen Zwangsversteigerung gutgläubig Eigentum am Traktor erworben; der Anspruch der Klägerin auf die Sache habe sich mit dem Zuschlag an ihn in einen Anspruch auf den Versteigerungserlös verwandelt. Überdies sei der restliche, von Anna S geschuldete Kaufpreis durch den der Klägerin überlassenen Versteigerungserlös gedeckt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende Feststellungen: Beim Verkauf des Traktors behielt sich die Klägerin das Eigentum daran bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vor. Der Eigentumsvorbehalt ist auf dem Typenschein und sämtlichen Formularen ersichtlich gemacht. Die Pfändung wurde am 8. Mai 1974 durch den Vollstrecker des Bezirksgerichtes St. Peter in der Au auf dem Anwesen der Anna S im Beisein des Vertreters der betreibenden Partei Sparkasse des Marktes L, Rechtsanwalt Dr. Z, vollzogen. Die Verpflichtete war abwesend, die Exekutionsbewilligung wurde ihr am Abend desselben Tages zugestellt. Die Verpflichtete war dem Vollstrecker bereits aus früheren Exekutionsverfahren bekannt. Im Jahre 1974 hatte er bei ihr in der Regel keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden. Bei der Pfändung erwähnte der Sohn der Verpflichteten, daß der Traktor noch im Eigentum der Lieferantin stehe. Der Vollstrecker beurkundete den angeblichen Eigentumsvorbehalt im Pfändungsprotokoll und wies die Verpflichtete bei der Zustellung der Exekutionsbewilligung am Abend desselben Tages und auch anläßlich späterer Interventionen darauf hin, daß sie den angeblichen Eigentümer, also die Klägerin, von der Pfändung verständigen müsse. Vor dem für den 5. Juni 1974 angesetzten Versteigerungstermin begab sich der Vollstrecker zu Anna S in der Annahme, daß ihm möglicherweise eine Ermächtigung zur Exekutionseinstellung nachgewiesen werde. Da dies nicht der Fall war, kehrte er zum Gericht zurück. Als er wegfuhr, kamen der Beklagte, Hubert H, Karl G und Walter K zum Anwesen der Verpflichteten. Der Beklagte war von Hubert H auf die Versteigerung aufmerksam gemacht worden, weil dieser Aussteller mehrerer von der Verpflichteten akzeptierter Wechsel war, die die Sparkasse L innehatte, weshalb er daran interessiert war, daß diese als betreibende Partei zu ihrem Geld komme. Da der geschiedene Mann der Verpflichteten behauptete, die Versteigerung finde nicht statt, begaben sich Hubert H, Karl G, Walter K und der Beklagte nach Seitenstetten, wo sie feststellten, daß das Versteigerungsedikt noch angeschlagen war. Sie fuhren daraufhin zum Anwesen der Anna S zurück. Da beim Bezirksgericht St. Peter in der Au keine Einstellungserklärung eingetroffen war, begab sich der Vollstrecker zum Anwesen der Anna S zurück und eröffnete in Anwesenheit des Beklagten und seiner drei Begleiter die Versteigerung. Er machte sie alle zu Beginn der Versteigerung nachdrücklich darauf aufmerksam, daß der zu versteigernde Traktor noch Eigentum der Klägerin sei, weil er von der Verpflichteten unmöglich zur Gänze bezahlt sein konnte. Er wies ferner darauf hin, daß unter solchen Umständen von einem gutgläubigen Erwerb nicht gesprochen werden könne. Der geschiedene Ehegatte der Verpflichteten legte daraufhin zum Beweis für den Eigentumsvorbehalt der Klägerin ein Schriftstück, entweder den Kaufvertrag oder eine Ratenvereinbarung mit der Klägerin, vor. Der Vollstrecker erklärte daraufhin dem Beklagten und seinen Begleitern, daß sie zumindest damit rechnen müßten, daß die Klägerin die Herausgabe des Kaufpreises verlangen werde. Der Beklagte und seine Begleiter äußerten, daß sie mit Rechtsanwalt Dr. Z sprechen wollten, worauf der Vollstrecker die Versteigerung unterbrach und sich entfernte. Hubert H, Karl G, Walter K und der Beklagte fuhren sodann nach Seitenstetten, von wo aus Hubert H den Vertreter, Rechtsanwalt DR. Z, in dessen Privatwohnung anrief. Er fragte ihn u.
a. was nun geschehen solle, weil die Verpflichtete behauptet habe, der Traktor stehe noch im Eigentum der Klägerin, und der Vollstrecker die Versteigerung unterbrochen habe. Nachdem sich der Beklagte, seine drei Begleiter und der Vollstrecker wieder zum Anwesen der Anna S zurückbegeben hatten, wurde die Versteigerung fortgesetzt. Der Beklagte bestand auf der Durchführung des Verkaufes und der Traktor wurde ihm zum halben Schätzwert um 90 000 S zugeschlagen. Seitens der betreibenden Partei wurde dann das Eigentum der Klägerin anerkannt und dieser auf ihr Verlangen der Versteigerungserlös vom Gericht zugewiesen. Der Kaufpreis des Traktors ist (auch unter Berücksichtigung des Erlöses) noch nicht vollständig bezahlt.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin gehend, daß der Beklagte beim exekutiven Erwerb nicht gutgläubig gewesen sei, weil er vom Vollstrecker und vom geschiedenen Gatten der Verpflichteten auf den bestehenden Eigentumsvorbehalt nachdrücklich aufmerksam gemacht worden sei. Die Klägerin könne ungeachtet des Umstandes, daß ihr der Versteigerungserlös zugekommen sei, als Eigentümerin die Herausgabe des Traktors verlangen.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50 000 S übersteigt. Das Berufungsgericht fand das erstinstanzliche Verfahren mangelfrei und die Beweiswürdigung zutreffend. Es billigte auch die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Erstgericht.
Über Revision des Beklagten änderte der Oberste Gerichtshof die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß er das Klagebegehren abwies.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Auszugehen ist davon, daß dem Beklagten im Zuge des Versteigerungsverfahrens zur Kenntnis gebracht wurde, daß die zu versteigernde Sache Eigentum der Klägerin sei. Der Beklagte wurde auf diesen Umstand nach den getroffenen Feststellungen sowohl vom Vollstreckungsbeamten als auch von dem im Versteigerungstermin anwesenden geschiedenen Gatten der Verpflichteten hingewiesen, der auch einen urkundlichen Nachweis vorlegte. § 367 ABGB schützt - auch beim Erwerb in exekutiver Versteigerung - nur den redlichen Erwerber einer beweglichen Sache (Klang in Klang[2] II, 223, 224; Neumann - Lichtblau[4], 1771; SZ 22/121). Die Redlichkeit bestimmt sich nach § 368 ABGB. Redlich ist demnach nur, wer den Veräußerer aus wahrscheinlichen Gründen für den Eigentümer halten konnte, wobei schon leichte Fahrlässigkeit schadet (Klang a. a. O., 223; Koziol - Welser, Grundriß[3] II, 59). Bei der gegebenen Sachlage hat der Beklagte Eigentum am gegenständlichen Traktor zunächst nicht erworben, weil er vor dem exekutiven Erwerb in glaubhafter Weise auf den Eigentumsvorbehalt der Klägerin hingewiesen wurde. Der Umstand allein, daß die betreibende Partei trotzdem auf Durchführung der Versteigerung beharrte und diese auch tatsächlich durchgeführt wurde, war keineswegs geeignet, die Bedenken hinsichtlich des fehlenden Eigentums der Verpflichteten zu beseitigen (GlUNF 1600).
Der vorliegende Fall ist nun dadurch besonders gestaltet, daß die Klägerin durch Erklärung gegenüber dem Exekutionsgericht den Versteigerungserlös in Anspruch genommen und mit Zustimmung der betreibenden Partei (im Hinblick auf den nachgewiesenen Eigentumsvorbehalt) auch beschlußmäßig zugewiesen erhalten hat. Der zugewiesene Betrag deckte freilich die Forderung der klagenden Partei nicht vollständig, so daß der Eigentumsvorbehalt nicht schon wegen vollständiger Befriedigung der Forderung durch Zwangszahlung (vgl. Bydlinski in Klang[2] IV/2, 619) zum Erlöschen gebracht wurde. Schon in der Entscheidung SZ 10/224 wurde aber ausgesprochen, daß der Eigentümer, der den Erlös einer ihm gehörigen, als Eigentum der verpflichteten Partei versteigerten Sache übernommen hat, die Ausfolgung der Sache selbst nicht mehr begehren könne. Diese Entscheidung wurde von Klang a. a. O., 227 FN 8 abgelehnt, weil nicht einzusehen sei, warum der Eigentümer nicht befugt sein solle, bei Rückstellung des Erlöses die Herausgabe der Sache zu begehren. Dieser Rechtsansicht folgten auch die Vorinstanzen. Klang hat aber für die Ablehnung der Entscheidung SZ 10/224 keine weitere Begründung gegeben. Es muß aber das Begehren der Klägerin auf Zuweisung des Versteigerungserlöses im Zusammenhalt mit der in der Folge erfolgten beschlußmäßigen Zuweisung als Genehmigung der Verfügung über ihr Eigentum durch Vorteilszuwendung (analog § 1016 ABGB) qualifiziert werden. Der Klägerin stand es bei der gegebenen Sachlage frei, ihr Eigentum (wegen Schlechtgläubigkeit des Erstehers) weiterzuverfolgen oder aber statt dessen Anspruch auf das an Stelle des versteigerten Gegenstandes getretene Surrogat, nämlich den Versteigerungserlös, zu erheben. Sie durfte aber nicht den Erlös für sich in Anspruch nehmen, also im Ergebnis diesen exszindieren und gleichzeitig ihr Eigentum weiterverfolgen. Das Verhalten der Klägerin kann nicht anders denn als Verfügungsgenehmigung gedeutet werden.
Bei dieser Sachlage kann aber dem Begehren der Klägerin auf Ausfolgung des unter Eigentumsvorbehalt verkauften Gegenstandes (wenn auch Zug um Zug gegen Bezahlung des erhaltenen Erlöses) kein Erfolg beschieden sein.
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