OGH 2Ob50/77

OGH2Ob50/7726.5.1977

SZ 50/77

 

 

Spruch:

Verdienstentgang im Sinne des § 1325 ABGB ist der Entgang dessen, was dem Verletzten durch die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entgeht. Darunter fällt nicht nur die Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit, sondern jede Tätigkeit, durch die der Verletzte für sich selbst Vermögen schafft (z. B. Bau eines Hauses auf eigenem Grund)

 

OGH 26. Mai 1977, 2 Ob 50, 51/77 (OLG Graz 5 R 159/76; LG Klagenfurt 19 Cg 8/75)

 

Begründung:

Im März 1972 hatte der Kläger zwei Grundstücke gekauft. In der Folge hatte er einen Umwidmungsantrag gestellt, dem im Herbst 1972 entsprochen wurde. Schon vor dem Unfall hatte der Kläger einen Plan für den Bau eines Hauses erstellen lassen, den er nach erfolgter Umwidmung bei der Gemeinde B einreichte. Der Kläger beabsichtigte, auf den erwähnten Grundstücken ein Haus zu bauen, wobei er selbst und seine zwei Söhne mitarbeiten sollten. Der Kläger wäre auf Grund seiner Ausbildung in der Lage gewesen, sämtliche mit der Errichtung eines Hauses vorliegenden Arbeiten auszuführen, insbesondere auch einen Außenverputz anzubringen. Auf Grund des Unfalles ist er als Maurer nicht mehr verwendungsfähig und kann nur mehr leichte Arbeiten verrichten. Deshalb ersuchte der Kläger den Zeugen Josef M, beim Hausbau Maurerarbeiten auszuführen. Der Rohbau des Hauses wurde im Frühjahr 1974 errichtet. Im Frühjahr 1975 wurden die Mittelmauern eingezogen und der Innenverputz aufgebracht. Josef M erhielt für seine Tätigkeit vom Kläger pro Arbeitsstunde insgesamt einen Betrag von 30.000 S, der im Hinblick auf die von ihm geleistete Arbeit nicht überhöht war. An den 60 Tagen, an denen Josef M arbeitete, erhielt er auch das Essen. Die Fertigstellungsarbeiten vergab der Kläger an die Baufirma V. Am 2. Juni 1976 (Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz) arbeiteten drei Leute dieses Unternehmens, und zwar ein Maurer, ein Hilfsarbeiter und ein Lehrling bereits drei Wochen auf diesem Bau. Ohne den Unfall hätte der Kläger die Verputzarbeiten selbst durchgeführt. Da er dies nun nicht mehr konnte und wegen der Gefährlichkeit dieser Arbeiten beauftragte er mit den Fertigstellungsarbeiten einen konzessionierten Unternehmer. Von den Fertigstellungskosten entfallen auf Arbeitskosten 169.463,44 S. Davon entfallen auf einen qualifizierten Maurer 38 %, also etwa 64.395,94 S. Hätte der Kläger selbst arbeiten können, hätte er auch diesen Betrag nicht aufwenden müssen.

Bei den Fertigstellungsarbeiten macht der Anteil der Arbeiten auf Gerüsten etwa 25 % der Anteil an schweren Arbeiten etwa 40 % und der Anteil der leichten Arbeiten 35 % aus. Die leichteren Arbeiten betreffen den Sockelputz, das Traufenpflaster, den Estrich, den Rohputz im Dachgeschoß und den Dachbodenestrich. Bei diesen Arbeiten muß man zumindest teilweise in gebückter Haltung arbeiten. Der Kläger kann sich nur schwer bücken. Ein solches Bücken ist mit erhöhten Schmerzen verbunden.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt folgendermaßen:

Da dem Kläger durch die Unfallsfolgen die Möglichkeit genommen worden sei, seine Arbeitskraft auch durch eine Mitarbeit am Bau seines Hauses zu verwerten, sei ihm der entsprechende Ersatz zu leisten, und zwar 30.000 S für von Josef M geleistete Arbeiten, 3.600 S als nach § 273 ZPO bemessener Wert der Verpflegung M an 60 Arbeitstagen und die Kosten einer qualifizierten Arbeitskraft für die Fertigstellungsarbeiten von 64.395,94 S, zusammen somit 97.995,94 S. Das darüber hinausgehende Begehren auf Zahlung von weiteren 2.004,06 S samt Anhang sei daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht meinte, an Verdienstentgang wegen unterbliebener Mitarbeit am Hausbau könne der Kläger jedenfalls nicht mehr verlangen, als er selbst für die hierauf entfallenden kongruenten Leistungen erbracht habe bzw. zu erbringen gehabt hätte. Dies sei zwar mit einem Betrag von 97.395,94 S festgestellt worden, so daß die Differenz auf die verlangten 100.000 S abzuweisen sei. Bezüglich der erwähnten 97.395,94 S sei die Sache aber dennoch nicht spruchreif. Grundsätzlich sei dem Erstgericht beizupflichten, daß Verdienstentgang auch der Entgang dessen sei, was dem Verletzten durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit entgehe, worunter nicht nur die Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit, sondern jede Tätigkeit falle, durch die der Verletzte für sich selbst Vermögen schaffe, wie etwa beim Bau eines Wohnhauses.

Der Einwand der Beklagten, der Kläger hätte einen gewissen Aufschub des geplanten Baues in Kauf nehmen müssen, bis seine Gesundheit wiederhergestellt sei, gehe hier fehl, weil mit einer Besserung des derzeitigen Zustandes des Klägers nicht zu rechnen sei. Um den Schaden möglichst gering zu halten, wäre der Kläger jedoch verpflichtet gewesen, im Rahmen seiner objektiv gegebenen (eingeschränkten) Arbeitsfähigkeit am Bau mitzuarbeiten. Am 30. Juli 1973 hätte er nach den Feststellungen wieder leichte Arbeiten verrichten können. Bei den Fertigstellungsarbeiten wäre ein Anteil von 35 % auf leichte Arbeiten entfallen. Die Frage, inwieweit der Kläger bei dem Bau hätte Arbeiten verrichten können, bedürfe daher noch einer Klärung durch ergänzende Vernehmung des ärztlichen Sachverständigen, des Bausachverständigen sowie durch Heranziehung des von den Beklagten beantragten Sachverständigen aus dem Gebiet der Berufskunde.

Außerdem sei noch nicht ausreichend geklärt, in welchem Umfang der Schaden des Klägers im Zusammenhang mit den Fertigstellungsarbeiten bereits eingetreten sei. Als eingetretener Schaden könnten nur die bereits entrichteten Entgelte oder die entstandenen Verbindlichkeiten für die dem unfallsbedingten Arbeitsausfall des Klägers kongruenten Leistungen angesehen werden. Diesbezüglich werde das Erstgericht den Sachverhalt gemäß § 182 ZPO mit den Parteien zu erörtern, das Verfahren zu ergänzen und die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen haben.

Der Oberste Gerichtshof gab weder den Revisionen noch den Rekursen der Parteien statt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit der Frage des Entganges aus unfallsbedingt unterbliebener Mitarbeit am Bau eines eigenen Hauses befassen sich die Rekurse beider Teile und die Revision des Klägers.

Die Beklagten machen in ihrem Rekurs geltend, die Sache sei in diesem Punkte im Sinne einer Abweisung des Begehrens spruchreif. Da der Kläger das Haus für seine Erwachsenen und bereits selbsterhaltungsfähigen Söhne baue, denen gegenüber ihn keine Verpflichtung zur Verschaffung von Wohnraum treffe, hätte er bei der beabsichtigten Widmung des Hauses davon ohnehin keinen Vermögensvorteil gehabt. Wollte man eine diesbezügliche Ersatzpflicht der Beklagten aber dennoch bejahen, wäre hinsichtlich des Teilbetrages von 64.395,94 S samt Anhang jedenfalls schon wegen mangelnder Fälligkeit abzuweisen gewesen; es sei weder behauptet noch bewiesen worden, daß der Kläger diesen Betrag bereits bezahlt habe. Eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nur zu dem Zweck, dem Kläger Gelegenheit zur Ergänzung seines unzureichenden Vorbringens zu geben, sei unstatthaft. Im übrigen könne der Schaden nicht in der behaupteten Höhe bestehen, weil der Kläger zur Mitarbeit am Hausbau zumindest teilweise in der Lage gewesen wäre, wodurch er Auslagen hätte ersparen können.

Diesem Vorbringen ist folgendes entgegenzuhalten:

Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß Verdienstentgang im Sinne des § 1325 ABGB der Entgang dessen ist, was dem Verletzten durch die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entgeht. Darunter fällt nicht nur die Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit, sondern jede Tätigkeit, durch die der Verletzte für sich selbst Vermögen schafft, wie dies z. B. beim Bau eines Hauses auf eigenem Grund der Fall ist (vgl. JBl. 1976, 315). Nun steht fest, daß der Kläger schon vor dem Unfall den Bau eines Hauses auf ihm gehörenden Grund vorbereitet hatte und daß sich der in der Folge begonnene Bau bereits im Stadium der Fertigstellung befindet. Der Kläger als gelernter Maurer hätte ohne den Unfall an dem Bau unter Ausnützung seiner Fachkenntnisse mitgearbeitet, wobei ihm seine zwei Söhne Hilfsdienste geleistet hätten, die Fachkenntnisse nicht vorausgesetzt hätten. Infolge des Unfalles konnte er jedenfalls die Maurerarbeiten nicht ausführen und mußte für Arbeiten, die er nun nicht mehr selbst verrichten konnte, bezahlte Arbeitskräfte heranziehen. Was er dafür aufwenden mußte, stellt einen Schaden dar, den ihm die Beklagten gemäß § 1325 ABGB zu ersetzen haben. Daß der Kläger durch die beabsichtigte und infolge des Unfalles unterbliebene Mitarbeit am Hausbau auf seinem Grund für sich selbst Vermögen geschaffen hätte, ist zweifelsfrei. Wie er über dieses Vermögen zu verfügen beabsichtigte, ist belanglos.

Geht man mit dem Kläger davon aus, daß sein Schaden darin besteht, daß er Arbeiten, die er ohne den Unfall selbst verrichtet hätte, nun bezahlten Kräften habe übertragen müssen, dann versagt der Einwand der Beklagten, es sei weder behauptet noch bewiesen worden, daß der Kläger auch den Betrag von 64.395,94 S samt Anhang bereits bezahlt habe. In diesem Fall eines Schadens in der Entstehung von Verpflichtungen gegenüber einem Dritten entsteht nämlich der Schaden, nicht erst durch die Erfüllung der gegenüber einem Dritten entstandenen Verbindlichkeit, sondern schon mit dem Entstehen dieser Verbindlichkeit selbst (SZ 35/83; JBl. 1966, 629 u. a.). Nach den Feststellungen hat der Kläger der Firma V den Auftrag zur Fertigstellung des Hauses bereits gegeben, und zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz waren diese Arbeiten auch schon in Ausführung. Es kann daher auch von einer bereits bestehenden Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des entsprechenden Werklohnes ausgegangen werden. Es trifft daher nicht zu, daß die Sache im Sinne einer Abweisung deshalb spruchreif wäre, weil der Kläger eine Behauptung, den veranschlagten Betrag auch bereits bezahlt zu haben, nicht aufgestellt habe. Was der Kläger der Firma V für die Fertigstellungsarbeiten tatsächlich schuldet, kann allerdings nicht nach dem vorliegenden Kostenvoranschlag beurteilt werden, und zwar schon deshalb nicht, weil nicht feststeht, ob der der Firma V erteilte Auftrag mit dem Voranschlag genau übereinstimmt und die Arbeiten auch dem Voranschlag entsprechend ausgeführt wurden. Diesbezüglich ist der Sachverhalt tatsächlich ergänzungsbedürftig und es bedarf einer Erörterung mit den Parteien- und Feststellungen darüber, in welchem Ausmaß Verbindlichkeiten gegenüber der Firma V für die Fertigstellungsarbeiten entstanden sind.

Soweit die Beklagten in ihrem Rekurs schließlich auch noch vorbringen, der Kläger hätte den Schaden durch eine ihm trotz der Unfallsverletzungen noch mögliche Mitarbeit am Hausbau geringer halten können, sind sie nur darauf zu verweisen, daß sie damit ihrem Standpunkt, es bestehe Spruchreife im Sinne einer Abweisung dieses Teiles des Klagebegehrens, verlassen und sich dem Standpunkt des Berufungsgerichtes, daß gerade diese Frage noch zu prüfen sei, anschließen.

Die Ausführungen des Rekurses des Klägers lassen sich kurz dahin zusammenfassen, daß die vom Berufungsgericht für erforderlich angesehenen Verfahrensergänzungen überflüssig seien, weil schon auf Grund der bisherigen Feststellungen klar sei, daß er auf Grund seiner Unfallsverletzungen beim Hausbau keine Arbeiten hätte verrichten können und daß durch allfälliges Verrichten ihm zumutbarer leichter Arbeiten nichts erspart worden wäre, weil solche Arbeiten ohnehin von seinen Söhnen unentgeltlich ausgeführt worden wären. Dem kann nicht beigepflichtet werden, denn diese Schlüsse lassen sich mit Sicherheit aus den getroffenen Feststellungen nicht ableiten. Nach den Feststellungen wurde der Kläger am 30. Juli 1973 arbeitsfähig geschrieben. Wenn er auch in seiner Arbeitsfähigkeit als Maurer eingeschränkt ist und wenn auch festgestellt ist, daß auch seine Söhne beim Hausbau mitarbeiten sollten, so steht doch keineswegs fest, ob dem Kläger nicht doch eine gewisse Mitarbeit am Hausbau möglich gewesen wäre, durch die eine Ersparnis eingetreten wäre. Daß der Kläger im Rahmen der ihn treffenden Verpflichtung, den Schaden möglichst gering zu halten, zu einer solchen, ihm nach objektiven Gesichtspunkten zumutbaren Mitarbeit verpflichtet gewesen wäre, ist nicht zu bezweifeln. Wenn das Berufungsgericht diese Frage in tatsächlicher Hinsicht als nicht hinreichend geklärt ansieht, kann der OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten. Es kann daher auch dem Kläger nicht beigepflichtet werden, daß hinsichtlich des Teilbetrages von 97.995,94 S samt Anhang Spruchreife im Sinne des Klagebegehrens vorliege.

Schließlich muß auch der Revision des Klägers der Erfolg versagt bleiben. Der Kläger meint, es wäre ihm auch der weitere Betrag von 2.004,06 S samt Anhang zuzusprechen gewesen, weil nicht bezweifelt werden könne, daß auch weiteren Arbeiten, die er ohne den Unfall verrichtet hätte, wie Malerarbeiten, elektrische und sanitäre Installationen, Bodenverlegen u. dgl. einen diesen Betrag übersteigenden Aufwand erfordert hätten. Hier muß dem Kläger entgegengehalten werden, daß er ein konkretes Vorbringen, um welche Arbeiten es sich dabei im einzelnen gehandelt hätte und daß er dadurch, daß er solche Arbeiten habe nicht ausführen können, bestimmte Ausgaben gehabt habe, nicht erstattet hat. Für diesen Anspruchsteil fehlt es daher an einem ausreichenden sachlichen Substrat, so daß die Abweisung der 2.004,06 S samt Anhang unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheint.

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