Spruch:
Das Rechtsinstitut der Reallast kann als Sicherungsmittel des dem pflegebefohlenen Legatar zugewendeten Vermächtnisses des mangelnden Unterhaltes herangezogen werden
Wird von den Erben die Gültigkeit eines privilegierten Vermächtnisses bestritten, so ist für seine Sicherstellung so lange zu sorgen, als nicht seine Unwirksamkeit feststeht. Den Erben steht es frei, die Ungültigkeit des Legats im Rechtsweg feststellen zu lassen
OGH 12. November 1974, 8 Ob 202/74 (KG Korneuburg 5 R 216/74; BG Korneuburg A 414/71)
Text
Die Erblasserin hat in ihrem Testament vom 17. August 1965 unter Punkt II ihrer Ziehtochter Anna A, die wegen Geisteskrankheit voll entmundigt und arbeitsunfähig ist, ein Vermächtnis ausgesetzt, wonach die Erben verpflichtet sind sie in ihren Haushalt aufzunehmen, zu betreuen und ihr den mangelnden unterhalt zu bieten. Nach dem Testamente war zunächst die Nichte der Erblasserin Anna K, wohnhaft in Bratislava, als Erbin mit der Beschränkung ihres Erbrechtes durch letztwillig angeordnete fideikommissarische Substitution zugunsten ihrer Kinder Egon und Hilda berufen. Nachdem sich die Vorerbin Anna K ihres Erbrechtes entschlagen hatte, traten ihre beiden vorgenannten Kinder in das Erbrecht ein und gaben bedingte Erbserklärungen ab
Was das Legat zu Punkt II anlangt, so erklärten sich die Erben, vertreten durch ihren Erbenmachthaber, bereit, die Legatarin in ihren Haushalt aufzunehmen und ihr dort den mangelnden Lebensunterhalt zu gewähren. Ihr Kurator habe daher für die erforderlichen Reisepapiere zu sorgen.
Der Kurator der pflegebefohlenen Vermächtnisnehmerin Anna A brachte demgegenüber vor, daß sich diese im psychiatrischen Krankenhaus des Landes Niederösterreich, G, befinde und einer Ausreise in die CSSR erst nach Vorliegen eines entsprechenden fachärztlichen Gutachtens erfolgen könne. Weiters beantragte der Kurator, vor Einantwortung des Nachlasses die Sicherstellung des gegenstandlichen Legats in erster Linie durch Einverleibung der Reallast des mangelnden Unterhalts zugunsten der Vermächtnisnehmerin ob der zur Ganze in den Nachlaß gehörigen Liegenschaft EZ 267, KG L, anzuordnen.
Der Erbenmachthaber vertrat die Auffassung, daß die Anordnung einer Sicherstellung zu entfallen habe, weil mit der Aufnahme der Legatarin in den Haushalt der Erben das Legat erfüllt sei.
Das Erstgericht verweigerte mit seinem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Überstellung der Kurandin A A in die CSSR und ihre Aufnahme in den dortigen Haushalt der Erben.
Den Antrag des Kurators auf Anordnung der Sicherstellung des Legats des mangelnden Unterhalts wies das Erstgericht mit der Begründung ab, daß infolge der Verweigerung der Überstellung der Kurandin in den Haushalt der H H das Vermächtnis des mangelnden Unterhaltes hinfällig geworden sei. Gemäß § 1447 ABGB sei daher unverschuldete Unmöglichkeit der Leistung eingetreten, so daß für die Sicherstellung des wirkungslos gewordenen Legats kein Raum mehr sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kurators der Legatarin Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es zur Sicherstellung des im Testamente der Erblasserin A P vom 17. August 1965 unter Punkt II der pflegebefohlenen A A zugedachten Vermächtnisses des mangelnden Unterhaltes die Einverleibung der Reallast des Unterhaltes zugunsten der voll entmundigten A A ob der zur Gänze in den Nachlaß gehörigen Liegenschaft EZ 267 KG L anordnete: Das Vermächtnis des Unterhaltes umfasse gemäß § 672 ABGB Nahrung, Kleidung und die übrigen Bedürfnisse des Bedachten auf dessen Lebenszeit. Der Umfang der Leistung richte sich nach den Bestimmungen des § 673 ABGB. Der mangelnde Unterhalt sei jener Teil des Unterhaltes, der nicht anderweitig gedeckt werde. Im vorliegenden Fall seien der Bedachten alle im Testament aufgezählten Leistungen von der Erblasserin gewährt worden, A A sei von der Erblasserin persönlich betreut worden, sie habe sich, solange sie nicht in Anstaltspflege gewesen sei, die ganze Zeit im Haushalt der Erblasserin befunden, die auch für alle sonstigen Bedürfnisse gesorgt habe. Möge sich auch die nunmehr 64jährige, voll entmundigte Vermächtnisnehmerin derzeit in Anstaltspflege befinden, so könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß ihr der Unterhalt in Zukunft abgehen könnte. Es könne nicht mit Sicherheit prognostiziert werden, daß der nach § 673 ABGB zu bestimmende Lebensunterhalt der Kurandin immer voll gedeckt sein werde. Durch die Verweigerung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der Aufnahme der Kurandin in den Haushalt der Erben sei die Erfüllung des Legats, soweit sie das Wohnungsrecht bei den Erben und die persönliche Betreuung durch diese betreffe, unmöglich geworden. Hingegen bestehe die Möglichkeit, daß das Legat des mangelnden Unterhalts noch wirksam werden könnte, weshalb dieser antragsgemäß zu sichern sei.
Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Erben mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Erben nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rekurswerber vertreten in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, daß nach dem Willen der Erblasserin ihrer pflegebefohlenen Legatarin der mangelnde Unterhalt nur im Haushalt der Erben geboten werden sollte, nicht aber im Falle der Unmöglichkeit ihrer Aufnahme in diesem Haushalt; damit bestreiten die Erben die Wirksamkeit eines über die Haushaltspflege hinausreichenden Vermächtnisses des mangelnden Unterhalts. Mit diesen Ausführungen vermögen sie jedoch nicht der vom Rekursgericht getroffenen Sicherstellungsanordnung die Grundlage zu entziehen.
Nach Ansicht des erkennenden Senates ist der vorliegende Fall in gleicher Weise zu lösen, wie der der Entscheidung SZ 21/52 zugrunde liegende, mit ausführlicher Begründung behandelte Fall, in welchem die Erben die Ungültigkeit des Kodizills behauptet hatten: In derartigen Fällen ist für die Sicherstellung der privilegierten Legate so lange zu sorgen, als nicht die Unwirksamkeit des Vermächtnisses feststeht. Damit ist den Erben keineswegs die Möglichkeit genommen, die Ungültigkeit oder Unwirksamkeit des Legats im Rechtsweg feststellen zu lassen. Die Erben können aber, falls sie die Frage des Bestandes des Legats im Rechtsweg nicht austragen wollen, die Einantwortung vor der Sicherstellung begunstigter Legate nicht erlangen.
Auch der Hinweis des Revisionsrekurses auf angebliche Vermögensstücke der Legatarin vermag deren Sicherstellungsanspruch nicht zu entkräften, da hiedurch keineswegs ausgeschlossen ist, daß die Legatarin in Zukunft des Unterhaltes ermangeln und diesen von den Erben ansprechen könnte. Solange aber diese Möglichkeit offen bleibt, ist für die Sicherstellung ihres privilegierten Legates zu sorgen.
Der vom Revisionsrekurs vermißten Wiederholung der Wendung des mangelnde n Unterhaltes im Spruch des angefochtenen Beschlusses bedarf es nicht, da sich aus diesem mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, daß sich die Reallast nur auf den mangelnden Unterhalt bezieht.
Weitere Ausführungen zu den vom Rekursgericht herangezogenen Rechtsinstitut der Reallast enthält der Revisionsrekurs nicht. Es genügt daher festzuhalten, daß die Rechtsprechung und Lehre die vertragliche Begründung und Verbücherung von Unterhalts- und Versorgungsleistungen als Reallast gebilligt hat (vgl. SZ 32/158; SZ 43/13 u. a; Gschnitzer, Sachenrecht, 160). Ferner ist der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 6 Ob 232/66, veröffentlicht in RZ 1967, 90, in Übereinstimmung mit Ehrenzweig davon ausgegangen, daß die Reallast insbesondere dem persönlichen Versorgungszweck dienstbar gemacht wurde und hat daher den beklagten Liegenschaftseigentümer verhalten, zugunsten der klagenden Legatarin in die Einverleibung der Reallast ihres letztwillig angeordneten Versorgungsgenusses zu willigen. Es bestehen daher gegen die Heranziehung des Rechtsinstitutes der Reallast als Sicherungsmittel des der pflegebefohlenen Legatarin zugewendeten Vermächtnisses des mangelnden Unterhaltes keine Bedenken.
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