OGH 2Ob553/76

OGH2Ob553/7617.12.1976

SZ 49/159

Normen

ABGB §1098
ABGB §1098

 

Spruch:

Auch ein Unterbestandnehmer kann den Gebrauch der Bestandsache an einen Dritten weitergeben und dadurch seinerseits ein (weiteres) Bestandverhältnis begrunden, sofern dies im Sinne des § 1098 ABGB ohne Nachteil des Hauptbestandnehmers geschehen kann und im (Unterbestand)-Vertrag nicht ausdrücklich untersagt worden ist

OGH 17. Dezember 1976, 2 Ob 553/76 (LGZ Wien 41 R 224/76; BG Innere Stadt Wien 47 C 254/75)

Text

Beide Untergerichte haben die Beklagte schuldig erkannt, in Zuhaltung der Vereinbarung vom 29. Oktober/2. November 1971 in dem Geschäftslokal Wien I, F-Gasse 4, top Nr. IV, auf Grund des Gewerbebescheides der Klägerin oder auf Grund einer eigenen Gewerbeberechtigung ein Handelsgewerbe zu betreiben, das von Elisabeth F in diesem Standort betriebene Schuhgeschäft zu entfernen und die Überlassung des genannten Geschäftslokals an Dritte zu unterlassen.

Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts ging das Erstgericht davon aus, daß es der Klägerin auf Grund ihres Untermietvertrages mit dem Hauptmieter Ernst B untersagt sei, das Geschäftslokal an einen Dritten weiter unterzuvermieten; ein solches Verbot sei zulässig und für die Vertragspartner verbindlich. Sowohl die Weitergabe des Geschäftslokals an die Beklagte als auch die weitere Überlassung dieses Lokals durch die Beklagte an Elisabeth F seien als bloße Untervermietung zu qualifizieren. Da die Klägerin einer solchen Weitergabe des Bestandobjektes niemals zugestimmt habe, sei ihr Unterlassungsanspruch berechtigt. Ein besonderes Rechtsschutzinteresse brauche sie nicht darzulegen, zumal sie daran interessiert sein müsse, gegenüber dem Hauptmieter Ernst B nicht vertragsbrüchig zu werden.

Nach Ansicht des Berufungsgerichtes könne Punkt IX der "Vereinbarung" Beilage 2 im Zusammenhang mit der in Punkt V festgelegten Betriebspflicht nur so verstanden werden, daß der Beklagte nur die hier ausdrücklich vorgesehene Übertragung der Bestandrechte an eine Personen- oder Kapitalgesellschaft, an welcher sie maßgeblich beteiligt ist, gestattet, jede andere Weitergabe des Unternehmens oder von Teilen davon aber untersagt sei. Schon aus der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung ergebe sich daher die Verpflichtung der Beklagten, das von Elisabeth F in den strittigen Räumen betriebene Schuhgeschäft zu entfernen, die Überlassung des Geschäftslokals an dritte Personen zu unterlassen und in diesem Lokal auf Grund des Gewerbescheins der Klägerin oder einer eigenen Gewerbeberechtigung ein Handelsgewerbe zu betreiben. Zum gleichen Ergebnis führe aber auch die Anwendung des § 1098 ABGB, wonach eine Unterbestandgabe nur dann zulässig sei, wenn sie ohne Nachteil des Eigentümers - hier also des Unterbestandgebers - geschehen könne. Daß der Hauptmieter Ernst B gegen die Weitergabe des Geschäftslokals an die Beklagte nichts unternommen habe, bedeute noch nicht, daß er auch die neuerliche Weitergabe an Elisabeth F dulden müsse; gerade deshalb, weil in dem strittigen Lokal jetzt nicht mehr ein Damenmodengeschäft, sondern eine Schuhboutique betrieben werde und daher eindeutig eine Untervermietung der Bestandräume vorliege, müsse die Klägerin nun sehr wohl damit rechnen, von Ernst B auf Unterlassung der Untervermietung in Anspruch genommen zu werden. Schikanöse Rechtsausübung liege im übrigen schon deshalb nicht vor, weil der Klägerin ein schutzwürdiges Interesse, darauf Einfluß zu nehmen, wer in ihren Bestandräumen ein Unternehmen betreibt, nicht abgesprochen werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge.

Die Urteile der Untergerichte wurden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hatte :

Das Klagebegehren des Inhalts, die Beklagte sei schuldig, in Zuhaltung der Vereinbarung vom 29. Oktober und 2. November 1971 in dem Geschäftslokal 1010 Wien, F-Gasse 4, top Nr. IV, auf Grund des Gewerbescheines der Klägerin oder auf Grund einer eigenen Gewerbeberechtigung ein Handelsgewerbe zu betreiben, das von Frau Elisabeth F in diesem Standort betriebene Schuhgeschäft zu entfernen und die Überlassung des genannten Geschäftslokals an Dritte zu unterlassen, sowie der Klägerin die Prozeßkosten zu ersetzen, alles dies binnen 14 Tagen bei Exekution, wird abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Vorweg ist festzuhalten, daß grundsätzlich auch ein Unterbestandnehmer den Gebrauch der Bestandsache an einen Dritten weitergeben und dadurch seinerseits ein (weiteres) Bestandverhältnis begrunden kann, sofern dies im Sinne des § 1098 ABGB ohne Nachteil des Hauptbestandnehmers geschehen kann und im (Unterbestand-)Vertrag nicht ausdrücklich untersagt worden ist. Die von Klang[2] V, 58 und Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz, 54 vertretene Ansicht, daß eine solche Verfügung des Unterbestandnehmers nur mit Zustimmung des Hauptbestandnehmers zulässig sei, findet im Gesetz keine Stütze. Für sie ist insbesondere auch aus der von Klang (V, 58 FN 80) bezogenen Entscheidung SZ 21/79 = EvBl. 1948/359 = JBl, 1948, 532 = MietSlg. 86 nichts zu gewinnen, weil dort die Unzulässigkeit der Weitergabe des Bestandobjekts durch den Unterbestandnehmer ausdrücklich aus dem durch die bestehende Wohnungsgemeinschaft begrundeten besonderen Naheverhältnis zwischen Haupt- und Untermieter abgeleitet worden war. In dem zu 6 Ob 162/59, MietSlg. 7061, entschiedenen Fall war aber die Zustimmung des Hauptmieters zur Weitergabe des Gebrauches der Bestandsache von Anfang an unbestritten gewesen, so daß auch diese Entscheidung - ungeachtet der irreführenden Sperrung des Wortes "Zustimmung" in dem in der MietSlg. abgedruckten Auszug - nicht gegen die hier vertretene Auffassung ins Treffen geführt werden kann.

Nach den Feststellungen der Untergerichte hat die Beklagte ihrer Vertragspartnerin Elisabeth F das Geschäftslokal samt (unvollständigem) Inventar, jedoch ohne Warenlager, "zur Benützung überlassen" und sich dafür den Ersatz derjenigen Beträge ausbedungen, welche sie selbst an die Klägerin zu zahlen hat. Ob dieser Gebrauchsüberlassung eine Abtretung der (Unter-)Bestandrechte an Elisabeth F zugrunde liegt, - so die Behauptung der Klägerin (ON 1, S. 3) -, oder ob im Sinne des Vorbringens der Beklagten (ON 2, S 7 b vo) ein (weiteres) Unterbestandverhältnis eingegangen wurde, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Für den Abschluß eines Unterbestandvertrages scheint die Feststellung zu sprechen, daß "als Vertragsdauer jene des Vertrages mit Slezak angenommen" wurde (ON 16, S. 96); auch kann bei Weitergabe des Gebrauches der Bestandsache durch den Bestandnehmer im Zweifel immer nur eine Verfügung über den Bestandgegenstand und nicht über das Bestandrecht, also nur Unterbestand und nicht Bestandrechtsabtretung, angenommen werden (MietSlg. 7071, 24 303; vgl. Ehrenzweig[2] II/1, 445). Die rechtliche Qualifikation des Vertragsverhältnisses zwischen der Beklagten und Elisabeth F braucht aber diesmal nicht weiter erörtert zu werden: Die Abtretung von Bestandrechten (§§ 1392 ff. ABGB) unterscheidet sich zwar vom bloßen Afterbestand im Sinne des § 1098 ABGB nicht nur im Rechtstitel - welcher bei der Abtretung meist Kauf oder Schenkung, im anderen Fall aber Bestandvertrag ist (Klang[2] V, 60; Mayrhofer, Abtretung von Bestandrechten und Abtretungsverbot, ÖJZ 1973, 146 (150) , sondern vor allem auch dadurch, daß nur der Bestandrechtserwerber - wie jeder Zessionar - in ein unmittelbares Rechtsverhältnis zum Bestandgeber tritt (MietSlg. 7071, 24 303 u. a.; Klang 59, 61). Solange aber der Bestandgeber der zwischen dem Bestandnehmer und einem Dritten vereinbarten Bestandrechtsabtretung nicht zustimmt, ist die Rechtsstellung des Zessionars derjenigen eines Unterbestandnehmers sehr ähnlich: Nach der neueren Rechtsprechung des OGH (insbesondere SZ 46/24 = JBl. 1974, 90 = MietSlg. 25 132/11 mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; siehe auch Mayrhofer, 149) ist der Vertrag zwischen dem Bestandnehmer und dem Dritten über die Abtretung von Bestandrechten ohne Zustimmung des Bestandgebers und Eintritt des Zessionars in die Verpflichtungen des bisherigen

Bestandnehmers im Verhältnis zum Bestandgeber wirkungslos; ihm gegenüber bleibt auch weiterhin allein der Zedent berechtigt und verpflichtet. Die Rechtswirkungen einer solchen - von Mayrhofer (149) als "abgeschwächte Bestandrechtsübertragung" bezeichneten - Zession treten also nur im Verhältnis zwischen dem Bestandnehmer (als dem Zedenten) und dem Erwerber (als dem Zessionar) ein; gegenüber dem Bestandgeber (als dem debitor cessus) stehen dem Bestandrechtszessionar in diesem Fall unmittelbare Rechte ebensowenig zu wie einem bloßen Unterbestandnehmer. Diese weitgehende Ähnlichkeit der Rechts- und Interessenlage rechtfertigt aber, wie Mayrhofer (151) überzeugend dargelegt hat, eine analoge Anwendung des § 1098 ABGB auch auf den Fall der Bestandrechtsabtretung. Die auf einer solchen Zessionsvereinbarung beruhende tatsächliche Überlassung des Bestandobjektes an einen Dritten muß der Bestandgeber also grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn er der Abtretung nicht zugestimmt und damit das Entstehen unmittelbarer Rechtsbeziehungen zum Zessionar verhindert hat; er kann sich gemäß § 1098 ABGB dagegen nur dann zur Wehr setzen, wenn ihm aus der Gebrauchsüberlassung ein Nachteil erwächst oder eine Weitergabe der Bestandrechte vertraglich ausgeschlossen worden ist.

Im Sinne dieser Rechtsausführungen könnte daher dem vorliegenden Klagebegehren nur dann ein Erfolg beschieden sein, wenn die beanstandete Weitergabe des Geschäftslokals - gleichgültig, ob sie als Bestandrechtsabtretung oder als Unterbestandgabe zu qualifizieren ist - von der Beklagten entgegen einem vertraglichen Verbot vorgenommen worden oder mit der Gefahr eines Nachteils für die Klägerin verbunden wäre. Keine dieser beiden Voraussetzungen ist aber nach Ansicht des erkennenden Senates im konkreten Fall gegeben:

Das Berufungsgericht hat aus Punkt IX der "Vereinbarung" Beilage 2 - wonach die Beklagte berechtigt ist, die Rechte aus dieser Vereinbarung gegen Verständigung der Klägerin "auf eine Personen- oder Kapitalgesellschaft zu übertragen, an der sie als persönlich haftender Gesellschafter oder maßgebender GmbH-Gesellschafter beteiligt ist" - im Zusammenhang mit Punkt V - welcher die Beklagte verpflichtet in dem Geschäftslokal auf Grund des Gewerbescheins der Klägerin oder auf Grund einer eigenen Gewerbeberechtigung ein Handelsgewerbe mit einem beliebigen Gegenstand zu betreiben - ein vertragliches Verbot jeder anderen Form der Weitergabe des Bestandgegenstandes oder des darin betriebenen Unternehmens durch die Beklagte abgeleitet und diese Ansicht vor allem damit begrundet, daß bei gegenteiliger Auffassung insbesondere Punkt IX jeden Sinn verlieren würde. Dagegen hat aber die Beklagte mit Recht eingewendet, daß der letztgenannten Vertragsbestimmung bei unbefangener Auslegung nichts anderes entnommen werden kann als eine ausdrückliche Ermächtigung der Beklagten zur (vollständigen) Abtretung ihrer Bestandrechte an eine Handelsgesellschaft der hier genannten Art und damit eine im voraus erklärte Zustimmung der Klägerin zu einem solchen Wechsel ihres Vertragspartners (vgl. MietSlg. 23 150 mit weiteren Zitaten). Geht man aber davon aus, daß Punkt IX des Vertrages solcherart keine Beschränkung, sondern im Gegenteil eine Erweiterung der der Beklagten als Unterbestandnehmerin nach dem Gesetz (§ 1098 ABGB) zustehenden Befugnisse enthält, dann ist für eine Auslegung dieser Bestimmung im Sinne des vom Berufungsgericht angenommenen generellen Weitergabeverbotes kein Raum. Die vom angefochtenen Urteil angenommene "persönliche Betriebspflicht" der Beklagten findet aber auch in Punkt V des Vertrages keine Stütze, weil diese Bestimmung die (Unter-)Bestandnehmerin zwar zum Betrieb eines - beliebigen - Handelsgewerbes in dem Geschäftslokal verpflichtet, jedoch mit keinem Wort zum Ausdruck bringt, daß die Beklagte diese Verpflichtung nur persönlich und nicht auch durch einen (weiteren) Unterbestandnehmer bzw. Bestandrechtszessionar erfüllen könnte. Da die "Vereinbarung" Beilage 2 auch sonst keine Anhaltspunkte für ein der Beklagten auferlegtes Verbot der Weitergabe ihrer Bestandrechte bietet, kann das vorliegende Klagebegehren auf den Rechtsgrund des Vertrages nicht gestützt werden.

Entgegen der Meinung der Untergerichte hat die Klägerin durch die beanstandete Gebrauchsüberlassung aber auch keinen "Nachteil" im Sinne des § 1098 ABGB zu befürchten. Die Klägerin hat dazu lediglich vorgebracht, daß sie selbst durch das im Vertrag mit dem Hauptmieter Ernst B (Beilage 3) vereinbarte Verbot der Untervermietung gebunden und daher auch die Beklagte nicht berechtigt sei, den Bestandgegenstand an dritte Personen weiter zu geben. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang davon spricht, daß sie einen Vertragsbruch gegenüber Ernst B vermeiden wolle, ist diese - auch vom Erstgericht übernommene Argumentation allerdings nicht recht verständlich: Die Klägerin hat ihren Vertrag mit Ernst B, wenn überhaupt, dann bereits durch den Abschluß der "Vereinbarung" Beilage 2 gebrochen, welche nicht nur deshalb, weil die Beklagte von ihrer in Konkurs verfallenen Vorgängerin Eva F kein lebendes Unternehmen übernommen hatte, sondern auch im Hinblick auf das der Beklagten vertraglich eingeräumte Recht, in dem Geschäftslokal ein Handelsgewerbe mit beliebigen Gegenstand zu betreiben, rechtlich nicht als (Unter-)Pacht, sondern als (Unter-)Vermietung zu qualifizieren ist und daher an sich gegen das in Punkt V des Vertrages Beilage 3 vereinbarte Verbot einer (weiteren) Untervermietung verstößt. Ohne Zustimmung des Hauptmieters - welche in der Klage zwar behauptet, von den Untergerichten aber nicht festgestellt worden ist - durfte die Klägerin also das ihr von Ernst B in Unterbestand gegebene Geschäftslokal gar nicht der Beklagten zur Benützung überlassen. Daß aber eine allfällige Zustimmung Ernst B zu einer solchen Weitergabe des Bestandobjektes (oder die zumindest stillschweigende Duldung dieses Zustandes durch ihn) von der persönlichen Führung des Unternehmens durch die Beklagte abhängig wäre, so daß bei einem Wechsel des Geschäftsinhabers mit Gegenmaßnahmen des Hauptmieters gerechnet werden müßte, hat die Klägerin nicht einmal behauptet. Die Erwägung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin nunmehr "Widerstände"- Ernst B, ja unter Umständen sogar eine Unterlassungsklage von seiner Seite zu erwarten habe, geht daher schon mangels eines entsprechenden Parteienvorbringens ins Leere. Das gleiche gilt für die Annahme des angefochtenen Urteils, daß Ernst B allenfalls den Wechsel des Unternehmensgegenstandes zum Anlaß von Schritten gegen die Klägerin nehmen könnte; ganz abgesehen davon nämlich, daß auch diese Vermutung im Vorbringen der Klägerin keine Deckung findet, kann die Klägerin aus dieser Tatsache schon deshalb keine Rechte gegenüber der Beklagten ableiten, weil sie ihr ja in Punkt V des Vertrages Beilage 2 selbst gestattet hat, in dem fraglichen Lokal ein Handelsgewerbe "mit einem beliebigen Gegenstand" zu betreiben.

Zusammenfassend kommt der OGH daher zu dem Ergebnis, daß sich die Klägerin zur Begründung ihres in diesem Rechtsstreit erhobenen Begehrens weder auf ein vertragliches Verbot noch auf einen ihr drohenden Nachteil im Sinne des § 1098 ABGB berufen kann. Ohne daß es daher erforderlich wäre, auf die übrigen Einwendungen der Beklagten einzugehen, mußten die Urteile der Untergerichte schon aus diesen rechtlichen Erwägungen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abgeändert werden.

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