Spruch:
Die Vorschrift des § 24 Glücksspielgesetz ist eine öffentlichrechtliche Bestimmung zum Schutze allgemeiner Wertauffassungen, nicht zugunsten der materiellen Interessen von Einzelpersonen. Ihre Verletzung kann daher für sich allein nicht einen Schadenersatzanspruch eines einzelnen, sondern nur Maßnahmen der Aufsichtsbehörde zur Folge haben
OGH 26. August 1976, 7 Ob 632/76 (OLG Wien 6 R 55/76; LGZ Wien 40 a Cg 53/75)
Text
Der Kläger begehrt aus dem Titel des Schadenersatzes den Zuspruch von 150 000 S samt Anhang mit der Begründung, er habe in der Zeit vom Juli 1973 bis Ende Oktober 1973 häufig im Casino der Beklagten in Seefeld gespielt und hiebei einen Betrag von insgesamt 150 000 S verloren. Da er als kaufmännischer Angestellter lediglich 7500 S monatlich verdient habe und für seine Ehegattin und 2 mj. Kinder sorgen müsse, überstiegen die Spielverluste bei weitem seine finanziellen Möglichkeiten. Tatsächlich habe er zu ihrer Deckung Darlehen aufnehmen müssen, die er nunmehr zurückzuzahlen habe. Die Beklagte wäre daher nach § 24 Abs. 3 des Glücksspielgesetzes verpflichtet gewesen, ihn vom Spielbetrieb auszuschließen und ihm hiedurch die Möglichkeit größerer Spielverluste zu nehmen. Die weitere Zulassung des Klägers zum Spielbetrieb stelle einen Verstoß der Beklagten gegen die erwähnte gesetzliche Bestimmung dar. Ein derartiger Verstoß mache die Beklagte dem Kläger gegenüber schadenersatzpflichtig.
Die Beklagte bestritt das vom Kläger behauptete Einkommen und die von ihm behauptete Häufigkeit seines Besuches im Casino Seefeld, wendete ein, der Kläger habe wiederholt versucht, unter falschem Namen Zutritt zum Casino zu erlangen und beantragte im übrigen Klagsabweisung mit dem Hinweis, das Glücksspielgesetz sei kein Schutzgesetz zugunsten der Besucher des Spielcasinos. Aus diesem Gründe könne ein Besucher des Casinos aus der Verletzung seiner Bestimmungen keinen Schadenersatzanspruch ableiten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit folgender Begründung ab:
Ein Verschulden des Klägers an seinen Verlusten überwiege derart weitgehend ein allfälliges Verschulden der Beklagten, daß er einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte nicht erheben könne. Im übrigen stehe fest, daß der Kläger mehrfach durch Täuschungshandlungen Zutritt zum Spielcasino erlangt habe. Er habe es fallweise unter falschem Namen besucht und darüber hinaus den Eindruck erweckt, er verfüge über ein weit höheres Einkommen. Dem Kläger seien auch die Bedingungen des Spielbetriebes bekannt gewesen. Wenn er unter diesen Bedingungen weiterhin am Spielbetrieb teilgenommen habe, müsse er sich Verluste selbst zuschreiben. Er könne daher diese Verluste nicht aus dem Titel des Schadenersatzes von der Beklagten hereinbringen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Rechtlich vertrat es den Standpunkt, bei § 24 Abs. 3 GlücksspielG handle es sich um eine verwaltungsrechtliche Bestimmung, die dem einzelnen Spieler kein subjektives Recht gegen die Spielbank auf eine entsprechende Kontrolle gewähre, damit er vor übermäßigen Spielverlusten geschützt werde. Es könne demnach nicht wegen Verletzung eines subjektiven Rechtes ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden. Die weitere Frage, ob diese Vorschrift eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB sei, könne dahingestellt bleiben, weil der Kläger selbst bewußt zu seinem Nachteil gehandelt habe, indem er sich immer wieder leichtsinnig verhalten hätte. Diesfalls entfalle eine Schadenersatzpflicht gegenüber einem fahrlässig Handelnden. Dazu komme, daß sich bereits aus dem Vorbringen des Klägers ergebe, daß er zum Teil unbefugt die Spielbank besucht habe und darauf ein erheblicher Teil seiner Verluste zurückzuführen sei. Der Zweck einer Schutznorm sei jedoch auf den Schutz solcher Personen beschränkt, die befugterweise in den Gefahrenbereich gelangen. Derartiges sei aber nicht der Fall, wenn ein Spieler durch Vorgabe eines falschen Namens den Zutritt zur Spielbank erschleiche. Aus diesem Gründe müsse auch nicht geprüft werden, inwieweit die Beklagte nach § 1315 ABGB für allfällige Unterlassungen ihrer Angestellten hafte. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger leitet seinen Schadenersatzanspruch aus einer behaupteten Verletzung der Bestimmung des § 24 Abs. 3 Glücksspielgesetz, BGBl. 169/1962, durch die Beklagte ab. Er erblickt in dieser Bestimmung ein Schutzgesetz, dessen Verletzung den Verletzer schadenersatzpflichtig mache. Der Verstoß gegen ein Schutzgesetz verpflichtet jedoch nur insoweit zum Ersatz, als der Schaden aus der Verletzung eines Rechtsgutes entstanden ist, zu dessen Schutz die Schutznorm erlassen worden ist (ZVR 1974/35; ZVR 1972/190; EvBl. 1968/258 u. a.). Auf Grund eines rechtswidrigen Verhaltens ist sohin nur für jene verursachten Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (Koziol - Welser, Grundriß I[3], 296). Hieraus ergibt sich, daß die vom Kläger behauptete Verletzung des § 24 Abs. 3 Glücksspielgesetz seinen Schadenersatzanspruch nur dann begrunden könnte, wenn sie den Zweck hätte, konkrete Einzelpersonen vor Spielverlusten zu schützen, diese Einzelpersonen sohin einen individuellen Anspruch gegenüber dem Spielbankunternehmen auf Ausschluß vom Spielbetrieb haben. Dies hat das Berufungsgericht mit Recht verneint.
Der Schutzzweck einer Norm ergibt sich aus ihrem Inhalt. Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (ZVR 1974/265 u. a.). Hiebei ist der Zweck der Schutznorm auf den Schutz solcher Personen beschränkt, die befugterweise in den Gefahrenbereich gelangen (SZ 43/132). Aus diesem Gründe scheidet eine Haftung der Beklagten jedenfalls für jene Verluste des Klägers aus, die er anläßlich von Besuchen erlitten hat die von ihm unter Vorspiegelung einer falschen Identität ermöglicht wurden. Nach § 24 Abs. 1 Glücksspielgesetz ist nämlich der Besuch der Spielbank nur Personen gestattet, die sich mit einem Personalausweis mit Lichtbild ausweisen. Wer demnach den Zutritt in eine Spielbank erschleicht, ohne seine richtige Identität nachzuweisen, gelangt unbefugterweise in den allenfalls von diesem Gesetz umschriebenen Gefahrenbereich, weshalb er eine Schutznorm zur Abwehr dieser Gefahr nicht für sich in Anspruch nehmen kann. Daß Personen, die den Ausschluß des Klägers verfügen hätten können, an seinem Zutritt unter Vorspiegelung einer falschen Identität mitgewirkt hätten, hat der Kläger im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet. Im übrigen steht eine Überprüfung und Verfügung nach § 24 Glücksspielgesetz nur dem Leiter der Spielbank und nicht irgend einem Angestellten zu.
Zutreffend hat aber das Berufungsgericht ganz allgemein den vom Kläger behaupteten Schutzzweck des § 24 Abs. 3 Glücksspielgesetz nicht angenommen. Diese Bestimmung lautet wie folgt: "Ergeben sich begrundete Anhaltspunkte dafür, daß einem Spieler die persönliche Verläßlichkeit mangelt, oder seine Vermögens- oder Einkommensverhältnisse die Teilnahme am Spiel nicht oder nicht in dem geübten Ausmaß gestatten, so hat der Leiter der Spielbank dem Spieler den Eintritt in die Spielbank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen". Der Zweck dieser Bestimmung kann nur aus dem Gesamtzusammenhang mit den übrigen, den Spielbankbetrieb regelnden Bestimmungen verstanden werden. § 24 Glücksspielgesetz fällt in den Abschnitt D des Art. II, der mit "Spielbanken" überschrieben ist. Dieser Abschnitt zählt die Voraussetzungen für die Aufnahme des Spielbankbetriebes und für die Konzessionserteilung auf. Außerdem umschreibt er die Pflichten des Unternehmens. Zum Abschluß sieht er in § 29 eine Überwachung durch das Bundesministerium für Finanzen vor. Dieses hat Maßnahmen zu ergreifen, wenn das Unternehmen seinen Pflichten nicht nachkommt. Aus dem Gesamtzusammenhang dieses Abschnittes ist zu entnehmen, daß seine Bestimmungen öffentlich-rechtlicher Natur sind und den Zweck haben, einen geordneten Spielbetrieb zu ermöglichen und zu verhindern, daß das Unternehmen durch die Art seiner Tätigkeit öffentliches Mißfallen und Ärgernis erregt. Seit jeher sind nämlich gegen die staatliche Duldung des Glücksspieles moralische Einwände erhoben worden. Dessen war man sich bei Erlassung des Glücksspielgesetzes auch bewußt, wie die Ausführungen insbesondere des Abgeordneten Hofeneder in der Sitzung des Nationalrates vom 27. Juni 1962 und der Motivenbericht (Beilage 609 zu den stenografischen Protokollen, IX. GP) zeigen. Dort wurde diesen Einwänden mit dem Hinweis begegnet, das vorliegende Gesetz biete Kontrollmöglichkeiten in bisher noch nicht vorhandenem Ausmaß. Es wurde auf Kontaktnahmen mit ausländischen Unternehmen und auf die Möglichkeit von Interventionen aller möglicher Personen bei der Spielbank verwiesen. Hiebei wurde dargetan, daß die Spielbanken in der Regel derartigen Interventionen Rechnung tragen. Immerhin wurde aber die Notwendigkeit der Zulassung von Glücksspielunternehmen mit dem menschlichen Spieltrieb begrundet, der durch ein generelles Spielverbot nicht unterdrückt werden könne. Demnach hat der Gesetzgeber grundsätzlich diesem Spielbetrieb Rechnung getragen. Um jedoch dem Vorwurf zu begegnen, die Zulassung von Spielbanken ermögliche jedermann ohne Rücksicht auf seine Verhältnisse eine schrankenlose Verschwendung seines Vermögens, mußte die Möglichkeit eines Ausschlusses einzelner Personen vom Spielbetrieb geschaffen werden, weil ohne eine solche Möglichkeit keinem Spielwilligen die Teilnahme am zugelassenen Glücksspiel verwehrt werden könnte. Die Schaffung des § 24 Abs. 3 Glücksspielgesetz sollte dem Unternehmen die Handhabe für einen solchen Ausschluß bieten. Mit dieser Möglichkeit sollte dem öffentlichen Interesse daran, daß nicht jedermann, ohne Rücksicht auf seine Verhältnisse, am Glücksspiel teilnehmen könne, gedient werden. In diesem Sinne muß die Bestimmung als öffentlich-rechtliche Vorschrift zum Schutze allgemeiner Wertauffassungen verstanden werden. Sie ist aber nicht eine Schutzbestimmung zugunsten der materiellen Interessen von Einzelpersonen. Derartige Interessen schützen andere Vorschriften. Grundsätzlich legt es der Gesetzgeber in das Ermessen jeder eigenberechtigten Person, inwieweit sie eine Beteiligung an einem erlaubten Glücksspiel für vertretbar hält oder nicht. Im Wesen des Glücksspieles liegt die Möglichkeit des nicht vorhersehbaren Gewinnes oder Verlustes. Wenn daher der Gesetzgeber Glücksspiele in einem bestimmten Rahmen zuläßt, nimmt er damit auch in Kauf, daß Personen daran teilnehmen und Verluste erleiden. Wer an einem Glücksspiel teilnimmt, muß auch mit der Verlustmöglichkeit rechnen. Er kann daher nicht Gewinne für sich in Anspruch nehmen, für Verluste dagegen die Spielbank verantwortlich machen. Diese ist ihm gegenüber nicht zu einer Ablehnung seines Spieles verpflichtet. Sie ist lediglich gegenüber der Allgemeinheit im öffentlichen Interesse dazu verpflichtet, Kontrollen auszuüben, um dadurch zu verhindern, daß durch krasse Auswüchse der Spielleidenschaft öffentliches Ärgernis erregt wird. Die Überwachung der Einhaltung dieser Pflicht obliegt der Aufsichtsbehörde. Ein Verstoß dagegen ist keine Verletzung der Schutzpflicht gegenüber einer Einzelperson, sondern eine Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit. Ein solcher Verstoß für sich allein kann daher nicht einen Schadenersatzanspruch eines einzelnen, sondern nur Maßnahmen der Aufsichtsbehörde zur Folge haben. Gerade die übrigen, in § 24 Glücksspielgesetz vorgesehenen Spielverbote oder Beschränkungen (Personen in Uniform, Personen, die am Sitz der Spielbank ihren ordentlichen Wohnsitz haben usw.) zeigen, daß den Schutzwert dieses Paragraphen sich nicht auf Einzelpersonen erstreckt, sondern nur der Vermeidung öffentlichen Ärgernisses dient. Die Untergerichte haben daher mit Recht das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme abgewiesen, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.
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