OGH 4Ob590/74

OGH4Ob590/7422.10.1974

SZ 47/115

Normen

Ratengesetz 1961 §1
Ratengesetz 1961 §1

 

Spruch:

Bei der Ermittlung der für die Anwendung des Ratengesetzes maßgebende Obergrenze ist der "Gesamtkaufpreis" jeder einzelnen Sache und nicht deren Summe maßgebend

OGH 22. Oktober 1974, 4 Ob 590/74 (OLG Wien 1 R 121/74; HG Wien 21 Cg 520/74)

Text

Das Erstgericht erließ antragsgemäß auf Grund des von der Klägerin am 20. Feber 1974 ausgestellten und von den beiden Beklagten akzeptierten Wechsels einen auf die Wechselsumme von 15.645.75 S samt Anhang lautenden Wechselzahlungsauftrag. Die Beklagten erhoben rechtzeitig Einwendungen. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. Mai 1974 erhoben sie die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes unter Hinweis auf das Ratengesetz. Die Klägerin brachte dagegen vor, daß das Grundgeschäft den Kauf zweier Automaten durch die Beklagten zu einem 50.000 S übersteigenden Gesamtkaufpreis betroffen habe.

Das Erstgericht gab der erhobenen Einrede statt und wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Es ging davon aus, daß die Beklagten von der Klägerin zwei gleichwertige Automaten um einen Preis von zusammen 69.645.74 S gekauft haben und der Kaufpreis durch eine Anzahlung und 36 Monatsraten zu entrichten war. Bei der Prüfung der Frage, ob der Gesamtkaufpreis den im § 1 Abs. 1 RatG angeführten Betrag übersteigt, müsse der Kaufpreis für jeden einzelnen der beiden Automaten, und nicht die Summe der Kaufpreise, zugrunde gelegt werden, da im Ratengesetz der Ausdruck "bewegliche körperliche Sache" bei der Erwähnung des Kaufgegenstandes immer in der Einzahl verwendet werde.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs der Klägerin die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß die erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zurückgewiesen wurde, und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es war der Auffassung, daß der Ausdruck "Gesamtkaufpreis" im § 1 Abs. 1 RatG darauf hinweise, daß dann, wenn ein Kaufvertrag mehrere Gegenstände umfasse, jedenfalls bei Fehlen einer Aufgliederung des Kaufpreises für die Beurteilung der Anwendbarkeit des Ratengesetzes nicht der Preis der einzelnen Gegenstände, sondern die Summe dieser Preise maßgebend sei. Durch das Ratengesetz sollten offenbar nur Geschäfte über Gegenstände verhältnismäßig geringen Wertes geschützt werden.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Parteien Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagten verweisen darauf, daß das Ratengesetz, wenn es vom Kaufobjekt spricht, immer die Einzahl verwende, woraus geschlossen werden müsse, daß Gegenstand eines Ratengeschäftes nur eine einzelne Sache sein könne. Der Begriff "Gesamtkaufpreis" sei im § 1 Abs. 3 RatG eindeutig definiert.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

Nach § 12 des Ratengesetzes (BGBl. 279/1961) darf ein Käufer, der - wie die beiden Beklagten - im Inland einen Wohnsitz hat, aus einem Abzahlungsgeschäft nur bei dem Gericht geklagt werden, in dessen Sprengel der Wohnsitz liegt. Die Unzuständigkeit des Gerichtes ist in jeder Lage des Verfahrens auf Antrag oder von Amts wegen wahrzunehmen; sie kann nur dadurch behoben werden, daß sich der Beklagte trotz Belehrung durch den Richter, die im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden ist, in die Verhandlung einläßt. Handelt es sich um einen Wechselprozeß, kann sich der Ratenkäufer auf diese Bestimmung u. a. dann berufen, wenn der Wechselinhaber sein Vertragspartner ist (JBl. 1959, 37; EvBl. 1961/7 u. a.). Das trifft im vorliegenden Fall zu. Die Erhebung von Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag bedeutet noch kein Einlassen in die Verhandlung, so daß die Beklagten die örtliche Unzuständigkeit bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung geltend machen konnten, obgleich sie in den schriftlichen Einwendungen diese Einrede noch nicht erhoben haften (SZ 31/147). Das Recht, diese Einrede zu erheben, ginge ihnen nach der ausdrücklichen und klaren Bestimmung des § 12 Abs. 2 RatG nur dann verloren, wenn sie sich trotz einer im Verhandlungsprotokoll zu beurkundenden Belehrung durch den Richter in die Verhandlung eingelassen hätten. Das ist nicht geschehen. Die Beklagten waren daher berechtigt, sich auf die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zu berufen, weil ihr Wohnsitz nicht indessen Sprengel liegt.

Die Anwendbarkeit des Ratengesetzes erfordert allerdings - neben anderen im vorliegenden Fall nicht strittigen Voraussetzungen - daß beim Abzahlungsgeschäft "der Gesamtkaufpreis" den Betrag von 50.000 S nicht übersteigt (§ 1 Abs. 1 RatG). Nach § 1 Abs. 3 RatG setzt sich der "Gesamtkaufpreis" im Sinne dieses Bundesgesetzes aus dem Kaufpreis, der bei sofortiger Barzahlung zu entrichten wäre, und allen Zinsen und sonstigen Zuschlägen zusammen. Das Gesetz umschreibt somit diesen Begriff eindeutig dahin, daß darunter der um Zinsen und sonstige Zuschläge vermehrte Kaufpreis bei Barzahlung zu verstehen ist. Es besagt aber nichts darüber, wie er dann zu berechnen ist, wenn mehrere Sachen Gegenstand eines Abzahlungsgeschäftes sind. Mit Recht verweisen die Beklagten darauf, daß das Ratengesetz bei der Definition des Begriffes "Abzahlungsgeschäft" (§ 1 Abs. 2 RatG) von einem Kaufvertrag über "eine" bewegliche Sache spricht und auch in den übrigen Bestimmungen konsequent bei der Erwähnung des Kaufgegenstandes immer die Einzahl (vielfach mit dem bestimmten Artikel) verwendet wird (z. B. §§ 3, Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1 Z. 1 und 2, 5 Abs. 2, 10 Abs. 1, Z. 8 ).

Daraus wurde mit Recht abgeleitet, daß der Gesetzgeber bei der Regelung der Abzahlungsgeschäfte in erster Linie an den Kauf "einer" Sache gedacht hat. Es muß somit davon ausgegangen werden, daß die für die Anwendung des Gesetzes festgelegte Obergrenze des "Gesamtkaufpreises" auf diesen Regelfall abgestellt ist. Daraus folgt aber, daß dann, wenn mehrere Sachen gekauft werden, der "Gesamtkaufpreis" jeder einzelnen Sache dafür maßgebend sein muß, ob ihr Kauf den Bestimmungen des Ratengesetzes unterliegt, da es sich beim Ratengesetz um ein Schutzgesetz handelt und dessen Anwendbarkeit nicht dem Belieben der Vertragsparteien überlassen werden darf. Es bestunde sonst ein zu großer Anreiz zu seiner Umgehung. Eine andere Beurteilung ist nur dann gerechtfertigt, wenn es sich bei den mehreren Kaufgegenständen um Hauptsache und Zubehör (§ 294 ABGB) handelt, weil dann die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit eine Zusammenrechnung der Preise bei der Ermittlung des "Gesamtkaufpreises" im Sinne des Ratengesetzes begrundet erscheinen läßt. Gesamtsachen werden schon nach dem Gesetz "als ein Ganzes betrachtet" (§ 302 ABGB). Im vorliegenden Fall betraf aber der Kaufvertrag zwei völlig selbständige Hauptsachen. Es ist daher in diesem Fall bei der Ermittlung der für die Anwendung des Ratengesetzes maßgebenden Obergrenze der "Gesamtkaufpreis jeder einzelnen Sache und nicht deren Summe maßgebend (Mayrhofer, Das Abzahlungsgeschäft nach dem neuen Ratengesetz, 29, Martinek - Schwarz, Ratengesetz, 18; Zedtwitz, Das Ratengesetz[2], 14; Brunner, JBl. 1962, 248).

Da das Erstgericht festgestellt hat, daß dem Wechsel, auf Grund dessen der Wechselzahlungsauftrag erlassen wurde, ein Kaufvertrag über zwei gleichwertige Automaten um einen Preis von zusammen 69.645.74 S zugrunde lag, ergibt sich, daß der , Gesamtkaufpreis für die einzelnen Kaufgegenstände den Betrag von 50.000 S nicht überstieg und das Abzahlungsgeschäft somit den Bestimmungen des Ratengesetzes, insbesondere dessen § 12, unterliegt. Der Einwand der Klägerin in ihrem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes, es stehe nicht fest, daß der Kaufpreis für die einzelnen Automaten die Hälfte des für beide Automaten zusammen angegebenen Kaufpreises ausmacht, ist nicht gerechtfertigt. Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß die beiden Automaten "gleichwertig" waren, woraus folgt, daß der Kaufpreis für jeden der beiden Automaten die Hälfte des Betrages ausmachte, der für beide zusammen zu zahlen war. Diese Feststellung konnte das Erstgericht auch ohne ausdrückliche Erklärung der Parteien treffen, weil behauptet wurde, daß es sich in beiden Fällen um einen Heißgetränkeautomaten handelte und beide Parteien nach ihrem Vorbringen offensichtlich davon ausgingen, daß diese gleichwertig sind. Das Erstgericht konnte somit annehmen, daß diese Tatsache von beiden Parteien zugestanden werde (§ 267 ZPO).

Es war somit in Stattgebung des Revisionsrekurses der Beklagten die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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