Spruch:
Besteht nicht ein unmittelbares rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Verbindlichkeit des ersten Schuldners, ist im Zweifel Bürgschaft, nicht Schuldbeitritt anzunehmen OGH 7. April 1976, 1 Ob 568/76 (LG Innsbruck 2 R 482/75; BG Innsbruck 5 C 1742/73)
Text
Die Kläger sind Eigentümer des Hauses S, M-Straße 487. Mit Mietverträgen vom 2. Dezember 1971 mietete Helmut N in diesem Haus eine im ersten Stock gelegene Zwei-Zimmer-Wohnung zu einem wertgesicherten Mietzins von 1 500 S monatlich und ein im Parterre gelegenes Geschäftslokal zu einem wertgesicherten Mietzins von 5 000 S monatlich. Helmut N betrieb im Geschäftslokal eine Eier- und Geflügelhandlung. Mit Gesellschaftsvertrag vom 22. März 1972 und Nachträgen vom 4. Mai 1972 und 10. Mai 1972 errichteten Helmut N und die Beklagte die G-Handelsgesellschaft m. b. H., die unter HRB 15 ... in das Handelsregister des Landesgerichtes Innsbruck eingetragen wurde. Mit Abtretungsvertrag vom 28. September 1972 trat Helmut N seinen Geschäftsanteil an der Ges. m. b. H. an die Beklagte ab, blieb aber Geschäftsführer der Gesellschaft. Seit März 1972 wurde der Mietzins für die Räume im Hause der Kläger von der Ges. m. b. H. bezahlt. Am 15. Oktober 1973 wurde der Mietvertrag über das Geschäftslokal per 1. November 1973 unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist von einem halben Jahr unter Verwendung einer Stampiglie der Ges. m. b. H. aufgekundigt. Hierauf fand am 22. Oktober 1973 in der Kanzlei des Klagevertreters eine Besprechung statt, an der für Helmut N, der sich in Untersuchungshaft befand, die Beklagte teilnahm. Dabei einigte man sich dahin, daß der Bestandvertrag mit 15. November 1973 aufgelöst werde. Bis dahin war ein Mietzins von 16 043 S offen. Der Klagevertreter setzte mit der Beklagten folgende Vereinbarung auf:
"Ich bin Gesellschafterin der Mietpartei G-Ges. m. b. H. und berechtigt, mit den Vermietern zu verhandeln.
Wir versprechen, das Mietobjekt am 15. November 1973 geräumt und in gutem, gebrauchsfähigem Zustand zu übergeben. Die rückständige Miete, insbesondere den für Schadenersatz einbehaltenen Betrag von 12 596.44 S, werden wir bis zu diesem Datum samt der halben Miete für November und offenen Betriebskosten überweisen.
Die Vermieter erklären, daß sie unter den obgenannten Bedingungen mit der Beendigung des Mietverhältnisses zum 15. November 1973 einverstanden sind, begehren aber ausdrücklich, daß das Mietobjekt bei Übergabe auch ordentlich ausgeweißt sein muß."
Die Kläger begehrten von den Beklagten an Mietzins die Zahlung des Betrages von 19 491.16 S samt Anhang. Die Beklagte sei der Schuld des Helmut N beigetreten, was diese bestritt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht führte eine Beweiswiederholung durch und änderte sodann das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Beklagte zur Bezahlung von 16 043 S samt 9% Zinsen seit 10. November 1973 verurteilte und nur das Mehrbegehren abwies. Es stellte im wesentlichen fest: Für die Besprechung am 22. Oktober 1973 habe Helmut N die Beklagte mit seiner Vertretung beauftragt gehabt; sie habe mitgeteilt, daß Helmut N nicht kommen könne, sie sei aber selbst interessiert, die Angelegenheit in Ordnung zu bringen, weil sie die Gesellschafterin Helmut Ns sei. Sie habe zugesichert, daß der Rückstand von 16 043 S bezahlt werde. Sie habe sich dabei persönlich verpflichtet, für die Zahlung zu sorgen bzw. selbst zu bezahlen. Es seien mehrere Formulierungen gefallen. Die Beklagte habe gesagt: "Wir werden bis 15. November 1973 bezahlen", weiters "Ich stehe dafür ein, daß pünktlich bezahlt wird". Sodann sei vom Klagevertreter die oben erwähnte schriftliche Vereinbarung aufgesetzt worden. Als sich die Parteien über den Betrag von 16 043 S einig geworden seien, habe es der Klagevertreter nicht für notwendig gefunden, den Betrag noch festzuhalten. Ihm sei es wesentlich gewesen, daß das Mietobjekt mit 15. November 1973 sicher übergeben werde, weil ein neuer Mieter einziehen habe wollen. Seine Aufgabe sei es gewesen, den Mietvertrag mit dem neuen Mieter zu errichten. Aus diesem Gründe habe er wenig Wert darauf gelegt, die von der Beklagten eingegangene Zahlungsverpflichtung und deren Höhe genau zu Papier zu bringen. Es habe Einigkeit darüber bestanden, daß der in der schriftlichen Erklärung erwähnte Betrag von 12 596.44 S nicht mehr einbehalten und den Klägern gegenüber eingewendet werden könne. Rechtlich meinte das Berufungsgericht, die Erklärung der Beklagten, sie stehe dafür ein, daß pünktlich bezahlt werde, sei als Schuldbeitritt zu beurteilen. Im Zweifel hafte der Schuldübernehmer mit dem ursprünglichen Schuldner zur ungeteilten Hand.
Der Oberste Gerichtshof stellte über Revision der Beklagten das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach den Feststellungen kam die Beklagte zur Besprechung am 22. Oktober 1973 im Auftrag und in Vertretung des Helmut N und erwähnte dabei nur, daß sie auch selbst daran interessiert sei, die Angelegenheit in Ordnung zu bringen, weil sie die Gesellschafterin Helmut Ns sei. Im Zweifel konnte, wenn die Beklagte nicht ausdrücklich das Gegenteil behauptete, daher nur angenommen werden, daß sie entweder namens Helmut Ns oder aber der Ges. m. b. H., die zuletzt den Mietzins bezahlt hatte und in deren Namen auch das Bestandsverhältnis aufgekundigt worden war, Erklärungen abgeben wollte. Die schriftliche Erklärung vom 22. Oktober 1973, die vom Klagevertreter verfaßt wurde, ist auch so formuliert, daß die Beklagte nur berechtigt gewesen sei, für die Gesellschaft (oder allenfalls für den Mieter Helmut N) zu verhandeln. Wenn dann versprochen wurde,"wir" würden die rückständige Miete überweisen, kann dies nach dem Inhalt der schriftlichen Erklärung allein nicht als persönliche Zahlungsverpflichtung der Beklagten, die schließlich die GmbH wohl nicht zuletzt deswegen gegrundet hatte, um nicht persönlich haften zu müssen, aufgefaßt werden. Das Berufungsgericht ist auch gar nicht dieser Meinung, sondern zieht seine rechtliche Schlußfolgerung, die Beklagte habe eine Schuldbeitrittserklärung abgegeben, nur aus ihrer vor Verfassung der schriftlichen Erklärung abgegebenen mündlichen Äußerung, sie stehe dafür ein, daß pünktlich bezahlt werde. Von den Feststellungen des Berufungsgerichtes, das nach seiner allgemeinen Darlegung, die Beklagte habe sich persönlich verpflichtet, für die Zahlung zu sorgen bzw. selbst zu bezahlen, sodann erst konkret festhielt, welche Formulierungen die Beklagte tatsächlich gewählt hatte, kann auch nur die zweite konkret festgestellte Bemerkung allenfalls als persönliche Verpflichtung angesehen werden, weil die anderen Worte: "Wir werden bis 15. November 1973 bezahlen" nichts anderes bedeuten als die später unter "wir" abgegebene schriftliche Erklärung, die sich zumindest im Zweifel nur auf Helmut N oder auf die GmbH deren Geschäftsführer Helmut N damals war, beziehen konnte.
Die Befestigung eines Rechtes durch Verpflichtung eines Dritten gegenüber dem Gläubiger kann entweder durch den Beitritt als Mitschuldner oder durch Bürgschaft erfolgen (§ 1344 ABGB). Der Unterschied zwischen Bürgschaft und Beitritt als Mitschuldner liegt in der nur für die erstgenannte Verpflichtung geltende Subsidiarität und Akzessiorität (Koziol in JBl. 1964, 306). Auch die Schuld des Beitretenden ist zwar im Zeitpunkt ihrer Entstehung davon abhängig, daß die Schuld, der er beitritt, besteht, in ihrem Fortbestand ist sie aber als Solidarschuld eine selbständige Schuld, wogegen die Schuld des Bürgen auch in ihrem Fortbestand von der Hauptschuld abhängt (Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 151; vgl. auch Soergel - Reimer - Schmidt, BGB[10], 2, 522, Anm. 10; Fischer in BGB-RGRK[11], 914 Anm. 21; Brändl in Staudinger, BGB 10/11, 2492 Anm. 53). Die Zuordnung von Erklärungen zur Bürgschaft oder zum Schuldbeitritt ist vielfach von wesentlicher Bedeutung, weil es zur Gültigkeit eines Bürgschaftsvertrages erforderlich ist, daß die Verpflichtungserklärung des Bürgen schriftlich abgegeben wird (§ 1346 Abs. 2 ABGB), der Schuldbeitritt hingegen nicht an diese Formvorschriften gebunden ist (SZ 44/141; JBl. 1952, 209; Wolff in Klang[2] VI, 346; Koziol in JBl. 1964, 311). Die Zuordnung bereitet des öfteren Schwierigkeiten, weil sich die Parteien manchmal sehr unpräzise ausdrücken und allgemeine Ausdrücke wie "gutstehen" (oder "einstehen") verwenden, die sowohl auf Bürgschaft als auch auf Schuldbeitritt hindeuten können. Ist auch den Parteien nicht klar, welche Art von Gutstehen vorliegen soll, so muß versucht werden, den Vertrag aus den Umständen, insbesondere aber aus dem Zweck des Geschäftes und der Interessenlage auszulegen. Hat der Gutsteher kein eigenes vermögenswertes Interesse am Grundgeschäft zwischen dem Gläubiger und dem bisherigen Schuldner, ist wohl nur eine Sicherung der Verbindlichkeit beabsichtigt; es ist daher anzunehmen, daß eine Bürgschaft vereinbart werden sollte. Hat hingegen der Gutsteher ein eigenes vermögenswertes Interesse am Grundverhältnis zwischen Gläubiger und Urschuldner und ist dies auch dem Gläubiger bekannt, so ist zu vermuten, daß die Parteien Schuldbeitritt vereinbaren wollten. Meinte eine Partei Bürgschaft, die andere Schuldbeitritt, ist, gleichgültig welche Partei das eine oder das andere meinte, immer nur ein Bürgschaftsvertrag anzunehmen (Koziol, 311). Der Gebrauch der Worte "Schuldübernahme" oder "Schuldbeitritt" bildet allerdings keine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen der, §§ 1347, 1406 ABGB. Die allgemeinen Auslegungsregeln für Verträge (§§ 914, 915 ABGB) ergeben vielmehr, daß der Parteiwille auch dort, wo gewisse gesetzliche, dem Laien ohnehin fremde Begriffsbestimmungen nicht ausdrücklich verwendet werden, aus dem Zusammenhang und dem erweislichen objektiven Tatbestand unter Heranziehung der Verkehrssitte und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln ist. Eine Schuldübernahme bzw. ein Schuldbeitritt ist anzunehmen, wenn ein persönliches und sachliches unmittelbares Interesse an der wirtschaftlichen Existenz des Urschuldners besteht (JBl. 1952, 209; ähnlich EvBl. 1960/116; Gschnitzer, 151).
Insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland wird bei etwa gleicher Rechtslage wie in Österreich scharf unterschieden. Es wird die Auffassung vertreten, daß für die Annahme einer Schuldmitübernahme stets ein eigenes unmittelbares sachliches (rechtliches oder wirtschaftliches) Interesse an der Erfüllung der Verbindlichkeit des ersten Schuldners verlangt werden muß; das eigene sachliche Interesse des Eintretenden muß dergestalt sein, daß er den Vertrag selbst abgeschlossen hätte, wenn eine Verpflichtung zu dieser Leistung nicht oder nicht mehr bestanden hätte. Persönliche, ideale oder moralische Interessen genügen hingegen für die Annahme einer Schuldmitübernahme nicht; es bedarf stets deutlicher Anzeichen, um das Vorliegen einer Schuldmitübernahme zu bejahen (Fischer, 914; in diesem Sinne auch Reimer - Schmidt, 3, 653 Anm. 44; Brändl, Anm.53; vgl. auch Ehrenzweig[2] II/1, 109). Ein unmittelbares Interesse ist anzunehmen, wenn dem Schuldmitübernehmer die Vorteile des Geschäftes zugute kommen, von ihm Nachteile abgewendet werden oder wenn er sich verpflichtet hat, den Schuldner von seinen Schulden zu befreien (Reimer - Schmidt, 3, 654 Anm. 45). Selbst Bemerkungen, für die Schulden des Bruders aufzukommen oder die Erklärungen einer Tante, für den Neffen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu zahlen, wurden nur als Bürgschaft angesehen (Reimer - Schmidt, 3, 654 Anm. 46). Übereinstimmung besteht zudem darin, daß im Zweifel nicht Schuldbeitritt, sondern Bürgschaft anzunehmen ist (Ehrenzweig, 276; Klang in Klang[2] VI, 208; Reimer - Schmidt, 3, 653 Anm. 44; Fischer, 914; Brändl, 2493 Anm. 53).
Geht man von dieser Rechtslage aus, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes die von diesem für maßgeblich gehaltene Erklärung des Beklagten nicht als Schuldbeitritt aufgefaßt werden. Der Mietvertrag mit Helmut N bzw. der GmbH wurde aufgelöst, ein eigenes wirtschaftliches Interesse, für Zahlungsverpflichtungen des Helmut N oder der GmbH einzustehen, das vielleicht bestanden hätte, wenn das Unternehmen noch weiter betrieben worden wäre, konnte die Beklagte unter diesen Umständen nicht haben, sondern nur ein moralisches und persönliches, die Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Daran kann auch der Hinweis der Revisionsbeantwortung nichts ändern, die Beklagte sei die Lebensgefährtin Helmut Ns, von dem keine Zahlung zu erwarten gewesen sei, gewesen. Gewiß mag sie ein Interesse daran gehabt haben, das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden. Es kann jedoch nicht um die Vermeidung eigenen finanziellen Schadens gegangen sein, wenn die Kläger ebenso daran interessiert waren, das Lokal bis 15. November 1973 zur Weitervermietung frei zu bekommen. Aber selbst das Bestehen der Kläger auf voller Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist hätte höchstens Helmut N oder die GmbH, nicht aber die Beklagte persönlich getroffen. Sie legt mit Recht dar, doch nicht eine GmbH gegrundet zu haben, um dann doch eine persönliche Zahlungsverpflichtung zu übernehmen. Es wird allerdings die Auffassung vertreten, daß dann, wenn der Beitretende nicht erwarten kann, daß der Schuldner seine Schuld erfüllen werde, Schuldübernahme anzunehmen ist (Reimer - Schmidt, 3, 654 Anm. 45), aber ebenfalls nur dann, wenn ein eigenes sachliches Interesse besteht. Wenn die Beklagte, die vor allem als persönliche Vertreterin Helmut Ns oder seiner Person als Geschäftsführer der GmbH erschienen war, nur erklärte, dafür einzustehen, daß pünktlich bezahlt werde, kann darin, wenn überhaupt, nur eine Bürgschaftserklärung, keinesfalls aber ein Schuldbeitritt erblickt werden. Das kann umsoweniger angenommen werden, als die erst später vom nunmehrigen Klagevertreter aufgesetzte schriftliche Vereinbarung über eine persönliche Verpflichtung der Beklagten nichts enthält. Als allfällige mündlich übernommene Bürgschaft ist sie aber, wie die Revision mit Recht dartut, nicht verbindlich, da die Beklagte, jedenfalls soweit sie persönlich und nicht für die Gesellschaft handelte, nicht Kaufmann ist.
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