OGH 1Ob745/76

OGH1Ob745/764.2.1977

SZ 50/17

Normen

ABGB §149
ABGB §178
ABGB §233
AußStrG §2 Abs2 Z7
JN §1
Schülerbeihilfengesetz §1
Schülerbeihilfengesetz §15
ABGB §149
ABGB §178
ABGB §233
AußStrG §2 Abs2 Z7
JN §1
Schülerbeihilfengesetz §1
Schülerbeihilfengesetz §15

 

Spruch:

Für Ansprüche eines unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindes gegen seinen ehelichen Vater auf Ausfolgung von an ihn bezahlten Schüler- und Heimbeihilfen ist der Rechtsweg unzulässig; die Erteilung der Prozeßermächtigung durch das Pflegschaftsgericht ist keine Verweisung auf den Rechtsweg

OGH 4. Feber 1977, 1 Ob 745/76 (LG Klagenfurt 1 R 312/76; BG Klagenfurt 4 C 671/76)

Text

Der Beklagte ist der eheliche Vater der Klägerin und als solcher dieser gegenüber unterhaltspflichtig. Mit dem an den Beklagten gerichteten Bescheid des Landesschulrates für Kärnten vom 4. April 1975 sind der Klägerin für das Schuljahr 1974/75 6400 S an Schulbeihilfe und 7700 S an Heimbeihilfe, zusammen somit 14 100 S, gewährt und an den Beklagten ausbezahlt worden.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Auszahlung dieses Betrages an sie. Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe dieses Betrages nicht bestehe, weil der Beklagte der Klägerin den unterhalt gewähre. Überdies erhob der Beklagte die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Behauptung bei der klagsgegenständlichen Forderung handle es sich um einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem ehelichen Vater, die im Außerstreitverfahren geltend zu machen sei.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung, daß es sich nach dem Klagsvorbringen nicht um einen Unterhaltsanspruch, sondern um die Rückzahlung von Beträgen handle, die der Beklagte ungerechtfertigt einbehalten hat. Es erscheine daher das streitige Verfahren zulässig. Im übrigen hat es den Beklagten im Sinne des Klagebegehrens verurteilt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und hob das Ersturteil, sowie das ihm vorangegangene Verfahren einschließlich der Anordnung der Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage unter gegenseitiger Kostenaufhebung zurück. Es vertrat die Auffassung, daß im außerstreitigen Verfahren nicht nur Unterhaltsansprüche ehelicher Kinder gegenüber ihren Eltern zu regeln seien. Minderjährige stunden gemäß § 21 Abs. 1 ABGB unter dem besonderen Schutz der Gesetze. Die Verwirklichung dieses Grundsatzes erfordere die amtswegige Wahrnehmung (aller) ihrer familienrechtlichen Ansprüche. Das bedeute, daß der Richter über solche Ansprüche amtswegig zu verhandeln habe, wofür ihm auch die Bestimmung des § 178 ABGB die gesetzliche Handhabe gebe, wonach bei Nichterfüllung der mit der väterlichen Gewalt verbundenen Pflichten "das Gericht den Gegenstand der Beschwerde zu untersuchen und die den Umständen angemessenen Verfügungen zu treffen habe". Es hätten daher jene Gründe, aus denen das Judikat 237 die Unterhaltsansprüche pflegebefohlener ehelicher Kinder gegen ihre Eltern in das Außerstreitverfahren verwiesen habe, auch für jene Fälle zu gelten, in denen ein Minderjähriger geltend mache, daß ihm von seinem Vater ein ihm nach dem Gesetz gebührender Betrag vorenthalten werde. Dies deshalb, weil die Ansprüche minderjähriger Kinder gegenüber dem Vater von Amts wegen wahrzunehmen seien und das Vorenthalten eines dem mj. Kind nach dem Gesetz zukommenden Vermögens durch den Vater einen Mißbrauch der väterlichen Gewalt und einer Nichterfüllung der mit dieser Gewalt verbundenen Pflichten gleichgehalten werden könne (§ 178 ABGB). Gerade weil das Gesetz die Auszahlung der Schul- und der Heimbeihilfe in erster Linie an den Erziehungsberechtigten vorsehe (§ 15 Abs. 4), die Beihilfe daher gemäß § 149 ABGB von diesem Erziehungsberechtigten zu verwalten sei, sei ein Streit über die zweckmäßigste Verwaltung solcher Gelder bzw. um deren Ausfolgung an das mj. Kind im Sinne der §§ 21, 149 und 178 ABGB im Interesse des pflegebefohlenen Kindes am besten amtswegig zu verhandeln. Zur Geltendmachung des vorliegenden Anspruches der mj. Klägerin erscheine deshalb der streitige Rechtsweg ausgeschlossen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist davon auszugehen, daß gemäß § 1 Schülerbeihilfengesetz (BGBl. 253/1971 i. d. F. BGBl. 183/1974) österreichische Staatsbürger unter gewissen, im Gesetz genau normierten Voraussetzungen Anspruch auf die Gewährung von Schul- und allenfalls auch Heimbeihilfe haben, wobei im Abs. 3 des § 1 ausdrücklich festgehalten ist, daß die Gewährung von solchen Beihilfen einen Anspruch des Schülers auf Unterhalt nicht berührt. Im § 15 Abs. 4 des Gesetzes ist festgehalten, daß die einem mj. Schüler gebührenden Beihilfen an den Erziehungsberechtigten auszuzahlen sind, zu dessen Haushalt der Schüler gehört. Mit der schriftlichen Zustimmung dieses Erziehungsberechtigten sind die Beihilfen dem Schüler selbst oder der natürlichen oder juristischen Person auszubezahlen, bei der der Schüler wohnt.

Die Gründe, aus denen das Judikat 237 die Alimentationsansprüche pflegebefohlener Kinder gegen ihre Eltern in das Außerstreitverfahren verwiesen hat, lassen auch im vorliegenden Fall, in dem die mj. Klägerin geltend macht, daß ihr von ihrem ehelichen Vater ein ihr nach dem Gesetz gebührender Betrag vorenthalten werde, den Rechtsweg als ausgeschlossen erscheinen. Ist der Standpunkt der Klägerin, daß ihr die Beihilfe auf Grund des Gesetzes gebührt, zutreffend, müßte das Vormundschaftsgericht von Amts wegen die Ansprüche der mj. Klägerin wahrnehmen (§§ 149 f. ABGB). Auch die Verweisung des Judikates auf § 178 ABGB trifft auf den vorliegenden Fall zu. Das Vorenthalten eines dem Minderjährigen nach dem Gesetz zukommenden Vermögens durch seinen ehelichen Vater kann - wie das Berufungsgericht zutreffend dargetan hat - einem Mißbrauch der väterlichen Gewalt und einer Nichterfüllung der mit dieser Gewalt verbundenen Pflichten gleichgeachtet werden (EvBl, 1953/142 u. a.). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Pflegschaftsgericht eine Prozeßermächtigung erteilt hat, denn diese beinhaltet nicht eine Verweisung auf den Rechtsweg im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG.

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