OGH 1Ob415/49

OGH1Ob415/497.9.1949

SZ 22/121

Normen

ABGB §367
EO §§264 ff
ZPO §27
ZPO §477 Abs1 Z5
ABGB §367
EO §§264 ff
ZPO §27
ZPO §477 Abs1 Z5

 

Spruch:

Beim Erwerb einer beweglichen Sache im Wege der öffentlichen Versteigerung bezieht sich das Erfordernis des guten Glaubens nur auf die Frage, ob dem Ersteher bekannt war, daß die ersteigerte Sache nicht dem Verpflichteten gehört hat.

Die Wirksamkeit einer exekutiven Versteigerung ist ein objektives Tatbestandserfordernis, dessen Mangel trotz Gutgläubigkeit des Erwerbers den Eigentumserwerb hindert.

Wirkungslos ist eine Versteigerung nur dann, wenn a) die funktionelle Zuständigkeit des die Versteigerung anordnenden Organs gefehlt hat, b) die bevorstehende Versteigerung nicht ordnungsgemäß angekundigt worden ist oder c) die Versteigerung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Entscheidung vom 7. September 1949, 1 Ob 415/49.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Berufungsgericht hat in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Beklagten schuldig erkannt, der Klägerin die im Urteilsspruch angeführten Sachen herauszugeben, die der Beklagte in dem gegen die Klägerin durchgeführten Exekutionsverfahren beim Bezirksgericht St. Pölten am 31. Dezember 1945 ersteigert hat. Die Begründung führt aus, daß der Exekutionstitel nichtig gewesen ist, weil die Klägerin im Prozeßverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei, da das Prozeßgericht entgegen den Bestimmungen des § 27 Abs. 1 ZPO. statt eines Rechtsanwaltes einen gewissen Karl Z. zum Abwesenheitskurator bestellt habe, wobei das Prozeßgericht überdies nur zur Bestellung eines Prozeßkurators und nicht eines Abwesenheitskurators zuständig gewesen wäre. Infolgedessen sei die Klägerin in dem Prozeßverfahren, in dem über Anerkennung der eingeklagten Forderung durch Z. bei der ersten Tagsatzung ein Anerkenntnisurteil gefällt wurde, überhaupt nicht vertreten gewesen. Dieses Anerkenntnisurteil sei mit dem Nichtigkeitsgrunde des § 477 Z. 5 ZPO. behaftet und könne daher von einer Rechtskraft des Urteiles mangels einer rechtsgültigen Zustellung nicht gesprochen werden.

Auch an dem Exekutionsverfahren sei die Klägerin nicht beteiligt gewesen. Ein Vertreter für die Verpflichtete (Klägerin im vorliegenden Prozeß) sei nicht bestellt worden; der die Exekution bewilligende Richter habe sich damit begnügt, die Zustellung der Mobiliarexekutionsbewilligung an den bestellten Abwesenheitskurator Z. beim Vollzuge zu verfügen, überdies sei aus dem Akte gar nicht ersichtlich, ob die Exekutionsbewilligung dem Z. zugestellt wurde, es sei lediglich ersichtlich, daß er ein Versteigerungsedikt erhalten habe. Die Exekutionsbewilligung sei daher nicht in Rechtskraft erwachsen. Die vor Rechtskraft vorgenommene exekutive Versteigerung sei daher unzulässig und die Versteigerung daher nicht rechtswirksam gewesen. Da der Beklagte zur Zeit der Vornahme der Exekution gewußt hat, daß die Verpflichtete in Salzburg, K.Allee, gewohnt hat, so sei er nicht als gutgläubig im Sinne des § 367 ABGB. anzusehen. Das Berufungsgericht kommt daher zu dem Schlusse, daß bei Vorliegen aller dieser Mängel von einer ordnungsgemäßen Durchführung der Versteigerung nicht gesprochen werden könne. Da es an einer ordnungsmäßigen Durchführung der Versteigerung fehle, so könne sie auch nicht als Voraussetzung für den Eigentumserwerb im Sinne des § 367 ABGB. angesehen werden. Beklagter habe daher kein Eigentum an den eingeklagten Sachen erworben.

Dieses Urteil wurde vom Beklagten mit dem Revisionsgrunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache angefochten.

Der Oberste Gerichtshof stellte das erstrichterliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Falle des exekutiven Erwerbes deckt die Gutgläubigkeit des Erwerbers nur den Mangel des Eigentums des Verpflichteten, nicht aber die Unwirksamkeit des Verfahrens; die Wirksamkeit der exekutiven Versteigerung ist vielmehr ein objektives Tatbestandserfordernis, dessen Mangel trotz Gutgläubigkeit des Erwerbers den Eigentumserwerb hindert. Da im vorliegenden Fall gar nicht bestritten ist, daß die versteigerten Sachen Eigentum der Klägerin, der damaligen Verpflichteten, gewesen sind, so scheidet die Frage der Gutgläubigkeit im Sinne des § 367 ABGB. überhaupt aus. Es ist daher rechtlich bedeutungslos, ob der Beklagte vor dem Versteigerungstermin Kenntnis von dem Aufenthalt der Klägerin hatte und ob ihm die vom Berufungsurteil festgestellten Mängel des Exekutionsverfahrens und des ihm vorangegangenen Prozeßverfahrens bekannt waren.

Es ist deshalb nur zu untersuchen, ob diese Verfahrensmängel die Unwirksamkeit der exekutiven Versteigerung zur Folge hatten. Das muß aber verneint werden. Die Nichtigkeit des Exekutionstitels bewirkt nicht die Unwirksamkeit der durchgeführten Mobiliarexekution. Läßt der Verpflichtete die Exekutionsbewilligung in Rechtskraft erwachsen, so kann die Wirksamkeit der Versteigerung nicht mehr nachträglich deshalb in Frage gestellt werden, weil kein oder kein wirksamer Exekutionstitel vorhanden war.

Eine Verfügung ist aber auch dann nicht wirkungslos, wenn die Formmäßigkeit der Verfahrensprozedur nicht eingehalten worden ist und ein Versteigerungsverfahren durchgeführt worden ist, obwohl nicht alle gesetzmäßigen Voraussetzungen gegeben waren, insbesondere weil die Exekutionsbewilligung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Wirkungslos ist eine Versteigerung nur dann, wenn a) die funktionelle Zuständigkeit des die Versteigerung anordnenden Organs gefehlt hat, b) die bevorstehende Versteigerung nicht ordnungsgemäß angekundigt worden ist, c) die Versteigerung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Nur dann, wenn keines dieser drei Elemente fehlt, kann der Ersteher durch die hinzutretende Übergabe Eigentum erwerben (SZ. VI/228). Alle anderen Verfahrensmängel aber berühren die Eigentumsübertragung nicht, da sie den Versteigerungsakt nicht wirkungslos machen.

Da keiner der hier angefochtenen Mängel vom Berufungsgericht festgestellt wurde, hat der Beklagte trotz der dem Exekutionsverfahren anhaftenden Verfahrensmängel das Eigentum an den ersteigerten Sachen erworben. Jede andere Auslegung der Gesetze wäre wirtschaftlich untragbar, weil, wie bereits in SZ. VI/228 zutreffend betont worden ist, niemandem zugemutet werden kann, bei einer von dem dazu besorgten öffentlichen Organ ordnungsgemäß angekundigten und durchgeführten Versteigerung nachzuforschen, ob auch alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Der Oberste Gerichtshof hält daher an den in SZ. VI/228 ausgesprochenen Grundsätzen mit der Einschränkung fest, daß es bei Nichtvorliegen der oben angeführten drei Wirksamkeitsvoraussetzungen der Versteigerung nicht darauf ankommt, ob dem Ersteher die Wirkungslosigkeit ihrer Anordnung bekannt war oder nicht.

Bei dieser Rechtslage war das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

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