European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0010OB00333.75.0114.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die subsidiär erhobene Revision im Kostenpunkt wird zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer des Hauses *. Im Jahre 1971 kam der dem Kläger bis dahin unbekannte Beklagte in das in der unmittelbaren Nachbarschaft dieses Hauses gelegene Geschäft des Klägers und machte sich erbötig, die Dachreparatur an dessen Haus zu übernehmen. Der Beklagte, der Geschäftspapier mit dem Aufdruck „Dachdeckerei“ verwendete und dem Kläger nicht mitteilte, daß er in Wahrheit kein befugter Dachdeckermeister war, übernahm auf Grund eines Kostenvoranschlages vom 21. 8. 1971 verschiedene Dachdeckerarbeiten um den Gesamtbetrag von 58.000,‑‑ S; als Fertigstellungstag für die Arbeiten wurde der 2. 10. 1971 vereinbart; für den Fall der Nichteinhaltung dieses Fertigstellungstermins sollte der Beklagte ein Pönale von 500,‑‑ S für jeden Tag bezahlen. Da die Arbeiten nicht in einem Zug durchgeführt wurden, schrieb der Hausverwalter des Klägers am 17. 9. 1971 an den Beklagten, die Arbeiten unverzüglich durchzuführen und termingerecht zu beenden. Mit Schreiben vom 19. 10. 1971 wies der Hausverwalter den Beklagten auf die Gefahr von Schäden als Folge der mangelnden Fertigstellung hin und ersuchte ihn, alle Arbeiten laut Kostenvoranschlag bis spätestens 25. 10. 1971 fertigzustellen, da sonst eine andere Firma auf Kosten des Beklagten mit der Fertigstellung beauftragt werden würde. Nachdem der Kläger erfahren hatte, daß der Beklagte kein befugter Dachdeckermeister war, teilte der Hausverwalter dem Beklagten unter Berufung auf diese Tatsache mit Schreiben vom 22. 11. 1971 mit, die Hausinhabung sei nunmehr nicht einverstanden, daß die Arbeiten vom Beklagten beendet wurden. Bei einem Lokalaugenschein im Zuge eines gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens forderte der Kläger am 17. 1. 1972 jedoch den Beklagten auf, die Arbeiten durch einen befugten Dachdeckermeister fertigstellen zu lassen; dies sagte der Beklagte zu und erklärte, er werde sich bemühen, einen Meister zu finden. Da dies dem Beklagten nicht gelang, blieben die (auch nicht fachgerecht) durchgeführten Arbeiten durch den Beklagten unvollendet. Der Kläger konnte zur Vollendung der Arbeiten einen befugten Dachdeckermeister, der auch die Garantie für die Arbeiten übernommen hätte, nicht finden. Im Mai 1972 beendete er die meisten Arbeiten unter Beiziehung einer privaten Hilfskraft so weit selbst, daß das Dach zwar nicht als fachgerecht hergestellt, aber als regensicher mit einer Bestanddauer von zehn Jahren angesehen werden kann; die Bestanddauer eines fachgerecht hergestellten Daches wird mit 20 Jahren angenommen.
Der Kläger, der auch andere Ansprüche geltend machte, die jedoch nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sind, behauptete, der Beklagte müsse ihm für die Zeit vom 3. 10. 1971 bis 2. 2. 1973 eine Konventionalstrafe von täglich 500,‑‑ S, zusammen 242.500,‑‑ S, bezahlen, wovon er den Teilbetrag von 100.000,‑‑ S samt Anhang begehre. Der Beklagte wendete ein, er sei vom Kläger gehindert worden, die Arbeiten fertigzustellen; der Kläger hätte die Arbeiten mit einem wesentlich niedrigeren Betrag durch einen befugten Dachdeckermeister fertigstellen lassen können; das begehrte Pönale sei überhöht.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von 25.000,‑‑ S samt Anhang und wies das Mehrbegehren unter gegenseitiger Kostenaufhebung ab. Es stellte im wesentlichen fest: Da der Beklagte die vermorschten Dachsparren nicht erneuert habe, müßten 42 m2 Dachfläche abgetragen und dann wieder gelegt werden; die Kosten für Dachdecker- und Zimmermannsarbeiten hätten Anfang 1972 etwa 15.000,‑‑ S betragen. Zur Behebung der (anderen) Mängel und Vollendung der Arbeiten wäre für das Hauptgebäude im Jahre 1972 ein Aufwand von 31.640,‑‑ S, für die notwendigen Arbeiten am Hintertrakt ein solcher von 12.127,‑‑ S erforderlich gewesen. Durch die Säumigkeit des Beklagten hätten Schäden von 3.000,‑‑ bis 4.000,‑‑ S auftreten können. Die von ihm durchgeführten Arbeiten seien 33.037,‑‑ S wert gewesen. Die relativ geringfügige Lebensdauer des Daches von nur zehn Jahren sei keine Folge der Säumigkeit des Beklagten, sondern eine solche seiner mangelhaften Arbeit. Rechtlich führte das Erstgericht aus: Der Kläger hätte die Arbeiten bis spätestens Mitte Februar 1972 durch einen befugten Dachdeckermeister beenden lassen können. Abzüglich der sieben Wochen, während der der Beklagte deshalb nicht gearbeitet habe, weil ihm der Kläger die Fortsetzung der Arbeiten untersagt hatte, ergebe sich damit ein für die Berechnung des Pönaleanspruches maßgeblicher Zeitraum von zwölf Wochen, woraus sich eine Konventionalstrafe von 42.000,‑‑ S errechne. Unter Bedachtnahme darauf, daß dem Kläger nur ein tatsächlicher Schaden von 15.000,‑‑ S erwachsen und bei einer Auftragssumme von 58.000,‑‑ S ein Pönale von täglich 500,‑‑ S weit überhöht sei, sei der Anspruch des Klägers nur mit 25.000,‑‑ S gerechtfertigt.
Das erstgerichtliche Urteil wurde nur vom Kläger in seinem ein Teilbegehren von 75.000,‑‑ S samt Anhang abweisenden Teil bekämpft. Das Berufungsgericht hielt das Verfahren vor dem Erstgericht für mangelfrei, übernahm dessen Feststellungen, bestätigte die Entscheidung in der Hauptsache und trat auch der Kostenentscheidung bei. Rechtlich vertrat es noch die Auffassung, daß dem Kläger überhaupt nur ein Pönale für die Zeit vom 3. 10. bis 22. 11. 1971 zuzüglich der Zeit für die Beschaffung eines entsprechenden Ersatzes gebühre. Daß sich der Beklagte am 17. 1. 1972 bereit erklärt habe, die Arbeiten dennoch fertigstellen zu lassen, sei unerheblich, da damals nicht abermals eine Konventionalstrafe vereinbart worden sei und die seinerzeit vereinbarte, für den Beklagten äußerst harte Nebenverpflichtung nicht als stillschweigend erneuert angesehen werden könne.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes in der Hauptsache, subsidiär aber auch allein gegen die auf § 43 Abs. 2 ZPO gestützte bestätigende Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes, richtet sich die Revision des Klägers, die den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag geltend macht, das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren, erforderlichenfalls nach Ergänzung des Verfahrens, zur Gänze stattgegeben werde; allfenfalls sollten die Urteile der Untergerichte im angefochtenen Umfang aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Oberlandesgericht Wien oder das Landesgericht für ZRS Wien zurückgewiesen werden. Falls auch diesem Antrag nicht stattgegeben werden sollte, solle das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Prozeßkosten dahin abgeändert werden, daß dem Kläger sämtliche Kosten des Verfahrens erster Instanz, die Kosten des Beweissicherungsverfahrens und die Kosten zweiter und dritter Instanz zugesprochen werden.
Der Beklagte beantragte, die Revision der Klagsseite abzuweisen und das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vollinhaltlich zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision in der Hauptsache ist nicht berechtigt.
Die Vertrags- oder Konventionalstrafe ist eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung verspricht; sie kann insbesondere auch für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit versprochen und dann neben der Erfüllung gefordert werden (§ 1336 Abs. 1 letzter Satz ABGB). In der mit 21. 8. 1971 datierten Vereinbarung der Streitteile, daß die Nichteinhaltung des Fertigstellungstermines 2. 10. 1971 für jeden weiteren Tag ein Pönale von 500,‑‑ S „festgesetzt“ werde, ist die Vereinbarung einer Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit zu erblicken. Sie hatte den Zweck, Nachteile auszugleichen, die dem Kläger aus der Verletzung der Vertragsbestimmung über die Erfüllungszeit entstehen konnten. Die vereinbarte Vertragsstrafe war ein pauschalierter Schadenersatz, die an die Stelle des Schadenersatzes wegen Nichteinhaltung der Erfüllungszeit trat und war von der Höhe des wirklich eingetretenen Schadens aber auch davon unabhängig, ob überhaupt ein Schaden eintrat (JBl 1974 368; SZ 42/57; SZ 25/272 ua; Koziol-Welser 3 I 156;. Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 27; Ehrenzweig 2 II/1, 191). Es wird daher grundsätzlich auch eine Rettungspflicht des Gläubigers nicht angenommen (JBl 1968, 567). Inwieweit dies auch für eine Vertragsstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit uneingeschränkt gesagt werden kann, inwieweit also der Gläubiger bei Fortdauer der Nichterfüllung durch den Schuldner tatenlos bleiben und, wie es sich offenbar der Kläger vorstellt, der in der Revision schon eine ihm zustehende Vertragsstrafe von 637.500,‑‑ S bis 10. 4. 1975 errechnet, immer weitere Konventionalstrafansprüche anerlaufen lassen kann und ihn nicht doch eine Rechtspflicht zur Schadensminderung traf (vgl. dazu zuletzt insbesondere Migsch in ZVR 1975, 1 ff.), muß im vorliegenden Fall nicht näher untersucht werden, weil der Kläger seinerzeit offenbar schon selbst sehr bald zur Auffassung gelangte, es sei besser, nicht mehr auf Vertragserfüllung durch den Beklagten zu bestehen und selbst anderweitige Aufträge zu erteilen. Die Zurechnung einer Schadensfolge ist aber jedenfalls dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn diese auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorrang nicht herausgeforderten Entschluß des Verletzten selbst beruht (Koziol, österreichisches Haftpflichtrecht I 208). Eine solche Handlung setzte der Kläger damit, daß er, nachdem er schon zuvor angedroht hatte, eine andere Firma auf Kosten des Beklagten mit der Fertigstellung zu beauftragen, den Beklagten durch seinen Hausverwalter mit Schreiben vom 22. 11. 1971 in Kenntnis setzen ließ, er sei nicht mehr damit einverstanden, daß die Arbeiten vom Beklagten beendet werden. Da dieses Schreiben keine Aufforderung an den Beklagten enthielt, seinerseits für die Beendigung der Arbeiten durch einen befugten Dachdeckermeister Sorge zu tragen, wurde der Beklagte damit aus dieser Verbindlichkeit, wenn gewiß auch nicht aus einer Haftung für eingetretene Nachteile, entlassen. Es war dann Sache des Klägers, von sich aus die Arbeiten durch einen anderen Unternehmer vollenden und allfällige Mängel beheben zu lassen. Dem Berufungsgericht ist dann aber darin beizupflichten, daß der Kläger nur Anspruch auf eine Konventionalstrafe für die Zeit vom 3. 10. bis 22. 11. 1971 und darüber hinaus noch für die Zeit hat, die der Kläger nach diesem Zeitpunkt benötigte, um einen befugten Dachdeckermeister mit der Beendigung der Arbeiten zu beauftragen und diesen die Arbeiten beendigen zu lassen. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß die spätere Zusage des Beklagten vom 17. 1. 1972, die Arbeiten selbst durch einen befugten Dachdeckermeister fertigstellen zu lassen, mangels gegenteiliger Vereinbarung der Parteien die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung der Konventionalstrafe nicht verlängern oder wiederaufleben lassen konnte.
Da die vereinbarte Vertragsstrafe 500,‑‑ S pro Tag betrug und allein vom 3. 10. 1971 bis 22. 11. 1971 50 Tage verstrichen waren, ergäbe sich allerdings auch bei einer Berechnung der Konventionalstrafe nach obigen Grundsätzen eine solche von mehr als 25.000,‑‑ S. Mit Recht haben jedoch die Untergerichte angenommen, daß dem Beklagten der ihm obliegende Beweis (SZ 42/57 ua; Wolff in Klang 2 VI 189), daß die vereinbarte Konventionalstrafe unbillig hoch war, gelungen ist. Unter den Betrag des wirklichen Schadens durfte allerdings nicht herabgegangen werden (SZ 42/57; EvBl 1969/325; SZ 32/28 uva; Gschnitzer aaO 28; Ehrenzweig aaO 193; Wolff aaO 189). Berücksichtigt man nun, daß dem Kläger als Folge der nicht rechtzeitigen Beendigung der Arbeiten durch den Beklagten, wofür allein die Vertragsstrafe vereinbart war, tatsächlich kein erweislicher Schaden entstanden ist, weil auch die notwendigen Verbesserungsarbeiten nicht eine Folge der Verzögerung, sondern der mangelhaften Durchführung der Arbeiten durch den Beklagten war, und die gesamte Auftragssumme nur 58.000,‑‑ S betrug, war gewiß eine Mäßigung der Vertragsstrafe auf 25.000,‑‑ S gerechtfertigt.
Ist damit aber der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes zu folgen, kann das Verfahren vor dem Berufungsgericht auch nicht, wie es die Revision behauptet, aus rechtlichen Gründen mangelhaft geblieben sein. Soweit die Revision andere Mängel behauptet, wurden sie vom Berufungsgericht als nicht gegeben angesehen; die Wiederholung einer vom Berufungsgericht verworfenen Mängelrüge im Revisionsverfahren ist jedoch ausgeschlossen (ZVR 1975/49; JB1 1972, 312 und 569; SZ 41/8 uva). Eine höhere Konventionalstrafe kann auch nicht deswegen zuerkannt werden, weil der Beklagte dem Kläger verschwiegen hatte, nicht befugter Dachdeckermeister zu sein. Mit dem Schreiben vom 22. 11. 1971 hat der Kläger ohnehin daraus die Konsequenz gezogen, daß er dem Beklagten die Vollendung der Arbeiten untersagte; da er ihn nicht gleichzeitig verpflichtete, für die Vollendung der Arbeiten durch einen befugten Dachdeckermeister zu sorgen, verblieb diese Aufgabe dem Kläger.
Der Revision in der Hauptsache ist demnach ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Die Bekämpfung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes für den Fall der Erfolglosigkeit der Revision in der Hauptsache ist unzulässig. Gemäß § 528 Abs. 1 Z. 2 ZPO sind Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt unzulässig. Dieses Verbot schließt im Revisionsverfahren bei Erfolglosigkeit der Revision in der Hauptsache auch eine Überprüfung der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung aus, da eine Prüfung der Kostenentscheidung der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof auch nicht dadurch erreicht werden kann, daß die Entscheidung in der Hauptsache, wenn auch erfolglos, bekämpft wurde. Nur bei Abänderung der Entscheidung zweiter Instanz hat der Oberste Gerichtshof eine selbständige neue Kostenentscheidung zu treffen (JB 147 alt ua, zuletzt 4 Ob 45/74, 4 Ob 509/74; Fasching II 353, IV 459). Die subsidiär erhobene Revision im Kostenpunkt ist also zurückzuweisen.
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