Spruch:
Der Werkvertrag auf Herstellung eines Kanals begrundet die vertragliche Schutzpflicht des Unternehmers zugunsten der Telegraphenverwaltung, ein bereits bekanntes, freigelegtes Kabel beim Zuschütten nicht zu beschädigen
OGH 30. Juni 1977, 7 Ob 595/77 (OLG Innsbruck 5 R 42/77; LG Feldkirch 4 Cg 2898/75)
Text
Im Mai und Juni 1973 errichtete die Beklagte eine Kanalverbindung, deren 3.5 bis 4 m tiefer Kanalgraben etwa im rechten Winkel die Fernmeldekabeltrasse der Post- und Telegraphenverwaltung mit dem zirka 80 cm bis 1 m tief unter dem Erdboden liegenden Koaxialkabel Nr. 53 b querte. Verantwortlicher Bauleiter dieser Baustelle der Beklagten war Erich H; als Polier der Baustelle war Sepp M tätig.
Mit ihrer Klage begehrt die Republik Österreich von der Beklagten die Bezahlung von 162 053 S samt 4% Zinsen seit 31. Mai 1974. Die Beklagte habe das Wiederauffüllen der Baugrube ohne Beiziehung eines Organes des zuständigen Telegraphenbauamtes vorgenommen. Dabei sei durch ein Kantholz eine Quetschung des Koaxialkabels erfolgt, durch die am 4. Juli 1973 eine Störung der Fernsprechverbindungen aufgetreten sei. Durch diese Kabelbeschädigung sei der Klägerin ein Schaden in der Höhe des Klagebetrages entstanden. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, daß weder sie noch ihre Angestellten an dem eingetretenen Schaden ein Verschulden treffe. Die Arbeiten seien von einem Polier geleitet worden, der als absolut tüchtig und verläßlich gelte.
Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens. Nach seinen Feststellungen verständigte der Bauleiter Erich H vor den Grabungsarbeiten das Telegraphenbauamt F., das Dipl.-Ing. C zur Baustelle entsandte, der auch beim Öffnen des Grabens im Bereich des Koaxialkabels anwesend war. Der Verlauf dieses Kabels war in dem von Dipl.-Ing. C mitgebrachten Plan ersichtlich. Beim Ausbaggern des Kanalgrabens wurde das Kabel nicht beschädigt, da in dessen engerem Bereich mit der Hand gegraben wurde. Der Kanalgraben wurde in zwei Schichten mit Kanthölzern mit einem Querschnitt von etwa 5 X 8 cm gepölzt, und zwar etwa 50 bis 60 cm oberhalb der Aushubsole und dann noch einmal zirka 1 m unter der Erdoberfläche. Nach dem Freilegen des Koaxialkabels entfernte sich Dipl.-Ing. C, nachdem er dem Polier Sepp M gesagt hatte, daß das Telegraphenbauamt vor dem Schließen des Grabens wieder verständigt werden müsse. Es sollte nämlich wieder ein Außenbeamter des Telegraphenbauamtes für die Schließung beigestellt werden. Nach dem Einlegen der Kanalrohre wurde aber der Graben wieder aufgefüllt, ohne daß vorher das Telegraphenbauamt in F von dessen Schließung verständigt worden wäre. Das zum Pölzen verwendete Holz sollte bei einer in der Nähe befindlichen Baustelle wieder Verwendung finden. Das Erdreich wurde in den Kanalgraben schichtenweise eingeschüttet und mit einer Rüttelplatte verdichtet, die Sepp M selbst bediente. Etwa zwei Meter unterhalb des Kabels der Post konnte mit der Rüttelplatte noch ungehindert gearbeitet werden. Dann wurde das Erdreich bis zur Höhe des Kabels wieder aufgefüllt, und zwar in dessen Bereich mit der Hand. Dieses Erdreich wurde wieder mit einer Rüttelplatte bis zum Kabel verdichtet. In der Nähe des Kabels wurde das Erdreich mit der Hand verdichtet und das Koaxialkabel in ein Sandbett gelegt. Über dem Kabel kamen Abdeckziegel zu liegen. Beim Auffüllen des Kanalgrabens kam ein zum Pölzen verwendetes Kantholz direkt senkrecht stehend unter dem Koaxialkabel zu liegen. Nachdem das Kabel im Sand gebettet und mit Ziegeln abgedeckt worden war, wurde der restliche Graben mit einem Bagger zugeschüttet. Am 4. oder 5. Juli 1973 trat am Koaxialkabel Nr. 53 b eine Störung auf, das infolge der Senkung des Erdreiches durch das zurückgebliebene Kantholz gequetscht worden war. Das Kabel war außerdem nicht ordnungsgemäß und sorgfältig genug eingebettet. Der Klägerin entstand durch die Beschädigung des Kabels ein Schaden von 162 053 S. Sepp M ist seit 25 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und seit 15 Jahren als Baupolier tätig. Er gilt als verläßlich und leitete als Polier schon mehrere Baustellen, bei denen Kabel gequert wurden. Auch der seit acht Jahren bei der Beklagten als Bauleiter tätige Erich H gilt als verläßlich. Vorher war dieser bei der Beklagten Lehrling und dann Geselle. Auf den unter seiner Leitung gestandenen Baustellen ist noch nie ein solcher Schaden eingetreten. Die Merkblätter mit der Kabelschutzanweisung wie auch die gelben Merkblätter mit einem Auszug der Kabelschutzanweisung sind der Beklagten zugekommen, die diese an ihre Poliere und Bauleiter weitergab. Diese Merkblätter enthalten die Bestimmung, daß das Betten von Kabeln nur unter Aufsicht eines Beauftragten der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung durchgeführt werden dürfe. Das Erstgericht lastete dem Bauleiter Erich H als Verschulden an, daß unter dem empfindlichen Koaxialkabel ein senkrecht im Erdreich steckendes Kantholz zurückgeblieben sei. Für das Verschulden ihres Bauleiters hafte die Beklagte nicht nach § 1315 ABGB oder § 1319 ABGB, jedoch nach § 1313a ABGB. Außerdem sei in der Betriebsorganisation der Beklagten ein Mangel vorgelegen, für den sie als juristische Person einzustehen habe.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es war der Ansicht, daß juristische Personen nur für unerlaubte Handlungen jener Vertreter zu haften hätten, die unmittelbar durch ihre Verfassung oder Satzung zu ihrer Vertretung berufen seien. Diese Haftung werde von der Rechtsprechung wohl auch auf Sondervertreter mit gehobenem Wirkungskreis ausgedehnt, die als Repräsentanten der juristischen Person auftreten, jedoch mit der Beschränkung auf jene Fälle, in denen wegen der besonderen Wichtigkeit eine persönliche Kontrolle durch die juristische Person notwendig und zumutbar sei. Ein derartiger Fall liege jedoch hier nicht vor, weil das Zuschütten des Kanalgrabens nicht von so großer Wichtigkeit gewesen sei, daß besondere Sicherheitsmaßnahmen durch Organe der Beklagten (einer OHG) notwendig und dieser zumutbar gewesen wären. Hingegen könnte eine Haftung der Beklagten für das Verschulden ihrer Dienstnehmer Erich H und Sepp M in Frage kommen. Auch im Falle der Beschädigung eines aus dem Vertrag nicht unmittelbar berechtigten Dritten habe die Bestimmung des § 1313a ABGB dann einzugreifen, wenn bei objektiver Vertragsauslegung anzunehmen sei, daß eine Sorgfaltspflicht auch bezüglich des Dritten, wenn auch nur im Verhältnis zur vertragsschließenden Partei übernommen worden sei. Dies komme allerdings nur hinsichtlich solcher Rechtsgüter Dritter in Betracht, deren Kontakt mit der (vom Haftungspflichtigen) zu erbringenden Leistung vorauszusehen gewesen und deren Verletzung auf Grund dieses Kontaktes erfolgt sei. Über die vertraglichen Beziehungen der Beklagten zu ihrer Auftraggeberin habe jedoch das Erstgericht keinerlei Feststellungen getroffen. Es sei daher auch denkunmöglich, auf Grund objektiver Vertragsauslegung Rückschlüsse über die Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin zu ziehen, die nicht Vertragspartei gewesen sei. Das angefochtene Urteil müsse daher der Aufhebung verfallen. Eine Haftung der Beklagten nach § 1315 ABGB für ihre Bediensteten Erich H und Sepp M sei hingegen schon deshalb zu verneinen, weil es sich bei diesen nicht um untüchtige Personen gehandelt habe.
Der Oberste Gerichtshof hob infolge der Rekurse beider Parteien den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug ihm eine neue Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung
Das von den Untergerichten mit Recht bejahte Verschulden des Bauleiters der Beklagten Erich H und ihres Poliers Sepp M an dem der Kläger entstandenen Schaden wird von der Rekurswerberin nicht mehr bestritten. Die Rekurswerberin ist jedoch der Ansicht, daß sie für das Verschulden der vorgenannten Personen nur im Rahmen des § 1315 ABGB zu haften hätte, dessen Voraussetzungen hier nicht gegeben seien. Ihre Haftung nach § 1313a ABGB sei schon deshalb zu verneinen, weil sie zur Klägerin in keinerlei Rechtsbeziehung gestanden sei. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes könnte allenfalls Grundlage für eine künftige gesetzliche Regelung sein, sei jedoch mit dem Wortlaut des § 1313a ABGB unvereinbar.
Der Rekurswerberin ist darin beizupflichten, daß die Ersatzpflicht aus einer Vertragsverletzung nur dem Gläubiger gegenüber besteht. Es haftet daher auch der Schuldner seinem Gläubiger nach § 1313a ABGB nur für das Verschulden seiner Gehilfen bei der Vertragserfüllung. Außerhalb eines Vertrages ist hingegen die Gehilfenhaftung auf das im § 1315 ABGB umschriebene Ausmaß beschränkt (Bydlinski in JBl. 1960, 359; SZ 43/236, 46/121, 47/72, u. a. m.). Der Gläubiger, demgegenüber die Ersatzpflicht und die Haftung für die Gehilfen nach § 1313a ABGB besteht, muß allerdings nicht der Vertragspartner sein. Das Gesetz kennt nämlich auch Verträge zugunsten Dritter, bei welchen der begünstigte Dritte unmittelbar den Ersatz des ihm durch eine Vertragsverletzung entstandenen Schadens begehren kann (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 236; SZ 46/121; EvBl. 1960/254 u. a. m.). Jeder Vertrag enthält auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die Nebenverpflichtung, alle Rechtsgüter des Gläubigers, mit welchen der Schuldner bei Bewirkung der Hauptleistung in Berührung kommt, nach Tunlichkeit vor Schaden zu bewahren. Auch zugunsten Dritter sind derartige Schutzpflichten im Falle von Störungen aus Anlaß von Erfüllungshandlungen dann anzuwenden, wenn die Dritten bei objektiver Auslegung des Vertrages insofern begünstigt erscheinen, als ihr Kontakt mit der (vom Schuldner) zu erbringenden Leistung bei Vertragsabschluß voraussehbar war, weil sie der vertraglichen Leistung nahestehen und der Vertragspartner an ihnen ein eigenes sichtbares Interesse hatte oder ihm hinsichtlich der Dritten selbst offensichtlich eine Sorgfaltspflicht zukommt (Gschnitzer in Klang[2]IV/1.236; Bydlinki in JBl. 1960.359 und 364; SZ 43/236, 46/79 und 121, 47/72; EvBl. 1963/377, 1969/216; zuletzt 7 Ob 16, 17/77). Diese Schutzpflichten umfassen zunächst die Gewährung der gefahrlosen bestimmungsgemäßen Benützung der (in der Regel herzustellenden) Sache, aber auch den Schutz von Sachen eines Dritten, deren Kontakt mit der Hauptleistung bei Vertragsabschluß vorauszusehen war und an denen entweder die Hauptleistung selbst vorzunehmen ist oder an denen offensichtlich ein eigenes Interesse des Vertragspartners besteht (Bydlinski in JBl. 1960, 364). Die Ausführungen der Rekurswerberin, die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes würde zu einer allgemeinen Haftung gegenüber Dritten führen, lassen außer Acht, daß eine vertragliche Schutzpflicht der Vertragspartner nicht gegenüber jedem außenstehenden Dritten, auf den sich die Vertragserfüllung in irgendeiner Weise auswirken kann, besteht, sondern nur bei Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen Platz greift (SZ 46/121).
Hier war der Rekurswerberin, wie sich schon aus der durch sie veranlaßten Verständigung des Telegraphenbauamtes F ergibt, bereits bei Vertragsabschluß bekannt, daß der von ihr zu errichtende Kanalgraben das Koaxialkabel der Klägerin kreuzen wird und die von ihr zu erbringenden Leistungen teilweise an diesem von ihr freizulegenden und wieder einzubettenden Kabel vorzunehmen sein werden. Die Rekurswerberin mußte sich daher darüber im klaren sein, daß ihr Vertragspartner ein eigenes Interesse am Unterbleiben einer Beschädigung dieses Kabels im Zuge der Grabungsarbeiten hatte. Der eingangs erwähnte Werkvertrag über die Herstellung einer Kanalverbindung zum Hauptkanal enthält somit die Nebenverpflichtung der Rekurswerberin, das Koaxilkabel Nr. 53 b der Klägerin nicht zu beschädigen, wenn auch eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern nicht ausdrücklich getroffen worden sein sollte. Da den erstgerichtlichen Feststellungen entnommen werden kann, daß zwischen den Vertragspartnern ein Werkvertrag abgeschlossen wurde, ist im Hinblick auf die vorangehenden Darlegungen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes eine genaue Ermittlung des Vertragsinhaltes entbehrlich.
Die von der Rekurswerberin hinsichtlich des Zinsenbegehrens erhobene Verjährungseinrede ist nicht berechtigt. Nach § 1480 ABGB verjähren nämlich Forderungen an rückständigen jährlichen Leistungen, wie Zinsen, Renten und dergleichen in drei Jahren ab Fälligkeit (HS I/8). Die Klägerin begehrte jedoch in der Verhandlungstagsatzung am 19. November 1976 (ON 12) Zinsen erst ab 31. Mai 1974, die im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen - auch teilweise - noch nicht verjährt sind. Die Rechtssache ist somit, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes, bereits im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils spruchreif.
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