OGH 5Ob189/62

OGH5Ob189/6230.8.1962

SZ 35/83

Normen

ABGB §1293
ABGB §1299
ABGB §1300
ABGB §1489
ZPO §228
ABGB §1293
ABGB §1299
ABGB §1300
ABGB §1489
ZPO §228

 

Spruch:

Schon die entstandene Verbindlichkeit bedeutet einen Nachteil am Vermögen im Sinne des § 1293 ABGB.

Entscheidung vom 30. August 1962, 5 Ob 189/62.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien: II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrt die Feststellung, der Beklagte habe ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr im Zusammenhange mit dem Abschluß des mit Frau Maria K. getätigten Kaufvertrages, betreffend das Grundstück EZ. 1505 der KG. Ober-St., insbesondere aus der Nichtigkeit des Vertrages, aus den unrichtigen Mitteilungen des Beklagten über Tatsachen im Zuge der Kaufverhandlungen, aus der Erteilung unrichtigen Rates seitens des Beklagten und seiner Unterlassung, ihr über Änderungen in der Sach- und Rechtslage Mitteilung zu machen, sowie überhaupt durch sein Verschulden erwächst, und zwar auch über die Rückerstattung des von ihr an Maria K. gezahlten Kaufpreises von 120.000 S, der Kosten von 2000 S und der Zinsen von diesen Beträgen hinaus, bis zur Höhe jenes Betrages, durch dessen Aufwendung sie die Rückstellung der obenbezeichneten Liegenschaft an die Sammelstelle A im Vergleichswege abwenden oder aber ein gleichwertiges Grundstück erwerben und alle damit verbundenen Kosten bestreiten kann. Sie behauptet, mit dem Kaufvertrag vom 15. Jänner 1959 habe sie von Maria K. das Grundstück Nr. 350/2, Baustelle in EZ. 1505, KG. Ober-St. um 120.000 S erworben. Der Kaufvertrag sei im Auftrag der Vertragschließenden vom Beklagten, der damals noch seinen Beruf als Rechtsanwalt ausübte, verfaßt worden. Ihr sei bekannt gewesen, daß das Grundstück einmal jüdischer Besitz war, doch habe der Beklagte verstanden, diese Bedenken zu zerstreuen. Er habe ihr mitgeteilt, er besitze Informationen, auf Grund derer er in einer anderen Sache Rückstellungsansprüche gegen Maria K. erfolgreich abgewehrt habe. Die Gefahr der Bildung eines Fonds nach dem 3. RG. bestehe nicht, denn dieser Fonds sei noch nicht geschaffen worden und werde wahrscheinlich nie ins Leben gerufen werden. Auch seitens der Auffangstelle sei noch nichts geschehen. In einem Aktenvermerk über eine dem Kauf vorangegangene Besprechung sei festgehalten, es sei besprochen worden, es werde keine Rolle spielen, daß die Liegenschaft im Jahre 1938 Juden gehörte. Diese Äußerungen, durch die sie zum Kauf bestimmt wurde, seien unrichtig und irreführend gewesen. Der Beklagte habe grob fahrlässig seine Sorgfaltspflicht verletzt und für die nachteiligen Folgen zu haften. Die Sammelstelle A habe am 7. April 1961 gegen sie bei der Rückstellungskommission unter Rk 222/61 einen Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft eingebracht. Sie sehe sich der Gewißheit gegenüber, die Liegenschaft zurückstellen zu müssen und dafür nichts zu erhalten als den Betrag von 2200 S, den die Verkäuferin Maria K. den jüdischen Voreigentümern als Kaufpreis bezahlte. Der Rückstellungsanspruch könnte nur durch Zahlung einer Abstandssumme an die Sammelstelle abgewendet werden, die den gezahlten Kaufpreis von 120.000 S bei weitem übersteigt. Da die Höhe des Schadens noch nicht feststehe, sei sie genötigt, zur Abwendung der Verjährung die Feststellung der Schadenersatzpflicht des Beklagten zu verlangen.

Das Erstgericht verlas nur die Vorakten und Beilagen und wies die Klage ab. Es war der Ansicht, der Rückstellungsstreit sei noch nicht entschieden, die Klägerin sei noch immer Eigentümerin des Grundstückes und habe noch keinen Schaden erlitten. Das von der Klägerin behauptete Rechtsverhältnis sei nicht feststellungsfähig.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil, jedoch aus anderen Gründen. Der Ansicht des Erstgerichtes, die Klägerin habe noch keinen Schaden erlitten, sei nicht beizutreten, denn der Schaden werde für den Geschädigten bereits durch das Entstehen einer Verbindlichkeit und nicht erst durch deren Erfüllung existent. Der Beklagte hafte aber der Klägerin für einen ihr allenfalls entstehenden Schaden erst dann und nur insoweit, als sie ihre Ansprüche nach den §§ 3 (2) und 15 (1) 3. RG. gegen die Rechtsnachfolger der inzwischen verstorbenen Verkäuferin Maria K. nicht zu realisieren vermag. Die Klägerin müsse vorerst diese Ansprüche geltend machen, und der Beklagte hafte ihr nur für den Ausfall. Ob eine Haftung eintreten werde, richte sich nach der erst in Zukunft feststellbaren Tatsache, ob und in welchem Ausmaß die Klägerin von den Rechtsnachfolgern der Maria K. eine Rückzahlung des Kaufpreises und eine Erstattung ihres Vertrauensschadens erlangen wird. Es habe daher auch die Verjährungsfrist noch nicht begonnen, und es bestehe noch kein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftung des Beklagten. Der Mangel dieses Interesses sei von Amts wegen zu beachten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entgegen den Ansichten der Vorinstanzen kann der Klage die Schlüssigkeit nicht abgesprochen werden. Die Behauptungen der klagenden Partei über das Verhalten des Beklagten bei der Errichtung des Kaufvertrages lassen eine Haftung des Beklagten für Verschulden im Sinne der §§ 1299, 1300 ABGB. als möglich erscheinen. Es genügt, diesbezüglich auf die Entscheidungen SZ. XXVIII 57, EvBl. 1959 Nr. 262, JBl. 1962 S. 91 und 152, hinzuweisen. Ohne nähere Klärung des Sachverhaltes kann über die Verschuldensfrage nicht abgesprochen werden, weil die klagende Partei behauptet, daß die Erklärungen des Beklagten unrichtig und irreführend waren, und eine Überprüfung dieser Behauptung beim derzeitigen Stande des Verfahrens noch nicht möglich ist. Die klagende Partei hat auch den Eintritt eines Schadens behauptet. Hiezu reicht die Behauptung hin, die Sammelstelle A habe gegen sie Ansprüche auf Rückstellung des gekauften Grundstückes erhoben. Es ist der Ansicht des Berufungsgerichtes beizupflichten, daß der Schaden bereits mit der Erhebung des Anspruches und nicht erst mit dessen Erfüllung eingetreten ist. Nach § 1293 ABGB. wird unter Schaden jeder Nachteil, der jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist, verstanden. Bereits die entstandene Verbindlichkeit bedeutet einen Nachteil am Vermögen. Der Schadenersatzkläger braucht daher nicht nachzuweisen, daß er die Verbindlichkeit bereits erfüllt hat (vgl. Wolff in Klang[2] VI, S. 1). Die Ansicht der beklagten Partei, die Verbindlichkeit zur Rückstellung entstehe erst mit der Entscheidung der Rückstellungskommission, denn bis dort bestehe die Möglichkeit, daß der Anspruch abgewiesen wird, ist nicht richtig. Auch ein bestrittener oder prozeßverfangener Anspruch ist ein Anspruch. Da der Rückstellungsanspruch bereits streitverfangen ist, kann nicht gesagt werden, es handle sich nur um eine bloß gedachte, theoretische Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintrittes (SZ. VI 335, EvBl. 1957 Nr. 89). Die Frage, ob die klagende Partei einen Vermögensnachteil erlitten hat, bedarf der Prüfung. Da die Entscheidung vom Ausgange des Rückstellungsverfahrens abhängt, kann das Gericht das Verfahren gemäß § 190 ZPO. unterbrechen. Es kann aber die Klage nicht mit der Begründung abgewiesen werden, es sei noch kein Schaden entstanden, weil diese Frage noch offen ist.

Es ist richtig, daß die klagende Partei, falls sie im Rückstellungsverfahren unterliegt, gemäß §§ 3 (2) und 15 (1) 3. RG. Regreßansprüche gegen ihren Vormann stellen kann. Bei diesen Ansprüchen handelt es sich um Gewährleistungsansprüche im Sinne der §§ 922 ff. ABGB. Sie sind mit den Schadenersatzansprüchen der klagenden Partei gegen den Beklagten nicht ident. Die Frage der Anrechnung dieser Regreßansprüche auf die Schadenersatzansprüche ist eine Frage der Vorteilsausgleichung und betrifft nicht den Grund, sondern die Höhe des Schadenersatzanspruches (Ehrenzweig[2] § 301 II 6, Wolff a. a. O., S. 4 ff.). Das Berufungsgericht durfte diese Frage ohne Einwendung der beklagten Partei und ohne bisherige Erörterung im Verfahren nur insoweit aufgreifen, als es die Schlüssigkeit der Klage in Ansehung des von Amts wegen zu beurteilenden rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung zu prüfen hatte. Es kann aber aus dem Vorbringen der klagenden Partei nicht geschlossen werden, daß ihr Schaden durch die Regreßansprüche gegen die Rechtsnachfolger der Verkäuferin zur Gänze gedeckt ist. Eher ließe sich aus dem Klagsvorbringen auf das Gegenteil schließen. Es muß in diesem Stadium des Verfahrens noch nicht zur Frage Stellung genommen werden, ob die Haftpflicht des Beklagten nur eine subsidiäre oder ob sie eine selbständige und nicht davon abhängig ist, ob und inwieweit die Rechtsnachfolger der Verkäuferin ihrer Gewährleistungspflicht nachkommen (GlU. 15751). Die klagende Partei ist daher ihrer Behauptungspflicht als Schadenersatzklägerin in der Klage nachgekommen. Denn sie hat behauptet, daß sie einen Schaden erlitten hat, daß er durch den Beklagten verursacht wurde und daß diesen auch das Verschulden trifft.

Nach der ständigen Praxis des Revisionsgerichtes (SZ. XXIV 187, XXV 268, ZVR. 1958 Nr. 127 u. a.) ist dann, wenn das schädigende Ereignis und auch schon ein Teil des Schadens eingetreten ist, jedoch die volle Höhe des Schadens noch nicht bekannt ist, aus Gründen der Prozeßökonomie, weil ein späterer Streit über den Grund des Anspruches vermieden werden kann, und zur Vorbeugung gegen die Einwendung der Verjährung die Verbindung eines Feststellungsbegehrens für die erst künftig entstehenden weiteren Schäden mit der Leistungsklage für bereits eingetretene Schäden zulässig. Es muß auch die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht werden, wenn die Leistungsklage nicht möglich ist, weil der Schaden noch in Entwicklung begriffen ist und die Höhe des Anspruches vom Ausgang eines anderen Rechtsstreites abhängt. Auch zur Abwendung der Gefahr der Verjährung muß die Feststellungsklage als zulässig angesehen werden. Jede Entschädigungsklage verjährt nach § 1489 ABGB. in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, zu dem dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt wurden. Der Klägerin wurde der Schaden durch das Schreiben vom 7. Juni 1960 bekannt, mit dem die Sammelstelle A erstmals den Anspruch auf Rückstellung des Grundstückes erhob. Sollte sich das Rückstellungsverfahren über den 7. Juni 1963 hinausziehen und die Klägerin unterliegen, könnte ihrer erst dann eingebrachten Schadenersatzklage die Einwendung der Verjährung mit der Begründung entgegengesetzt werden, daß ihr der Schaden und die Person des Schädigers bereits vor drei Jahren hinlänglich bekannt waren. Es kann daher der Klägerin das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftpflicht des Beklagten dem Gründe nach im Sinne des § 228 ZPO. nicht abgesprochen werden.

Die Ansicht des Beklagten, die Klägerin wolle sich durch die angestrebte Feststellung einen Freibrief verschaffen, um auf seine Kosten den Rückstellungsanspruch vergleichen zu können, die Klägerin habe nur ein wirtschaftliches, aber kein rechtliches Interesse an der Feststellung, trifft nicht zu. Durch ein die Haftung des Beklagten dem Gründe nach bejahendes Feststellungsurteil wird der klagenden Partei die Behauptungs- und Beweispflicht in Ansehung der Höhe des erwarteten Schadens nicht abgenommen und bleiben dem Beklagten alle die Höhe des Anspruches betreffenden Einwendungen gewahrt.

Zur Formulierung des Klagebegehrens sei, falls es nicht ohnedies nach der Wiederaufnahme des zu unterbrechenden Verfahrens zu einer Umwandlung in eine Leistungsklage kommt, erwähnt, daß sich die Feststellung nur auf den Grund des Anspruches zu erstrecken hat und der Anspruch nur insoweit konkretisiert werden muß, daß bei der Entscheidung über die Höhe jeder Zweifel über den Gegenstand des festgestellten Anspruches ausgeschlossen ist. Es wären daher jene Stellen des Klagebegehrens, die nur die Feststellung von Tatsachen betreffen oder bereits die Höhe des Anspruches berühren, auszuscheiden.

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