OGH 5Ob602/77

OGH5Ob602/775.7.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fa. S*, Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Fa. A*, Handelsgesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Karl Dieter Zessin, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 13.641,46 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 29. März 1977, GZ R 101/77‑26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 27. Jänner 1977, GZ C 1006/76‑18 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00602.77.0705.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.732,96 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 110,56 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte mit der am 21. April 1976 eingebrachten Klage die Bezahlung von Frachtkosten und Hilfsleistungen bei einem am 28. Juli 1975 durchgeführten Möbeltransport von A*, BRD, nach W*. Der eingeschränkte Klagsbetrag von S 13.641,46 beruht auf der Rechnung vom 18. August 1975 (Beilage II). Die Ware sei der beklagten Partei ordnungsgemäß übergeben und der Erhalt bestätigt worden. Da die beklagte Partei Kaufmann sei, gelten für sie die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen als Handelsbrauch. Der Klagsanspruch werde subsidiär auf den Rechtsgrund der Bereicherung und auf § 354 HGB gestützt.

Die beklagte Partei wendete demgegenüber ein, daß sie der Klägerin weder ausdrücklich noch stillschweigend einen Speditions- oder Verfrachtungsauftrag erteilt habe. Die Klägerin sei vermutlich auf Grund eines Auftrages der Firma J* in U* tätig geworden.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei S 13.641,46 samt 5 % Zinsen seit 19. August 1975 zuzüglich 18 % Mehrwertsteuer aus den Zinsen zu und wies das auf weitere 12 % Zinsen gerichtete Mehrbegehren unbekämpft ab. Seinen Feststellungen zufolge transportierte die Firma K*, Internationale Spedition in L*, für den Absender O* Gesellschaft *, verschiedene gebrauchte Büromöbel zur beklagten Partei nach W*. Die Klägerin ist Subspediteur der Firma K* und verzollte für diese die Waren an der Grenze, wobei S 5.490,-- ausgelegt wurden. Zwischen der Firma K* und der klagenden Partei besteht ein Übereinkommen, wonach diese bei von ihr vorgenommenen Verzollungen für österreichische Empfänger auch die Rechnung erstellt. Die Klägerin hat Inkassovollmacht für die Firma K*. In der am 18. August 1975 erstellten Rechnung für den am 28. Juli 1975 erfolgten Möbeltransport sind S 5.490,-- an Verzollungskosten und S 5.656,-- an Frachtkosten der Firma K* enthalten. Der Restbetrag betrifft die Speditionskosten der Klägerin. Die beklagte Partei hat die Möbelstücke in Empfang genommen.

Wer den Auftrag für die Speditions- und Frachtleistungen der klagenden Partei bzw der Firma K* gegeben hat, lasse sich nicht feststellen.

Das Erstgericht erachtete auf der Grundlage dieses Sachverhaltes den Klagsanspruch als berechtigt, weil nach § 34 a der Allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen die Annahme des Gutes den Empfänger zur sofortigen Zahlung der darauf ruhenden Kosten einschließlich der Nachnahmen verpflichte und die Fracht- und Speditionskosten nicht direkt bei der Ablieferung der Ware bei der beklagten Partei eingehoben worden seien. Da die Beklagte die Waren in Empfang genommen und deren Erhalt auch bestätigt habe und ihr daher die Leistung der Klägerin und der Firma K*, für die die klagende Partei Inkassovollmacht habe, zugutekomme, sei die Klägerin auch nach § 1431 ABGB berechtigt, von der Beklagten den angemessenen Lohn zu verlangen. Der Zinsenzuspruch beruhe auf dem § 354 HGB.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil, dessen Feststellungen unbekämpft geblieben waren, im Sinne der vollständigen Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sei davon auszugehen, daß die Beklagte nicht Auftraggeberin gewesen und weder zur Firma K* noch zur Klägerin in irgendwelchen vertraglichen Beziehungen im Zusammenhang mit dem Möbeltransport gestanden sei. Sie habe lediglich die an ihre W* Anschrift transportierten Möbel in Empfang genommen. Dabei sei von ihr keine Zahlung begehrt worden. Die Klägerin habe weder behauptet noch bewiesen, daß bei Übergabe des Gutes der von ihr im gegenständlichen Verfahren vorgelegte Frachtbrief (Beilage I) der Beklagten ausgehändigt worden sei. Diesem sei überdies im Bezug auf eine Zahlungspflicht nur zu entnehmen, daß der Transport „unfrei ab A*“ erfolgt sei, ohne daß im Frachtbrief das Entgelt für die von der Firma K* oder der Klägerin erbrachten Leistungen angeführt sei. Die Rechnung mit den aufgeschlüsselten einzelnen Leistungen sei der Beklagten erst drei Wochen später übersandt worden.

Den AöSp, auf deren § 34 lit a das Klagebegehren in erster Linie gestützt sei, komme gegenüber den Kunden der Spediteure keine normative Kraft zu. Es bedürfe vielmehr eines besonderen Tatbestandes, der ihre Anwendung im Einzelfall auslöse. Sie könnten ausdrücklich vereinbart werden. Es könne aber auch zu einer stillschweigenden Unterwerfung unter die Spediteurbedingungen kommen. Die Klägerin habe aber weder behauptet noch bewiesen, daß die Anwendung der AÖSp ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden sei. Maßgebend sei, daß zwischen der Firma K* und der Klägerin einerseits und der Beklagten andererseits keine Rechtsbeziehungen bezüglich des Möbeltransportes bestanden hätten. Allein durch die Annahme der Ware komme zwischen dem Spediteur und dem Empfänger, der nicht Auftraggeber sei, kraft Gesetzes kein Rechtsverhältnis zustande, das den Empfänger zur Zahlung der auf den Gut lastenden Kosten verpflichte. Auch dem § 34 AÖSp sei nur die Verpflichtung zu einer solchen Zahlung zu entnehmen, wenn sie sofort bei der Übergabe der Ware begehrt werde. Dies sei aber nicht geschehen. Es sei auch weder behauptet noch festgestellt worden, daß die Beklagten dem tatsächlichen Auftraggeber oder der Firma K* der Klägerin gegenüber die Haftung für diese Kosten übernommen hätte. Sie habe vielmehr bei Übernahme der Ware annehmen können, daß zwischen der Klägerin und ihrem Auftraggeber bezüglich der Zahlung dieser Kosten eine Regelung zustandegekommen sei.

Das Klagebegehren könne mangels Aushändigung und Übernahme des Frachtbriefes durch die Beklagte auch nicht auf § 436 HGB gestützt werden. Ebenso im Hinblick auf die maßgebenden besonderen Bestimmungen über das Fracht- und Speditionsgeschäft nicht auf die Vorschrift des § 354 HGB. Schließlich gehe auch die Berufung auf den Rechtsgrund der Bereicherung fehl, weil die Klägerin den tatbestandwesentlichen Sachverhalt der §§ 1435, 1041 ABGB weder behauptet noch bewiesen habe.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen nach § 503 Z 2 und 4 ZPO mit den Revisionsanträgen, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben, in eventu das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Im Rahmen der allseitigen Prüfung der Rechtslage ist wahrzunehmen, daß für den klagsgegenständlichen Transport von A* nach W* das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl 138/1961, anzuwenden ist, das als völkerrechtliches Übereinkommen durch Ratifikation nationales Recht geworden ist und ohne Rücksicht auf den Wohnort und die Staatsangehörigkeit der Parteien grundsätzlich für alle Transporte im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr von und nach Österreich gilt (Art 1 Abs 1). Daß es sich um Umzugsgut handelte, wurde nicht behauptet und ist nicht hervorgekommen (Art 1 Abs 4 lit c). Demnach treffen den Empfänger des Frachtgutes, auch wenn er nicht Partei des Beförderungsvertrages ist, ebenso wie nach § 436 HGB Pflichten, sobald er die Rechte des Empfängers geltend macht. Nach Art 13 Abs 2 CMR hat der Empfänger, der sein Recht auf Auslieferung des angekommenen Gutes und Übergabe der zweiten, das Gut begleitenden „Originalausfertigung“ (Art 5 Abs 1) des Frachtbriefes gegen Empfangsbestätigung geltend macht, den Gesamtbetrag der aus dem Frachtbrief hervorgehenden Kosten zu bezahlen. Dementsprechend schreiben die Art 6 Abs 1 lit i und 6 Abs 2 lit b und c CMR vor, daß der Frachtbrief die Angabe der mit der Beförderung verbundenen Kosten (Fracht, Nebengebühren, Zölle und andere Kosten, die vom Vertragsabschluß bis zur Ablieferung anfallen), allenfalls Angaben über die Kosten, die der Absender übernimmt und über den Betrag einer bei der Ablieferung des Gutes einzuziehenden Nachnahme enthalten muß. Wie das Berufungsgericht aber zutreffend dargelegt hat, hat die Klägerin weder behauptet noch bewiesen, daß bei Übergabe des Gutes der von ihr im gegenständlichen Verfahren vorgelegte Frachtbrief (Beilage I) der Beklagten ausgehändigt worden sei. Überdies ist diesem Frachtbrief in Bezug auf eine Zahlungspflicht nur zu entnehmen, daß der Transport „unfrei ab A*“ erfolgt sei, ohne daß im Frachtbrief das Entgelt für die von der Firma K* und der Klägerin erbrachten Leistungen in der vorgeschriebenen Weise angeführt wurde. Der Wortlaut des Art 13 Abs 2 CMR, wonach der Gesamtbetrag, der „aus dem Frachtbrief hervorgehenden“ Kosten zu zahlen ist, schließt es auch aus, daß nicht ausdrücklich genannte andere Bestimmungen oder Tarife die Zahlungsverpflichtung beeinflussen. Die Bestimmungen der CMR sind nach Art 41 Abs1 zwingender Natur und daher abweichende Vereinbarungen über die Rechte des Frachtführers gegenüber dem Empfänger nach Art 13 ausgeschlossen (Muth, Leitfaden zur CMR3, 123; SZ 46/95, 5 Ob 242/73).

Wenn die Revisionswerberin darauf hinweist, daß nach den Feststellungen der Untergerichte bei der ordnungsgemäßen Übergabe des gelieferten Gutes der beklagten Partei gleichzeitig der Frachtbrief übergeben worden sei, so liegen derartige Feststellungen nicht vor. Die Revision ist daher diesbezüglich nicht dem Gesetze entsprechend ausgeführt worden. Es liegt aber auch keine, für die Revisionswerberin, die im erstinstanzlichen Verfahren obsiegt hat, zulässige Rüge der entgegenstehenden untergerichtlichen Feststellungen vor.

Im Hinblick auf diese Rechtslage können die an sich zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes über § 34 a AÖSp, auf welche Bestimmung der Klagsanspruch in erster Linie gestützt wurde, außer Betracht bleiben, zumal den Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen gegenüber den Kunden der Spediteure keine normative Kraft zukommt und des diesbezüglich einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung bedarf. Dementsprechend fehlt es auch an einer Grundlage für die von der klagenden Partei weiters in Anspruch genommenen Rechte gemäß §§ 412, 436 HGB, weil der Empfänger erst durch die Annahme des Gutes und des Frachtbriefes verpflichtet wird, dem Frachtführer nach Maßgabe des Frachtbriefs Zahlung zu leisten.

Es trifft zwar zu, daß der Entgeltsanspruch für Geschäftsbesorgungen und Dienstleistungen eines Kaufmannes im Sinne des § 354 HGB nicht auf die Erfüllung einer Vertragspflicht oder die Abwicklung eines bestehenden Rechtsverhältnisses beschränkt ist, sondern auch die auftragslose Geschäftsführung umfaßt (Hämmerle, Handelsrecht2, Band III, 16). Dem festgestellten Sachverhalt läßt sich aber nicht entnehmen, daß eine auftragslose Geschäftsführung der klagenden Partei vorliegt, sondern nur, daß die beklagte Partei nicht Auftraggeberin war.

Demnach kann auch der subsidiär geltend gemachte Bereicherungsanspruch der klagenden Partei nicht zum Erfolge führen. Zweck der diesbezüglichen Bestimmungen der §§ 1451 bis 1457 und 1041 ABGB ist es, ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen oder auszugleichen. Ein rechtfertigender Grund ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Wertbewegung in Erfüllung eines Schuldverhältnisses stattgefunden hat (vgl. Koziol‑Welser, GrundrißI, 310). Von einem derartigen Vertragsverhältnis ist aber auszugehen, weil beim Speditions- bzw Frachtgeschäft grundsätzlich der Absender als Auftraggeber und Kontrahent des Spediteurs bzw Frachtführers auftritt. Damit fehlt es aber auch an der berechtigten Geltendmachung eines Bereicherungsanspruches der klagenden Partei.

Da es dementsprechend einer Überprüfung der Angemessenheit der später in Rechnung gestellten Summe nicht bedurfte, kann auch der gerügte Verfahrensmangel nicht wahrgenommen werden.

Der unbegründeten Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO

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