OGH 2Ob508/77

OGH2Ob508/774.2.1977

SZ 50/19

Normen

ABGB §615 Abs1
ABGB §1248
ABGB §615 Abs1
ABGB §1248

 

Spruch:

Der überlebende Ehegatte ist - mangels einer Nacherbschaft - zum Widerruf des gemeinsamen Testaments durch Errichtung eines zweiten Testaments, in dem die Aufhebung des früheren gemeinsamen Testaments ausdrücklich verfügt wurde, berechtigt

OGH 4. Feber 1977, 2 Ob 508/77 (OLG Wien 7 R 210/76; KG St. Pölten 1 Cg 364/75)

Text

Im Verlassenschaftsverfahren nach der am 25. Mai 1975 verstorbenen Maria P wurden von deren Mutter Maria H (Erstbeklagte) und deren Stiefvater Karl H (Zweitbeklagter) auf Grund des Testamentes der Erblasserin vom 24. April 1975 unbedingte Erbserklärungen abgegeben. Sylvia L, geborene P (Klägerin), die in diesem Verlassenschaftsverfahren Erbansprüche angemeldet und auf Grund des Testamentes vom 23. Dezember 1959 die bedingte Erbserklärung abgegeben hat, wurde vom Verlassenschaftsgericht mit ihren Erbansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen.

Mit der vorliegenden, gegen die Ehegatten H und gegen Ingeborg S, (Drittbeklagte) gerichteten Klage stellt die Klägerin folgendes Begehren; "Das schriftliche Testament vom 24. April 1975 der am 25. April 1975 verstorbenen Maria P ist ungültig und der Klägerin Sylvia L, geborene P, steht auf Grund des gemeinsamen Testamentes der Eheleute Ernst und Maria P vom 23. Dezember 1959 das alleinige Erbrecht an dem gesamten Nachlaß der Maria P, zumindest aber das Erbrecht an dem Haus in M, L-Straße 23, EZ 108, KG M zu", Zur Begründung brachte sie im wesentlichen vor, daß das Testament der Erblasserin aus dem Jahre 1975 nicht gültig sei (zumindest bezüglich des von ihrem Gatten geerbten Hauses in M, L-Straße 23), weil sie in dem gemeinsamen, mit ihrem Ehegatten Ernst P errichteten wechselseitigen Testament vom 23. Dezember 1959 die Klägerin als Nacherbin eingesetzt hatte. Nach dem Tode ihres Ehegatten habe die Erblasserin dieses Testament bezüglich der von beiden Ehegatten erfolgten Erbeinsetzung der Klägerin nicht durch einen einseitigen Willensakt widerrufen können, jedenfalls nicht hinsichtlich des Vermögens des Vorverstorbenen (Haus in M, L-Straße 23). Die Drittbeklagte sei in dem Testament aus dem Jahre 1975 als Nacherbin eingesetzt. Sie habe sich schon durch einen Übergabsvertrag die Liegenschaft EZ 108, KG M übertragen lassen; auch sei sie daher passiv legitimiert.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, daß es sich bei der im Testament aus dem Jahre 1959 erfolgten Erbeinsetzung der Klägerin nicht um eine Nacherbschaft, sondern um eine Ersatzerbschaft handle. Durch das zweite voll gültige Testament aus dem Jahre 1975 der überlebenden Ehefrau der Ehegatten P sei das erste Testament aufgehoben worden. In diesem sei mit keinem Wort verfügt, daß die Klägerin Erbin nach Maria P sein solle. Nur die Hälfte der Liegenschaft L-Straße 23 sei Gegenstand des Verlassenschaftsverfahrens nach Ernst P gewesen. Es sei nicht verständlich, daß die Drittbeklagte geklagt werde,da diese überhaupt keine Erbserklärung abgegeben habe, weshalb ihr die passive Klagslegitimation fehle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren hinsichtlich der Erst- und des Zweitbeklagten ab, hinsichtlich der Drittbeklagten zurück.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß das Klagebegehren auch gegenüber der Drittbeklagten abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50 000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Erstgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Im Verlassenschaftsverfahren nach dem am 29 Dezember 1968 verstorbenen Ernst P wurde das gemeinsame Testament des Erblassers Ernst P und seiner Gattin Maria P vom 23. Dezember 1959 kundgemacht.

Es lautet in seinen wesentlichen Punkten:

"1. Ich, Ernst P, setze für den Fall, daß ich vor meiner Gattin sterbe, meine Gattin Maria P, geborene Z, zur alleinigen Erbin meines gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlasses ein.

Sollte ich gleichzeitig mit meiner Gattin oder nach ihr versterben, so setze ich meine Großnichte, Tochter meiner Nichte Grete P, geborene S, Sylvia P, in England, zur alleinigen Erbin meines gesamten Nachlasses ein.

2. Ich, Maria P, setze für den Fall, daß ich vor meinem Gatten sterbe, meinen Gatten Ernst P zum alleinigen Erben meines gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlasses ein.

Sollte ich gleichzeitig mit meinem Gatten oder nach ihm versterben, so setze ich, ebenso wie mein Gatte, dessen Großnichte Sylvia P in England, zur alleinigen Erbin meines gesamten Nachlasses ein ..... "

Dieses gemeinsame Testament wurde von dem Zeugen (öffentlicher Notar) Dr. Ludwig W errichtet, der auch als Gerichtskommissär das Verlassenschaftsverfahren durchführte. Auf Grund dieses Testamentes gab Maria P die unbedingte Erbserklärung ab. Im Testamentserfüllungsausweis wurde festgehalten, daß die Klägerin im gemeinsamen Testament nur als Ersatzerbin erwähnt worden sei, weshalb die Ersatzerbeneinsetzung gegenstandslos sei. Mit Einantwortungsurkunde vom 30. Mai 1968 wurde Maria P der Nachlaß nach ihrem Gatten Ernst zur Gänze eingeantwortet und die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes ob dem Erblasser gehörenden Hälfteanteil der Liegenschaft EZ 108 KG M bewilligt.

Maria P verstarb am 25. Mai 1975. Im Verlassenschaftsverfahren beim Bezirksgericht M unter A 282/75 gaben die Erst- und der Zweitbeklagte auf Grund des Testamentes der Erblasserin vom 24. April 1975 unbedingte Erbserklärungen ab. Dieses Testament wurde fremdhändig geschrieben, eigenhändig von der Erblasserin unterschrieben und von drei Testamentszeugen unterfertigt. Es hat folgenden Wortlaut:

"Mein letzter Wille.

Ich, Maria P, geborene Z, Kaufmannswitwe in M, L-Straße 23 wohnhaft, errichte hiemit nach reiflicher Überlegung und frei von jeder Beeinflussung, von Zwang und Irrtum, meinen letzten Willen wie folgt: Ich setze meine Mutter Maria H und meinen Stiefvater K H je zur Hälfte als meine Erben ein. Sollten diese beiden vor mir versterben und nach deren Tod setze ich als Nacherbin Frau Ingeborg S, als Universalerbin ein.

Das frühere Testament vom 22. Dezember 1959 hebe ich hiemit auf. Ich setze als Testamentsvollstrecker Herrn Dr. Ernst H, Rechtsanwalt in M ein, der dieses Testament in Verwahrung nehmen soll.

Urkund dessen habe ich diesen Aufsatz in gleichzeitiger Anwesenheit von drei Testamentszeugen ausdrücklich als meinen letzten Willen erklärt, vor den Zeugen eigenhändig unterschrieben und diese mitfertigen lassen.

M, am 24. April 1975"

Die Ehegatten P waren mit dem Testamentsverfasser Dr. Ludwig W persönlich bekannt und befreundet. Dr. W besprach mit den Erblassern eingehend den Inhalt des gemeinsamen Testaments. Demnach war nicht beabsichtigt, die Klägerin in dem gemeinsamen Testament als Nacherbin in Form einer fideikommissarischen Substitution einzusetzen, sondern nur als Ersatzerbin.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß nach dem Wortlaut des gemeinsamen Testaments von einer fideikommissarischen Substitution keine Rede sein könne, auch wenn die Formulierung "... oder nach ihm versterben" nicht als glücklich zu bezeichnen sei. Da die Klägerin somit nicht als Nacherbin sondern als Ersatzerbin berufen sei, komme sie auf Grund des neuen Testaments im Verlassenschaftsverfahren zur AZ A 282/75 des Bezirksgerichtes M als Erbin nicht in Betracht, weshalb ihrer Klage gegen die beiden Erstbeklagten die rechtliche Grundlage fehle. Bezüglich der Drittbeklagten sei die Passivlegitimation weder auf Grund des Klagsvorbringens noch des Urteilsbegehrens gegeben. Bei dem gemeinsamen Testament habe der überlebende Ehegatte gemäß § 1248 ABGB die Möglichkeit ein neues Testament zu verfassen und sein früheres Testament zu widerrufen. Das neue Testament der Erblasserin vom 24. April 1975 erwähne ausdrücklich das frühere Testament vom 22. Dezember 1959 (gemeint offensichtlich: 23. Dezember 1959).

Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte im wesentlichen auch dessen rechtliche Beurteilung. Es war lediglich der Auffassung, daß mangels Vorliegens der Passivlegitimation der Drittbeklagten das gegen diese gerichtete Klagebegehren nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen gewesen wäre.

In der Rechtsrüge vertritt die Klägerin die Auffassung, das gemeinsame Testament habe durch Maria P nicht einseitig widerrufen werden können, ungeachtet dessen, ob darin eine Nacherbschaft oder eine Ersatzerbschaft angeordnet worden sei. Im übrigen liege aber eine Nacherbeneinsetzung der Klägerin vor, wie sich aus dem klaren Wortlaut des Testaments ergebe. Auch die Drittbeklagte sei als Nacherbin passiv klagslegitimiert und zwar auf Grund des zweiten Testaments der Maria P.

Bei der Auslegung von letztwilligen Erklärungen ist vor allem auf den Willen des Erblassers Bedacht zu nehmen (vgl. Gschnitzer, Erbrecht, 26; SZ 38/144 u. a.). Die Vorinstanzen haben auf Grund der Zeugenaussage des Testamentsverfassers festgestellt, daß der Wille der Ehegatten P bei Errichtung des gemeinsamen Testaments nicht darauf gerichtet war, die Klägerin als Nacherbin in Form einer fideikommissarischen Substitution einzusetzen, sondern nur als Ersatzerbin. Auch aus dem Wortlaut der Urkunde ergibt sich einwandfrei, daß beide Ehegatten für den Fall ihres Vorversterbens den anderen Ehegatten als alleinigen Erben ihres gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlasses einsetzen wollten. Nur für den Fall, daß ein Ehegatte den anderen nicht beerben könnte, weil er vorher oder gleichzeitig mit diesem verstorben sei, bzw. versterbe, sollte die Klägerin alleinige Erbin sein. Die Klägerin sollte somit statt des anderen Ehegatten, nicht aber nach dies em erben. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht das Vorliegen einer Ersatzerbschaft zu Gunsten der Klägerin, nicht aber einer Nacherbschaft angenommen. Da Maria P ihren Gatten überlebte und die Erbschaft angetreten habe, ist gemäß § 615 Abs. 1 ABGB die von Ernst P zu Gunsten der Klägerin im gemeinsamen Testament angeordnete Ersatzerbschaft erloschen. Maria P war aber, weil keine Nacherbschaft vorlag, gemäß § 1248 ABGB auch zum Widerruf des gemeinsamen Testaments durch die Errichtung eines zweiten Testaments, in dem die Aufhebung des früheren gemeinsamen Testaments ausdrücklich verfügt wurde, berechtigt (vgl. Gschnitzer, Erbrecht, 43).

In der Auffassung, daß der geltend gemachte Klagsanspruch nicht zu Recht besteht, kann daher keine zum Nachteil der Klägerin unrichtige

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