Spruch:
Ein "mittelbarer" Schaden ist bei einem Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB begrifflich ausgeschlossen (Einsatz der Feuerwehr zur Beseitigung der durch einen Verkehrsunfall geschaffenen Gefahr)
OGH 23. September 1976, 2 Ob 44/76 (OLG Innsbruck 1 R 287/75; LG Innsbruck 7 Cg 691/74)
Text
Am 19. Mai 1972 ereignete sich im Kreuzungsbereich der Konzertstraße mit der Pastorstraße in Innsbruck ein Verkehrsunfall zwischen einem von Benvenuto P gelenkten Tankwagenzug und einem Straßenbahnzug der Linie 6 der Innsbrucker Verkehrsbetriebe, bei dem der Tankwagenanhänger umstürzte und Benzin auf die Fahrbahn floß. Aus Anlaß dieses Verkehrsunfalles wurde der Lenker des Tankwagenzuges wegen Verletzung des Vorranges der Straßenbahn nach § 431 StG rechtskräftig verurteilt. Die Erstbeklagte ist Halter des am Unfall beteiligten Tankwagenzuges, die Zweitbeklagte dessen Haftpflichtversicherer im Rahmen des internationalen Übereinkommens.
Die Klägerin (Stadtgemeinde Innsbruck) begehrt von den Beklagten Zahlung eines Betrages von 127 131.20 S samt 4% Zinsen seit 1. Jänner 1973 mit der Behauptung, daß der gegenständliche Unfall den Einsatz ihrer Berufsfeuerwehr erfordert habe, weil aus dem umgestürzten Tankwagenanhänger zirka 15 000 l Superbenzin auf die Fahrbahn und in weiterer Folge in den Kanal geflossen seien. Um eine Explosion zu verhüten und die Brandgefahr zu beseitigen, habe die Berufsfeuerwehr die Straßen beschäumen, die Kanaleinflüsse dicht machen, den Tankanhänger bergen, Benzin umpumpen, Ölbindemittel einsetzen und die benzingetränkten Ölbindemittel abtransportieren und verbrennen müssen. Durch diese Tätigkeiten seien der Klägerin Auslagen entstanden, die aus dem Titel des Schadenersatzes von den Beklagten zu ersetzen seien.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten, soweit für das Rechtsmittelverfahren von Belang, ein, daß nach dem Tiroler Feuerwehrgesetz zur Abwendung von Bränden oder anderen öffentlichen Notständen die Feuerwehr kostenlos einzuschreiten habe, ausgenommen bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Auch auf Grund der für die klagende Partei geltenden Statuten und gesetzlichen Vorschriften könne ein Ersatzanspruch gegen die Beklagten nicht gestellt werden.
Das Erstgericht traf im wesentlichen folgende Feststellungen: Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche betreffen Auslagen, die im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verkehrsunfall durch den Einsatz der Berufsfeuerwehr entstanden sind, und zwar 1440 S an Transportkosten des Frächters Alois M. Ladegeräteeinsatz der Firma P von 1000 S, Pumparbeiten der Firma Tobias G über 10 925 S, Instandsetzung und Füllung von Trocken-Total der Firma T von 1131.20 S, Schwerschaummittel der Firma T von 10 970 S, 41 Säcke Ekoperl 33 der Firma P von 8303 S, Säuberungsarbeiten des Stadtentwässerungsamtes von 3547 S, Verwendung von Expyrol der Firma G im Betrage von 13 650 S,Leistungen des städtischen Fuhrparks im Ausmaß von 2197 S und Einsatz der städtischen Berufsfeuerwehr von 73 968 S. Die Richtigkeit der bezüglichen Rechnungen und die Angemessenheit der hiefür geltend gemachten Beträge stehen außer Zweifel. Die klagsgegenständlichen Ansprüche waren zur Schadensverhütung notwendig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, daß die Erstbeklagte für die zur Schadensverhütung notwendig gewesenen Ansprüche der Klägerin als Betriebsunternehmer und Halter des Tankwagenzuges nach den Bestimmungen des EKHG und die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer für die italienische Versicherungsgesellschaft (richtig:) nach §§ 62, 63 KFG haften.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der beklagte Partei gegen das erstgerichtliche Urteil, soweit darin Nichtigkeit offenbar nach § 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO - geltend gemacht wurde, und gab ihr im übrigen keine Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerber machen zunächst geltend, daß es sich bei der Klägerin um eine Verwaltungsbehörde handle, die auf Grund eine öffentlich-rechtlichen Vorschrift eingeschritten sei, nun aber die Stellung einer schadenersatzfordernden Privatperson einnehmen wolle, was dem Gesetz nicht entspreche, weshalb der Rechtsweg unzulässig sei.
Hierzu ist darauf zu verweisen, daß die Untergerichte die Zulässigkeit des Rechtsweges - deren Mangel übrigens von den beklagten Parteien nicht eingewendet wurde - übereinstimmend (obschon nur implicite) bejaht haben. Es liegt damit eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges vor, die zwar im Rahmen eines Urteiles ergangen ist, der aber Beschlußcharakter innewohnt (siehe Fasching IV, 21 sowie IV, 452 und die jeweils zitierte Judikatur) und deren Anfechtbarkeit daher nach § 528 ZPO zu beurteilen ist. Nach § 528 Abs. 1 ZPO erster Fall ist jedoch die Bekämpfung eines bestätigenden Beschlusses der zweiten Instanz über die Zulässigkeit des Rechtsweges unzulässig (Fasching IV, 452 und die dort zitierte Rechtsprechung). Bei Behandlung der vorliegenden Revision ist somit von der Zulässigkeit des Rechtsweges auszugehen.
Die Revisionswerber meinen ferner, daß der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz von Rettungsaufwand im wesentlichen deshalb nicht zustehe, weil ihr ein Schaden nicht entstanden und sie überdies auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zum kostenlosen Einschreiten verpflichtet gewesen sei. Dazu ist zu sagen:
Anspruch auf Ersatz von Rettungsaufwand hat nur der Beschädigte (Wolff in Klang[2] VI, 59; Ehrenzweig II/1, 38). Ob und inwieweit die Klägerin durch den klagsgegenständlichen Unfall und insbesondere durch das Ausfließen der großen Benzinmenge geschädigt wurde bzw. ob und inwieweit die drohende Brand- und Explosionsgefahr sie betraf, ob ihr sonach ein Schadenersatzanspruch zusteht, kann auf Grund der getroffenen Feststellungen nicht - und auch nach der Aktenlage nicht mit Sicherheit - beurteilt werden. Das schadet indes nicht, weil der Anspruch der Klägerin jedenfalls als ein solcher auf Ersatz von Aufwand nach § 1042 ABGB zu beurteilen ist. Dieser Anspruch, wiewohl in der Klage als Schadenersatzanspruch bezeichnet, läßt sich aus den Klagsbehauptungen zwanglos ableiten. Nach der im österreichischen Zivilprozeßrecht geltenden Substantivierungstheorie ist weder der Kläger zur rechtlichen Qualifikation verpflichtet noch ist das Gericht - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - an einen vom Kläger genannten Rechtsgrund gebunden (Fasching III, 21, 23). Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder wie immer verursacht, auch zur Beseitigung der Gefahr verpflichtet. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß Benvenuto P als unfallschuldtragender Lenker und die erstbeklagte Partei als verfügungsberechtigter Eigentümer (Halter) des Fahrzeuges, von dem die Gefahr durch das Ausfließen des Benzins ausging, zur Hintanhaltung der drohenden Brand- und Explosionsgefahr bzw. zur Beseitigung und Unschädlichmachung des ausgeflossenen Benzins nach dem Gesetz (vgl. auch § 92 StVO) verbunden waren. Da die Klägerin für die erstbeklagte Partei den zur Gefahrenbeseitigung erforderlichen Aufwand gemacht hat, kann sie dafür gemäß § 1042 ABGB Ersatz fordern.
Daß, wie die Revisionswerber behaupten, die von der Klägerin erbrachten Leistungen nach den einschlägigen Bestimmungen unentgeltlich zu erbringen gewesen wären, trifft nicht zu. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß die Pflicht für Hilfeleistung durch die Feuerwehr gemäß § 23 Abs. 1 des Tiroler Landesfeuerwehrgesetzes 1970 und § 1 Abs. 1 der Feuerpolizeiordnung 1970 grundsätzlich unentgeltlich ist, doch ist in der Sonderbestimmung des § 3 Abs. 4 Feuerpolizeiordnung 1970 vorgesehen, daß bei Gefahr im Verzug der Bürgermeister oder das von ihm beauftragte Organ auch ohne Anhörung des Verfügungsberechtigten die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen auf dessen Gefahr und Kosten sofort vollziehen kann. Da feststeht, daß Gefahr im Verzug, nämlich Brand- und Explosionsgefahr, bestand, kann die Berechtigung der Klagsforderung auch im Hinblick auf die zitierte Vorschrift nicht bezweifelt werden.
Daß ein "mittelbarer" und daher nicht ersatzfähiger Schaden Revision weiter vermeint, vorliege, ist bei einem Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB schon begrifflich ausgeschlossen.
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