Spruch:
Auch das im Rahmen eines Ausgedinges zu leistende Taschengeld (Brauchgeld) ist eine Reallast und als solche zu verbüchern. Die Verbücherung kann auch wertgesichert erfolgen, ein Pfandrecht ist nicht zu bestellen.
Entscheidung vom 3. Dezember 1959, 5 Ob 465/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Haag; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Das Erstgericht bewilligte die Einverleibung der Dienstbarkeit des lebenslänglichen Wohnungs- und Gebrauchsrechtes sowie der Reallast des Ausgedinges laut Pkt. 2 des Übergabsvertrages vom 4. Februar 1958 zugunsten der Theresia G. ob der dem Karl und der Anna G. je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft EZ. 56 KG. V.
Infolge Rekurses der Liegenschaftseigentümer änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes, der hinsichtlich der Einverleibung der Dienstbarkeit des lebenslänglichen Wohnungs- und Gebrauchsrechtes unangefochten blieb, bezüglich der beantragten Einverleibung der Reallast des Ausgedinges dahin ab, daß es das zuletzt angeführte Begehren abwies.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Theresia G. Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Pkt. 2 lit. b - f des Übergabsvertrages vom 4. Februar 1958 sind die von der Übergeberin Theresia G. bedungenen Ausgedingsleistungen im einzelnen angeführt. Unter lit. f ist die Zahlung eines monatlichen Taschengeldes von 500 S unter Zugrundelegung der Kleinhandelsindexzahl des Österreichischen Statistischen Zentralamtes in Wien als Wertrelation in der Kreise vereinbart, daß das Taschengeld vom Übernehmer oder dessen Rechtsnachfolger an die Übergeberin an den jeweiligen Fälligkeitstagen "stets mit jenem Betrage zur Auszahlung zu bringen ist, welcher im gleichen Verhältnis zu heutigen 500 S steht wie diese Kleinhandelsindexzahl an den jeweiligen Fälligkeitstagen zu der heutigen. Schließlich haben die Vertragspartner noch bedungen, daß für den Fall, als am Fälligkeitstag die Kleinhandelsindexzahl nicht existieren sollte, die derselben zugrunde gelegten Nahrungs- und Genußmittelpreise Ersatzwertrelation sein sollten.
Das Rekursgericht hat die Verbücherung der Reallast des Ausgedinges mit der Begründung abgelehnt, daß die vereinbarte Wertsicherungsklausel der Bestimmung des § 12 GBG. 1955 widerstreite, nach der aus dem Grundbuch selbst auf einfache Art Aufschluß über die Höhe der Lasten erhalten werden müsse. Die Bestimmungen der §§ 12 und 14 GBG. 1955 hätten die gleiche Tendenz:
es widerspräche allen Auslegungsregeln, die Frage der Verdinglichung von Wertsicherungsklauseln, hinsichtlich einer Geldsummenschuld nach § 12 GBG. 1955 anders zu lösen als nach § 14 GBG. 1955. Die Eintragung einer Geldverpflichtung im Sinne des § 12 GBG. 1955 sei nur dann möglichst bestimmt, wenn die tatsächliche Belastung der Liegenschaft nicht erst durch einen mehr oder weniger komplizierten Rechenvorgang ermittelt werden müsse. Nun sei gerade die im Vertrag vorgesehene Ersatzrelation nicht leicht zu berechnen. Da nach der deutschen Rechtslehre auch Reallasten als Grundpfandrechte bezeichnet würden, sei die Verordnung vom 16. Oktober 1940, DRGBl. I S. 1521, auch auf im Rahmen eines Ausgedinges vereinbarte Geldleistungen anzuwenden. Das Rekursgericht verweist abschließend zur Stützung seiner Rechtsansicht noch auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl. 1957 Nr. 80.
Die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht hält einer Überprüfung nicht stand.
Das sogenannte Brauchgeld oder Taschengeld, das dem Übergeber eines Bauerngutes im Rahmen eines Ausgedinges zu leisten ist, dient ebenso wie der Naturalauszug selbst der Versorgung des Auszüglers. Alle im Rahmen eines Ausgedinges vom jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft zu erbringenden Leistungen, somit auch das Taschengeld, sind aber Reallasten (vgl. Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz in seiner praktischen Anwendung, 7. Aufl. S. 211, insbesondere Anm. 1 über den Begriff der Reallasten). Bartsch verweist in dem auf S. 216 abgedruckten Beispiel Nr. 36 "Eintragung des Ausgedinges" auf die Urkunde, die die Vereinbarung über ein Taschengeld und die Aufsandungserklärung für die Einverleibung der Reallast enthält. Der Oberste Gerichtshof vermag sich aus diesen Erwägungen nicht der Auffassung Goldschmidts (Beispiele für Grundbuchseintragungen, S. 29 Beispiel Nr. 18) anzuschließen, daß für das Taschengeld ein Pfandrecht zu bestellen ist, wenn für diese Leistung ein dingliches Recht eingeräumt wurde und verbüchert werden soll.
Nach § 12 GBG. 1955 muß bei Reallasten Inhalt und Umfang des einzutragenden Rechtes möglichst bestimmt angegeben werden. Dem ist Genüge getan, wenn beim Brauchgeld eine gültige Wertsicherungsklausel den Umfang dieser Leistung abgrenzt. Der Ansicht, daß eine solche Wertsicherung, wie etwa die Bezugnahme auf bestimmte Indices, nicht verbüchert werden könne, weil damit gegen das Publizitäts- und Vertrauensprinzip verstoßen würde und eine solche Verbücherung mit der Bestimmung des § 150 EO. nicht in Einklang gebracht werden könnte (so EvBl. 1955 Nr. 110), kann nicht gefolgt werden. Wieso das Publizitäts- und Vertrauensprinzip durch eine solche Eintragung verletzt werden soll, ist nicht einzusehen. Die Einverleibung enthält den Hinweis auf die die Wertsicherungsklausel enthaltende Stelle der Urkunde. Der künftige Erwerber einer mit einem Ausgedinge belasteten Liegenschaft muß immer Einsicht in die Urkundensammlung nehmen, wenn er den Umfang der Reallast feststellen will. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß etwa die einen Teil der Leistungen aus dem Ausgedingsvertrag bildende Betreuung im Krankheitsfall dem Umfang nach nicht leicht abschätzbar ist. Dennoch stellt sie eine Leistung dar, die gültig im Rahmen eines Ausgedinges vereinbart werden kann und auch tatsächlich regelmäßig vereinbart wird. Das gleiche gilt für die Leistung der Kost über den Tisch, die bei kleineren Bauerngütern häufig an die Stelle der Leistung von Naturprodukten tritt. Das Gesetz verlangt nur, daß Inhalt und Umfang des Rechtes möglichst bestimmt anzugeben sind. Es geht nicht an, bei Reallasten und Dienstbarkeiten die Erfordernisse der Eintragung denen für Hypotheken anzugleichen und damit die dem Interesse der Bewirtschaftung von Bauerngütern dienende Gutsübergabe durch den nicht mehr voll einsatzfähigen Bauern und die Bestellung von der besseren Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Grundstücke dienenden Dienstbarkeiten (Reallasten) unnötig zu erschweren. Das Grundbuchsgesetz selbst gibt hiezu keine Handhabe, denn es unterzieht Hypotheken im § 14 GBG. 1955 einerseits und Reallasten und Dienstbarkeiten im § 12 GBG. 1955 andererseits eindeutig einer verschiedenen Behandlung (vgl. hiezu auch Ratschiller in NotZ. 1955 S. 36 f. bei der ablehnenden Besprechung der Entscheidung des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Dezember 1954, 1 R 749/54). Das Bedürfnis nach Wertsicherung von Geldausgedingen wird weder in der Literatur noch in der Judikatur bezweifelt.
Die Wertsicherung des Brauchgeldes wird im Zwangsversteigerungsverfahren dann von Bedeutung, wenn die Reallast dem Pfand- oder Befriedigungsrecht des erstbetreibenden Gläubigers nachfolgt, denn dann ist sie nur insofern zu übernehmen als sie nach der ihr zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung findet. Das führt zu einer Schätzung des Ausgedinges, wobei das Taschengeld unter Bedachtnahme auf die vereinbarte Wertsicherung einzubeziehen ist (§ 144 Abs. 2 EO.). Es ergibt sich daher auch aus den Vorschriften der Exekutionsordnung kein Hindernis gegen die Einverleibung eines wertgesicherten Geldausgedinges und daher auch nicht gegen die Einverleibung eines im Rahmen eines Auszuges vereinbarten Brauchgeldes.
Nach § 3 der Verordnung über wertbeständige Rechte vom 16. November 1940, DRGBl. I S. 1521, ist die Bestellung von Grundpfandrechten für wertgesicherte Forderungen mit der Ausnahme unzulässig, daß die Bestellung für Forderungen erfolgt, deren Sicherung durch Bezugnahme auf den Preis des Feingoldes vorgenommen wird. Die in der oben angeführten Entscheidung EvBl. 1955 Nr. 110 vertretene Auffassung, daß unter Grundpfandrecht auch die Reallasten zu verstehen seien, ist unhaltbar. Pfundtner - Neubert verweisen im Neuen Deutschen Reichsrecht, Ausgabe Österreich, II b 49, in der Fußnote 1 zu § 3 der zitierten Verordnung nur auf den § 14 des GBG. § 3 der Verordnung bestimmt schließlich, daß § 1 Abs. 1 entsprechend zu gelten habe. In der zuletzt genannten Gesetzesstelle ist aber nur von Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden die Rede. Die Verordnung erwähnt mit keinem Wort die Reallasten, die doch neben den eben angeführten Rechten im Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch eine ausdrückliche Regelung gefunden haben (vgl. §§ 1105 ff. DBGB.). Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß die Reallasten von der in der Verordnung getroffenen Regelung ausgenommen bleiben sollten. Folgerichtig hat daher auch der Reichsgerichtsräte-Kommentar zum BGB., 10. Aufl. III S. 529 Anm. 5 zu § 1105, die Eintragung von wertgesicherten Geldrenten und Reallasten für zulässig erachtet.
Die Entscheidung ZBl. 1923 Nr. 34 lehnt die Erhöhung entwerteter Geldausgedingsleistungen ab, sofern eine solche nach dem Gesetz vom 27. Oktober 1921, BGBl. Nr. 598, über die Erhöhung von Geldausgedingsleistungen nicht möglich ist. Dieses Gesetz selbst bezieht sich auf die Erhöhung von Geldausgedingsleistungen, die vor dem 1. Jänner 1920 vereinbart wurden. Es sieht Billigkeitsentscheidungen des Gerichtes vor (§ 1 Abs. 3), wenn nach dem erkennbaren Parteiwillen die vereinbarten Leistungen ganz oder teilweise die Unterhaltsdeckung sichern sollten. Das Gesetz ermöglicht also eine Erhöhung von Geldausgedingsleistungen in den Fällen, in denen die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel unterblieben ist. Es bezieht sich ferner nur auf Verträge, die vor dem 1. Jänner 1920 abgeschlossen wurden. Aus dem Gesetz, das in bestimmten Fällen sogar die Erhöhung der Leistung gegenüber dem Dritterwerber zuläßt (§ 1 Abs. 2 l. c.), läßt sich sonach keine vereinbarte Wertsicherungsklauseln ablehnende Einstellung des Gesetzgebers ableiten. Durch das Gesetz wurden, wie sein Inhalt klar erkennen läßt, der Parteienvereinbarung keine Schranken gesetzt, es wurde im Gegenteil eine Möglichkeit der Aufwertung eröffnet, wenn eine ausdrückliche Vereinbarung über die Wertsicherung fehlte. Es läßt sich also aus den Bestimmungen des Geldausgedingserhöhungsgesetzes selbst nichts für die Ungültigkeit von Wertsicherungsklauseln gewinnen.
Die Verordnung zur Regelung der auf Goldschilling und Goldkronen lautenden Schuldverhältnisse vom 21. Juni 1939, DRGBl. I S. 1037 (= GBlÖ. Nr. 763/1939). brachte nur die Ungültigkeit der Goldklauseln. Daß die Verordnung über wertbeständige Rechte vom 16. November 1940, DRGBl. I S. 1521, das Geldausgedinge nicht berührt, wurde bereits oben dargelegt. Der erkennende Senat vermag daher der in der Entscheidung EvBl. 1957 Nr. 80 zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht, daß durch die in der deutschen Okkupationszeit eingeführten Grundbuchsnovellen der bisher in Österreich geltende Grundsatz, daß Geldforderungen durch Wertsicherungsklauseln gesichert werden können, beseitigt worden sei und daß Geldzahlungen welcher Art immer heute nicht mehr wertgesichert werden könnten, in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen.
Da die vereinbarten Wertsicherungsklauseln der Vorschrift des § 12 GBG. 1955 genügen, war der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)