OGH 3Ob64/48

OGH3Ob64/4810.3.1948

SZ 21/79

Normen

ABGB §1098
Mietengesetz §19 Abs2 Z12
ZPO §503 Z4
ABGB §1098
Mietengesetz §19 Abs2 Z12
ZPO §503 Z4

 

Spruch:

§ 1098 ABGB.: Die Abtretung eines Untermietrechtes ohne Zustimmung des Unterbestandgebers ist unzulässig. Der Hauptmieter ist berechtigt, gegen Personen, die ohne seine Zustimmung vom Untermieter in das Bestandobjekt aufgenommen wurden, unmittelbar die Räumungsklage einzubringen.

Entscheidung vom 10. März 1948, 3 Ob 64/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Klägerin begehrte die Räumung von zwei vom Beklagten benützten Räumen der von ihr gemieteten Wohnung mit der Begründung, sie habe drei Räume der Wohnung an Ida J. untervermietet, von denen zwei deren Tochter Irene M. benützte. Letztere sei am 31. Mai 1947 ohne Wissen der Klägerin ausgezogen und habe den Schlüssel zu den Räumen dem Beklagten übergeben, der noch am gleichen Tage ohne Wissen der Klägerin in die Räume eingezogen sei und diese somit ohne Rechtstitel innehabe. Der Beklagte hat lediglich eingewendet, daß Irene M. ihm einen Untermietvertrag mit der Klägerin vorgewiesen und erklärt habe, es sei alles geregelt, er könne mit Zustimmung der Klägerin seine bisherige Wohnung mit ihr tauschen; er habe dann tatsächlich den Wohnungstausch durchgeführt, doch habe die Klägerin nach seinem Einzuge erklärt, sie habe von der Vereinbarung keine Kenntnis, und habe sich auch geweigert, den Meldezettel zu unterfertigen.

Das Prozeßgericht gab der Klage mit der Begründung statt, daß das "Benützungsverhältnis", das zwischen der Klägerin und Irene M. bestanden habe, durch die Aufgabe der Räumlichkeiten seitens der M. gegenstandslos geworden sei, da letztere durch konkludente Handlungen ihren Anspruch als Untermieterin aufgegeben habe; der Beklagte benütze daher die Räume ohne Rechtstitel.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und stellte sich auf den Standpunkt, daß § 1098 ABGB. nur dem Hauptmieter das Recht zur Weitergabe in Afterbestand gebe und daß der Untermieter seine Rechte daher nur mit Zustimmung des Hauptmieters abtreten könne, da die Untermiete ein derartiges Naheverhältnis zwischen den Parteien begrunde, daß es der Verkehrssitte entspreche, die Weitergabe in Untermiete als verboten und erheblich nachteilig anzusehen. Da die Klägerin nach der Darstellung des Beklagten mit dessen Eintritt in das Untermietverhältnis nicht einverstanden gewesen sei, habe der Beklagte kein Recht an dem Räumen erworben, weshalb gar nicht zu erörtern sei, ob die Untermietrechte der J. und der M. noch aufrecht seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionsgrund des § 503, Z. 4 ZPO. wird dahin ausgeführt, daß der Unterbestandnehmer berechtigt sei, auch fremden Personen vorübergehend oder dauernd den Aufenthalt in den in Unterbestand genommenen Räumen zu gestatten oder den ihm zustehenden Gebrauch ganz oder teilweise zu überlassen. Da es sich um zwei getrennte Wohnungen handle, fehle die Wohnungsgemeinschaft und damit auch das Naheverhältnis. Zwischen dem Hauptmieter und dem vom Untermieter aufgenommenen Beklagten bestehe kein Rechtsverhältnis, weshalb die Klägerin zur Räumungsklage nicht legitimiert sei. Es sei deshalb die Ansicht des Berufungsgerichtes verfehlt, daß nicht erörtert zu werden brauche, ob der Untermietvertrag mit J. und M. noch aufrecht sei; konkludente Handlungen, aus denen auf die einverständlich Aufhebung des Untermietvertrages geschlossen werden könne, lägen nicht vor.

Es ist sogar dem Hauptbestandnehmer verwehrt, ohne Zustimmung des Bestandgebers aus dem Vertrage vollkommen auszuscheiden und seine Rechte auf eine andere Person zu übertragen (SZ. III/54); um so weniger kann mit Rücksicht auf das zwischen dem Unterbestandgeber und dem Untermieter bestehende besondere Naheverhältnis ein solches Recht dem Untermieter zugestanden werden. Das Vorbringen der Revision, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Naheverhältnis handle, da keine Wohnungsgemeinschaft vorliege, sondern zwei getrennte Wohnungen bestunden, stellt eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Gesetz im § 1098 ABGB. nur dem Bestandnehmer das Recht zur Untervermietung einräume, nicht aber dem Untermieter die Gestattung der Benützung des untervermieteten Bestandobjektes durch dritte Personen ohne Zustimmung des Untervermieters, ist somit frei von Rechtsirrtum.

Die Revision ist aber auch nicht begrundet, wenn sie geltend macht, daß während des Bestandes des Untermietvertrages die Klägerin die Räumungsklage nicht gegen den mit ihr in keinem Rechtsverhältnis stehenden Beklagten einbringen könne, sondern lediglich berechtigt sei, den Untermietvertrag zu kundigen oder die Untermieter auf Entfernung des Beklagten aus der Wohnung zu klagen. Nach überwiegender Lehrmeinung und Rechtsprechung kann zwar der Hauptbestandgeber auch bei vertragswidriger Untervermietung nicht gegen den Untermieter mit der Räumungsklage vorgehen, sondern hat sich an seinen Vertragspartner, den Hauptmieter zu halten, und kann diesen auf Entfernung des Untermieters klagen, unter Umständen allenfalls auch kundigen (Klang III, S. 40, SZ. VII/15 u. a. m.). Dies gilt jedoch nicht für das Verhältnis zwischen dem Untermieter und den vom Untermieter ohne Zustimmung des Untervermieters in die untervermieteten Räume aufgenommenen Personen. Die mit der Untermiete gewöhnlich verbundene Wohnungsgemeinschaft läßt strengere Anforderungen an das Verhalten des Untermieters begrundet erscheinen, seine rechtliche Stellung ist daher nicht die gleiche wie die des Hauptmieters. Das Gesetz (§ 19, Abs. 2, Z. 12 MietG.) sieht erleichterte Kündigungsmöglichkeiten gegen den Untermieter vor. Die in der Lehre und Rechtsprechung (Swoboda S. 400 ff. Ehrenzweig II/1, S. 447, SZ. VI/218 und 357, SZ. VII/204, 329, 378; Handl, Nr. 79 u. a.) überwiegende Ansicht vom relativ dinglichen Charakter des Mietrechtes und dem aus ihm abgeleiteten Rechtsschutze des Mieters gegen den unbefugten dritten Störer beschränkt sich auf den Hauptmieter und kann nicht auf den Untermieter ausgedehnt werden, da bei diesem alle rechtspolitischen Erwägungen in Wegfall kommen, die beim Hauptmieter dazu geführt haben, diesem den Umweg über eine gegen den Bestandgeber anzustellende Klage auf Wiederverschaffung der entzogenen Bestandsache zu ersparen (1 Ob 219/47 = ÖJZ. 1947, EvBl. Nr. 537). Mit Rücksicht auf diese Verschiedenheit der rechtlichen Stellung des Hauptbestandnehmers und der des Untermieters und im Hinblick auf die bereits erörterte Eigenart des Untermietverhältnisses muß dem Untervermieter das Recht eingeräumt werden, gegen Personen, die ohne seine Zustimmung vom Untermieter in das Bestandobjekt ausgenommen wurden, unmittelbar mit der Räumungsklage vorzugehen. Der Umstand, ob der zwischen der Klägerin und Ida J., bzw. Irene M. geschlossene Mietvertrag noch aufrecht besteht, ist daher für die Frage der Zulässigkeit der Räumungsklage gegen den Beklagten ohne rechtliche Bedeutung und deshalb vom Berufungsgericht mit Recht nicht erörtert worden.

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