European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB000045.75.0430.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile des Erstgerichtes und des Berufungsgerichtes werden dahin abgeändert , daß das Klagebegehren des Inhaltes, es werde festgestellt, daß die beklagte Partei den klagenden Parteien für alle Schäden, die durch das Ausheben der Baugrube auf dem Grundstück *, insbesondere durch Untergrabung. der Fundamente des Hauses * an letztgenanntem Hause entstanden. sind, wird abgewiesen.
Im übrigen, sohin insoweit als die Ersatzpflicht der beklagten Partei für künftig entstehende Schäden und Kosten von Sicherungsarbeiten festgestellt wird, wird der Revision keine Folge gegeben und das angefochtene Urteil bestätigt.
Die Verfahrenskosten aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer des Hauses *. Die beklagte Partei ist Eigentümerin des Nachbargrundstückes *. Am 20. Juni 1972 erteilte die beklagte Partei der Bauunternehmung Dipl. Ing. Dr. A* in Wien den Auftrag zur Errichtung eines Bürohauses auf dem ihr gehörigen Grundstück. Zunächst war der Aushub einer Baugrube für einen einstöckigen Keller vorgesehen. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt wurde die Vertiefung der Baugrube zum Zwecke der Errichtung eines zweigeschoßigen Kellers beschlossen. In der ersten Dezemberhälfte 1972 wurde mit dem Aushub der Baugrube begonnen. Vor Beginn der Bauarbeiten befand sich das an das Grundstück der beklagten Partei anschliessende Haus der Kläger auf der Liegenschaft * in gutem Erhaltungszustand: es wies außer den bei altem Mauerwerk üblichen Schwund- und Haarrissen, deren genaues Ausmaß nicht mehr feststellbar ist, keine Schäden auf. Am 14. und 16. Dezember 1972 wurden im Rahmen einer Besichtigung Schäden am Haus der Kläger festgestellt und im Bautagebuch festgehalten. Auf Grund dieser Schäden wurden Sicherungsmaßnahmen an der dem Grundstück der beklagten Partei zugekehrten Feuermauer des Hauses der Kläger durchgeführt und zwar in der Form, daß diese Mauer mit Kanthölzern gepölzt wurde. Die Feuermauer des Hauses der Kläger wurde schließlich mit Beton unterstopft; für diese Unterfangungsarbeiten bestand keine baupolizeiliche Genehmigung. Am 2. Feber 1973 besichtigte Dipl. Ing. L* als gerichtlich beeideter Sachverständiger das Haus der Kläger und stellte dabei umfangreiche Schäden fest, die als Setzungserscheinungen auf den Aushub der Baugrube und die Unterfangung der Feuermauer zurückzuführen sind. Bis rund zwei Jahre nach Fertigstellung des Rohbaues können sich diese Schäden noch vergrößern.
Der Erstrichter gab auf Grund dieses Sachverhaltes dem Klagebegehren, es werde festgestellt, daß die beklagte Partei den Klägern alle Schäden, die durch das Ausheben der Baugrube auf dem Grundstück * und insbesondere durch die Untergrabung der Fundamente am Hause * entstanden sind, oder in Zukunft entstehen werden, zu ersetzen und für die Kosten von Sicherungsarbeiten, die wegen der Untergrabung der Fundamente des Hauses * in Hinkunft notwendig werden, aufzukommen, statt.
Der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei und des auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten gab das Berufungsgericht keine Folge. Es übernahm, die Tatsachenfeststellungen des erstgerichtlichen Urteiles als vollständig und unbedenklich. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der Anspruch nach § 364 b ABGB sei ein Schadenersatzanspruch, der der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB unterliege. Im Hinblick auf die kurze Verjährungszeit müsse aber auch das Interesse der klagenden Parteien an der Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei bejaht werden, zumal die Verjährungsfrist schon in jenem Zeitpunkt zu laufen beginne, in dem die Kläger den Schaden wahrgenommen haben und den Ursachenzusammenhang kennen. Im vorliegenden Falle sei erwiesen, daß die aufgetretenen Schäden auf die Bauführung der beklagten Partei zurückzuführen sind. Ein Verschulden der beklagten Partei sei zur Begründung ihrer Haftung nicht erforderlich. Die Haftung der beklagten Partei erstrecke sich auch auf die Kosten von Maßnahmen, die zur Sicherung des Gebäudes der Kläger erforderlich werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagsbegehren abgewiesen werde, in eventu die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Die Kläger haben beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise begründet.
Der Revisionswerber geht selbst zutreffend davon aus, daß der Bauführer gemäß § 364 b ABGB. für den Schaden, der bei Ausführung eines Gebäudes durch Senkung an dem Nachbargrund herbeigeführt wird, ohne Rücksicht auf ein Verschulden zu haften hat (SZ 11/233, SZ 41/42, zuletzt JB1 974, 96). Es handelt sich beim Anspruch auf Ersatz dieses Schadens nach ständiger Rechtsprechung um einen Ausgleichsanspruch, der ohne Rücksicht auf das Verschulden des Bauführers gewährt wird (SZ 41/42, SZ 41/51, SZ 44/22, zuletzt 1 Ob 196/74). Die Haftung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß für die Bauarbeiten eine baubehördliche Bewilligung erteilt wurde (SZ 11/233, SZ 24/312, SZ. 41/42 und SZ 41/51). Von dieser ständigen Rechtsprechung geht auch der Revisionswerber aus. Das Schwergewicht der Rekursrevivionsausführungen liegt in der Bekämpfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß das Feststellungsinteresse (§ 228 ZPO) für die vorliegende Klage als gegeben zu erachten sei. Bei Prüfung dieser Frage ist davon auszugehen, daß Rechtsschutz in Form der Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO nur dann gewährt wird, wenn ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses besteht. Ein solches Interesse ist als gegeben zu erachten, wenn eine objektive Ungewißheit über den Bestand oder Umfang eines Anspruchs besteht, die durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann (Pollak, System, 12). Der Kläger muß demnach das sonst in der Regel gegebene Rechtsschutzbedürfnis bei der Feststellungsklage nachweisen (Fasching, Kommentar III, 49). In der Rechtsprechung wird die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden als zulässig erachtet (ZVR 1961/259, ZVR 1960/408, JBl 1958, 519, SZ 25/268), insbesondere dann, wenn Verjährung droht (Rspr. 1937/265, ZVR 1969/269) und wenn weitere Schäden noch zu erwarten sind, jedenfalls aber nicht ausgeschlossen werden können (ZVR 1970/122, ZVR 1972/36, 85). Auch die Lehre (Fasching a.a.0.63) anerkennt, daß für die Zulässigkeit der Feststellungsklage in solchen Fällen Gründe der Zweckmäßigkeit und der Prozeßökonomie sprechen; Rechtsschutzbedürfnis und Prozeßökonomie sind aber die Grundpfeiler der Feststellungsklage (Fasching a.a.O. 48).
Geht man von diesen grundsätzlichen Erwägungen aus, so ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich bereits eingetretener Schäden zu verneinen. Die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt nämlich bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (JBl 1968, 206 und die zahlreichen bei Michlmayr-Stohanzl, ZP013, § 228/E/2 abgedruckten Entscheidungen, ferner Fasching a.a.O. 69 f.). Die Feststellungsklage hätte nämlich nur eine Prozeßhäufung zur Folge, weil ja der Feststellung des eingetretenen Schadens der Leistungsprozeß nachfolgen würde. Soweit demnach Schäden bereits eingetreten sind, mangelt den Klägern das Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei (vgl. auch EvBl 1966/341, ZVR 1973/46). Insoweit war daher der Revision Folge zu geben und das auf Feststellung der Ersatzpflicht für bereits eingetretene Schäden gerichtete Klagebegehren abzuweisen.
Was die Ersatzpflicht für künftige entstehende Schäden betrifft, so ist diesbezüglich das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Der Umstand, daß Ansprüche, die aus dem Nachbarrecht abgeleitet werden, nicht Schadenansprüche im eigentlichen Sinn, sondern vom Verschulden unabhängige Ausgleichsansprüche darstellen, die auf volle Schadloshaltung gerichtet sind (SZ 24/312 und SZ 25/67) ist unter dem Gesichtspunkt, ob für die Feststellungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, bedeutungslos; die Rechtsprechung geht davon aus, daß auch nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche können Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wenn die sonst für die Feststellungsklage vom Gesetz geforderten Voraussetzungen, nämlich das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung vorliegen (SZ 35/111). Das vom Gesetz geforderte rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung muß nun im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz gegeben sein (SZ 40/3, JB1 1974, 525). Im vorliegenden Fall kommt dem Umstand Bedeutung zu, daß zu diesem Zeitpunkt, nach den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen, die Setzungserscheinungen am Hause der Kläger noch nicht zum Abschluß gelangt waren und mit dem Auftreten neuer oder der Vergrößerung bereits vorhandener Schäden gerechnet werden mußte und zwar bis zwei Jahre nach Fertigstellung des Rohbaues. Daß diese Frist in dem maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz abgelaufen gewesen wäre, behauptet der Revisionswerber selbst nicht; nach den Revisionsausführungen hatte diese Frist vielmehr erst zu laufen begonnen. Es liegt aber auch kein Feststellungsmangel darin, daß der genaue Zeitpunkt des Ablaufs dieser Frist nicht festgestellt wurde. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen daß mit dem Aushub der Baugrube im Dezember 1972 begonnen wurde, die Fertigstellung des Rohbaues diesem Zeitpunkt nachfolgt und somit jedenfalls bis Ende des Jahres 1974 mit weiteren Schäden gerechnet werden muß. Das Verfahren erster Instanz wurde aber bereits am 17. Dezember 1973 geschlossen. Da somit mit dem Eintritt weiterer Schadensfolgen nach dem Schluß der mündlichen Verhandung erster Instanz gerechnet werden mußte, ist das Interesse der Kläger an der Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei für künftig auftretende Schäden zu bejahen, weil damit ein für allemal deren Verpflichtung zur Leistung des gebührenden Ersatzes festgestellt wird. Schon diese prozeßökonomische Klarstellungsfunktion rechtfertigt im vorliegenden Fall die Feststellungsklage. Das Rechtsschutzinteresse ist darüber hinaus aber auch im Hinblick darauf gegeben, daß auch Ansprüche nach § 364 b ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 1489 ABGB) unterliegen, wobei diese Frist – entgegen der Ansicht des Revisionswerbers – nicht mit jedem einzelnen aufgetretenen Schadenserfolg zu laufen beginnt, sondern bereits in jenem Zeitpunkt, in welchem die Klägern Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers erlangt haben; dabei ist es, wie auch bei Schadenersatzansprüchen nicht von Belang, ob der Geschädigte bereits sämtliche Auswirkungen des schädigenden Ereignisses kennt, ob also bereits sämtliche Schadensfolgen eingetreten sind (vgl. SZ 35/111). Ob noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist der Schadensumfang endgültig feststeht, ist nicht entscheidend, weil das Feststellungsinteresse schon dann zu bejahen ist, wenn – wie hier – im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verbandlung erster Instanz mit dem Eintritt weiterer Schadensfolgen gerechnet werden muß (vgl. SZ 35/132).
Demnach ist aber das Feststellungsbegehren insoweit begründet, als die Ersatzpflicht für künftige Schäden bzw. die Kosten zur Abwehr der Vergrößerung solcher Schäden begehrt wird, sodaß der Revision insoweit der Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens auch auf § 50 ZPO.
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