OGH 1Ob60/74

OGH1Ob60/7424.4.1974

SZ 47/51

Normen

AußStrG §1
JN §1
AußStrG §1
JN §1

 

Spruch:

Unterhaltsansprüche ausländischer, im Ausland wohnender unehelicher Kinder gegen im Inland wohnende Väter sind im streitigen Verfahren durchzusetzen

OGH 24. April 1974, 1 Ob 60/74 (LGZ Graz 5 R 244/73; BG Kirchbach Nc 27/73)

Text

Der antragstellende Minderjährige und dessen gesetzliche Vertreterin, seine uneheliche Mutter, sind in Jugoslawien wohnhafte jugoslawische Staatsbürger. Mit rechtskraftigem Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 15. Feber 1971, 2 C 1214/70, wurde der im Sprengel des Bezirksgerichtes Kirchbach wohnhafte Hans E der nunmehrige Antragsgegner, als Vater des antragstellenden Minderjährigen festgestellt und verpflichtet, diesem ab 1. Juni 1970 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 400 S zu bezahlen.

Der Antragsteller stellte im außerstreitigen Verfahren an das Erstgericht den Antrag, die Mutter und gesetzliche Vertreterin oder allenfalls den einschreitenden Rechtsanwalt zum besonderen Sachwalter für die Unterhaltsfestsetzung zu bestellen und dem Antragsgegner aufzutragen ihm ab 15. Oktober 1973 einen monatlichen Unterhalt von weiteren 400 S (insgesamt 800 S) zu bezahlen.

Das Erstgericht wies die Anträge zurück. Für ein außerstreitiges Verfahren sei das Gericht zuständig, wo das minderjährige Kind wohnhaft sei; das Erstgericht könne die Sache nicht behandeln, da es so in die Hoheitsrechte Jugoslawiens eingreifen würde.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Der Antragsteller besitze im Inland keinen Gerichtsstand für ein außerstreitiges Verfahren (§§ 109, 109a JN). Der Rekurswerber könne sich auch nicht auf § 76a JN berufen, da der gestellte Antrag nicht mit einem in dieser Gesetzesstelle erwähnten Rechtsstreit verbunden sei.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des Antragstellers zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst ist davon auszugehen, daß das Rekursgericht die erstgerichtliche Entscheidung bestätigte. Das Erstgericht lehnte zwar die Behandlung der Sache wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit, das Rekursgericht wegen mangelnder örtlicher Zuständigkeit ab; gleichlautende Entscheidungen liegen aber auch vor, wenn das Rekursgericht aus anderen Gründen bestätigt (JBl. 1957, 421 u. a.). Eine Anfechtung der rekursgerichtlichen Entscheidung ist daher nur zulässig, wenn offenbare Akten- oder Gesetzwidrigkeit oder eine Nullität (Nichtigkeit) vorliege (§ 16 Abs. 1 AußStrG). Der Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit kommt nicht in Betracht. Der Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit bezieht sich nicht auf verfahrensrechtliche Unrichtigkeiten, sondern nur auf besonders krasse Fehler bei der materiell-rechtlichen Beurteilung (RZ 73/16; JBl. 1972, 327; SZ 43/228 u. a.) und kann daher ebenfalls nicht herangezogen werden. Ein Aufgreifen des Rechtsmittels wäre daher nur möglich, wenn der angefochtene Beschluß als nichtig angesehen werden müßte. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt den Rechtsstandpunkt vertreten, daß eine Zuständigkeitsverneinung der Unterinstanzen auch eine Nichtigkeitsrüge im Sinne des § 16 AußStrG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann (SZ 43/228 u. a.). Eine Ausnahme wird nur dann für gerechtfertigt angesehen, wenn die Zuständigkeitsverneinung des in der Außerstreitsache angerufenen Gerichtes, insbesondere wegen Ablehnung der inländischen Gerichtsbarkeit, geradezu eine Rechtsverweigerung zur Folge hätte (EvBl. 1972/188; BZ 43/228; RZ 1968, 215). Von einer solchen Rechtsverweigerung könnte nach dem Inhalt der Entscheidung des Rekursgerichtes keine Rede sein, weil es nur die örtliche Zustandigkeit des Erstgerichtes verneinte, es also gar nicht ausschloß, daß ein inländisches Gericht entscheiden könnte, wenn etwa der Oberste Gerichtshof ein zuständiges Gericht bestimmte (§ 28 JN).

Tatsächlich ist im vorliegenden Fall allerdings nicht nur die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes gegeben; es mangelt auch nicht, wie das Erstgericht meinte, die inländische Gerichtsbarkeit. Unzulässig ist jedoch die Geltendmachung des Anspruches des Antragstellers im außerstreitigen Verfahren. Gemäß § 1 AußStrG hat das Gericht in nicht streitigen Rechtsangelegenheiten nämlich nur insofern vorzugehen, als es die Gesetze anordnen. Der Weg zur Durchsetzung von privatrechtlichen Ansprüchen ist also grundsätzlich der streitige, in dem in der Regel daher auch Unterhaltsansprüche zu verfolgen sind. Es soll allerdings nicht übersehen werden, daß die Tendenz der Gesetzgebung auf eine Erweiterung des Gebietes der außerstreitigen Gerichtsbarkeit zielt; es wurde daher auch der ursprüngliche Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit längst überschritten und viele Gebiete, die ihrer materiellen Rechtsnatur nach in den Rahmen der streitigen Gerichtsbarkeit gehörten, in den Bereich des außerstreitigen Verfahrens einbezogen (JBl. 1973, 583; SZ 44/161). Der Oberste Gerichtshof hat daher trotz der nach Aufhebung des § 16 der 1. Teilnovelle zum ABGB gegebenen unklaren Rechtslage entschieden, daß das zur Führung der Vormundschaft berufene Bezirksgericht auch weiterhin über selbständig geltend gemachte Unterhaltsansprüche des unehelichen Kindes im außerstreitigen Verfahren zu befinden hat (SZ 44/161). Über solche Unterhaltsansprüche kann aber nur von dem Gericht im außerstreitigen Verfahren erkannt werden, das die Vormundschaft über das uneheliche Kind zu führen hat. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 114 Abs. 2 JN, wonach nur das zur Führung der Vormundschaft berufene Bezirksgericht auch zur Entscheidung über Unterhaltsansprüche, sofern sie im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen sind, zuständig ist. Inwieweit über einen Ausländer eine Vormundschaft durch ein österreichisches Gericht zu führen ist, ergibt sich aus § 14 Abs. 1 der 4. DVEheG. Danach kann eine Vormundschaft im Inland über einen Ausländer nur angeordnet werden, sofern der Staat, dem er angehört, die Fürsorge nicht übernimmt, der Ausländer aber nach den Gesetzen dieses Staates der Fürsorge bedarf. Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist es aber, daß sich das fürsorgebedürftige ausländische Kind im Inland befindet. Die Vormundschaft über ein im Ausland wohnendes Kind ausländischer Staatsangehörigkeit hat hingegen grundsätzlich die Heimatbehörde des Kindes zu führen. Für die Führung der Vormundschaft durch ein österreichisches Gericht mangelt es an der inländischen Gerichtsbarkeit (EvBl. 1970/113; RZ 1967, 127). Eine Ausnahme gilt nur kraft ausdrücklicher Sonderregelung für das Verfahren auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (§ 19 Abs. 3 StbG; SZ 43/228). Sonst sind aber Fürsorgemaßnahmen österreichischer Gerichte über im Ausland wohnhafte ausländische Kinder unzulässig. Eine Prüfung, der ausländische Staat könnte die Fürsorge für das im eigenen Land wohnhafte Kind nicht übernehmen und erforderte daher ein Einschreiten des österreichischen Vormundschaftsgerichtes, hat unter den gegebenen Umständen nicht stattzufinden. Im vorliegenden Fall sind auch keine Fürsorgemaßnahmen für das Kind zu veranlassen, sondern der vom Vater zu leistende Unterhalt festzusetzen. Die Beschlußfassung hierüber gehört nicht direkt zur Führung der Vormundschaft; nach § 114 Abs. 2 JN soll nur das Gericht, das ohnehin die Vormundschaft führt, auch hiefür zuständig sein. Nur um eine Unterhaltsfestsetzung gegen den im Inland wohnhaften Vater zu erreichen, kann also eine inländische Vormundschaft nicht eröffnet werden. Unterhaltsansprüche ausländischer im Ausland wohnender unehelicher Kinder gegen im Inland wohnende Väter sind vielmehr mangels Zulässigkeit der Geltendmachung im außerstreitigen Verfahren im streitigen Wege durchzusetzen (EvBl. 1970/113), falls nicht die Möglichkeit der Vollstreckung einer Entscheidung des ausländischen Gerichtes im Inland besteht. Zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien besteht hierüber das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln vom 10. Oktober 1961, BGBl. 1962/310, das allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, die hier nicht zu beurteilen sind, eine Vollstreckung eines jugoslawischen Unterhaltstitels gegen einen österreichischen Vater zuläßt.

Im Ergebnis mit Recht haben die Untergerichte den im außerstreitigen Verfahren gestellten Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Eine Nichtigkeit haftet damit der rekursgerichtlichen Entscheidung nicht an.

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