Spruch:
Selbständige Unterhaltsansprüche unehelicher Kinder sind weiterhin im Außerstreitverfahren geltend zu machen
OGH 14. 10. 1971, 1 Ob 265/71 (LGZ Wien 43 R 458/71; BG Bruck/Leitha P 68/71)
Text
Das Erstgericht hat mit dem Beschluß vom 26. 7. 1971 den Antrag des Amtsvormundes, den außerehelichen Vater Bruno Z beginnend mit 1. 8. 1971 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 950.- für sein am 31. 12. 1963 geborenes Kind Kornelia M zu verhalten, zurückgewiesen. Über den gegenständlichen Antrag auf Erhöhung der Unterhaltsleistung des auf Grund eines Anerkenntnisses als außerehelicher Vater der Minderjährigen festgestellten Antragsgegners könne nur im streitigen Verfahren entschieden werden. Zufolge der Regelung des § 1 AußStrG und im Hinblick auf die in Art X § 4 des Bundesgesetzes vom 30. 10. 1970, betreffend die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, BGBl 1970/432, verfügte Aufhebung des § 16 der I. Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch könne ein minderjähriges außereheliches Kind Unterhaltsansprüche gegen den Vater, der die Vaterschaft rechtswirksam anerkannt habe oder dessen Vaterschaft rechtskräftig festgestellt worden sei, im außerstreitigen Verfahren mangels einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung nicht geltend machen. In den Erläuternden Bemerkungen zu dem zitierten Bundesgesetz werde zwar erklärt, daß § 16 der I. Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch durch § 114 Abs 2 JN neu überflüssig geworden sei, weil diese Bestimmung besage, daß das zur Führung der Vormundschaft berufene Bezirksgericht auch zur Entscheidung über Unterhaltsansprüche und sonstige dem unehelichen Kinde gesetzlich oder aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern zustehende Ansprüche zuständig sei, sofern sie im außerstreitigen Verfahren zu erledigen seien. Da es jedoch nach der Aufhebung des § 16 der I. Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch an einer Verweisungsnorm fehle, könne über den vorliegenden Antrag nicht im außerstreitigen Verfahren abgesprochen werden.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Amtsvormund dagegen erhobenen Rekurs Folge und trug dem Erstgericht auf, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund über den Antrag auf Unterhaltserhöhung meritorisch zu entscheiden. Dem Erstgericht sei darin zu folgen, daß nach der Vorschrift des § 1 AußStrG und zufolge der im Bundesgesetz vom 30. 10. 1970, BGBl 1970/342, verfügten Aufhebung des § 16 der I. Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch der gegenständliche Anspruch im außerstreitigen Verfahren nicht geltend gemacht werden könnte, sofern nicht eine sonstige Verweisungsbestimmung besteht. Lehre und Rechtsprechung (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, I 128, 135, SZ 22/214) bejahten die Verfolgbarkeit von Ansprüchen im außerstreitigen Verfahren, wenn das Gesetz anordne, daß über sie das Vormundschaftsgericht zu befinden habe (so etwa § 159 Abs 2 ABGB). Die nunmehrige Neufassung des § 114 Abs 2 JN (Art IV Z 3 des Bundesgesetzes vom 30. 10. 1970, BGBl 1970/342) enthalte - entgegen der Meinung des Erstgerichtes - eine solche Verweisungsvorschrift. Freilich sei ihre sprachliche Formulierung nicht eben gelungen, weil sich der letzte Halbsatz ("sofern sie im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen sind") rein grammatikalisch sowohl auf die in der zitierten Gesetzesbestimmung genannten Unterhaltsansprüche als auch auf die dort ebenfalls angeführten "sonstigen dem unehelichen Kinde gesetzlich aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern zustehenden Ansprüche" beziehen könnte. Wollte man letzteres annehmen, dann enthielte § 114 Abs 2 JN tatsächlich keine ausdrückliche Verweisung solcher Unterhaltsansprüche auf das außerstreitige Verfahren. Bei Bedachtnahme auf die Auslegungsregeln des § 6 ABGB müsse aber davon ausgegangen werden, daß sich der letzte Halbsatz des neugefaßten § 114 Abs 2 JN nur auf die dort erwähnten "sonstigen Ansprüche des unehelichen Kindes" beziehe. Das ergebe sich nicht nur aus den Gesetzesmaterialien, sondern auch aus der Bestimmung des Art V Z 7 des Bundesgesetzes vom 30. 10. 1970, BGBl 1970/342, wonach im Falle der Anerkennung der Vaterschaft im Zuge eines Vaterschaftsprozesses die mit der Vaterschaftsklage verbundenen Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder in das außerstreitige Verfahren zu überweisen seien. Daraus leuchte die klare Absicht des Gesetzgebers hervor, auch nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes Unterhaltsansprüche von minderjährigen unehelichen Kindern gegen ihren Vater, dessen Vaterschaft wirksam anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wurde, in das außerstreitige Verfahren zu verweisen; in diesem Sinne müsse auch die Vorschrift des § 114 Abs 2 JN in der geltenden Fassung verstanden werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des außerehelichen Vaters Bruno Z nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst die Rechtsmittelbefugnis des am bisherigen Verfahren formell nicht beteiligten Antragsgegners anlangt, so erscheint diese gegeben. Der Oberste Gerichtshof hat zwar ausgesprochen, daß dem Beklagten, der bisher am Verfahren formell nicht beteiligt war, kein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Rekursgerichtes, der über Rekurs des Klägers einen Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes behob, zusteht (Jud 61 neu = SZ 27/290 = JBl 1955, 43 = EvBl 1955/10). Dieser in der Lehre nicht ohne Kritik gebliebene (Fasching, aaO I 262, dagegen jedoch Wahle in JBl 1960, 37 f; siehe auch Neuwirth in ÖJZ 1960, 313 f) Rechtssatz baut darauf auf, daß im streitigen Verfahren die Frage der Zuständigkeit zweimal unter ganz verschiedenen Voraussetzungen Gegenstand einer Prüfung sein kann. Während nämlich die erste Prüfung durch § 230 Abs 2 ZPO sowie durch die §§ 41 Abs 1 und 2, 43 Abs 1 JN angeordnet ist, erfolgt die zweite Prüfung der Zuständigkeit nach Zustellung der Klage und (vom Fall einer unheilbaren Unzuständigkeit abgesehen) nur auf Grund der Anmeldung der Einrede der Unzuständigkeit bei der ersten Tagsatzung, im bezirksgerichtlichen Verfahren allenfalls bei der ersten mündlichen Streitverhandlung (§ 440 Abs 1 ZPO). Bei dieser zweiten Prüfung gilt § 41 Abs 2 JN, der nur auf die im § 41 Abs 1 JN vorgesehene amtswegige Prüfung a limine Bezug nimmt, nicht mehr, und diese Zuständigkeitsentscheidung erfolgt grundsätzlich nach mündlicher Verhandlung. Im Gegensatz dazu hat im außerstreitigen Verfahren die Prüfung der Zuständigkeit nicht nach den Angaben des Antragstellers zu erfolgen, die hiefür maßgeblichen Umstände sind vielmehr von Amts wegen zu untersuchen, und das Gericht kann zu diesem Zwecke von den Beteiligten alle nötigen Aufklärungen fordern (§ 41 Abs 3 JN). Zu den Beteiligten im Verfahren auf Leistung des gesetzlichen Unterhaltes gehört aber jedenfalls der in Anspruch genommene Unterhaltspflichtige, so daß die Legitimation des Antragsgegners zur Erhebung des Rechtsmittels nicht zweifelhaft sein kann.
Hinzuweisen ist auch darauf, daß die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs 2 AußStrG keine Anwendung findet, weil es sich diesmal um keine Frage der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches handelt, sondern darüber zu befinden ist, ob der erhobene Anspruch im außerstreitigen Verfahren zu verfolgen ist (Jud 60 neu = SZ 27/177, Punkt I; RZ 1968, 137).
Der Revisionsrekurs ist daher zulässig, er ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Bei der Prüfung des aufgeworfenen Kompetenzproblems ist von der Bestimmung des Abs 2 des neugefaßten § 114 JN auszugehen, wonach das zur Führung der Vormundschaft berufene Bezirksgericht auch zur Entscheidung über Unterhaltsansprüche und sonstige dem unehelichen Kinde gesetzlich aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern zustehende Ansprüche zuständig ist, sofern sie im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen sind. Das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die vom Gesetzgeber gewählte Ausdrucksform der wünschenswerten Klarheit entbehrt. Die im letzten Halbsatz der zitierten Gesetzesstelle durch die Worte "sofern sie im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen sind" zum Ausdruck gebrachte Einschränkung der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichtes könnte sich rein grammatikalisch nicht nur auf die unmittelbar vorher angeführten "sonstigen dem unehelichen Kinde gesetzlich aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern zustehenden Ansprüche", sondern auch auf die zunächst ausdrücklich genannten Unterhaltsansprüche des unehelichen Kindes beziehen. Das Rekursgericht hat unter diesen Umständen mit Recht die Erläuternden Bemerkungen zum Gesetzentwurf über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes zur Auslegung dieser Gesetzesstelle herangezogen (VwGH 1401/69 ÖVA 1969, 89). In diesen wird darauf verwiesen, daß § 114 Abs 2 JN die entsprechend ausgebaute Bestimmung des § 16 Abs 2 der I. Teilnovelle zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch enthalte, die die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichtes zur Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche des unehelichen Kindes gegen seinen Vater vorsehe. Sie machen deutlich, daß es in der Absicht des Gesetzgebers gelegen war, Unterhaltsansprüche des unehelichen Kindes gegen seinen Vater - wie bisher - im außerstreitigen Verfahren zu erledigen. Für dieses Interpretationsergebnis spricht auch die Bestimmung des Art V Z 7 des Bundesgesetzes vom 30. 10. 1971, BGBl 1970/342, die besagt:
"Erkennt ein beklagter Mann die Vaterschaft zum unehelichen Kind in der mündlichen Verhandlung an und ist im Inland gemäß dem § 114 JN ein zur Mitwirkung bei der Anerkennung berufenes Gericht vorhanden, so ist über die Anerkennung eine gesonderte Niederschrift aufzunehmen und diesem Gericht zu übersenden; mit dem Einlangen der Niederschrift gilt das Anerkenntnis als vor diesem Gericht erklärt ... Sind mit der Klage auch Unterhaltsansprüche oder sonstige dem unehelichen Kind gesetzlich aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern zustehende Ansprüche geltend gemacht worden und wären diese Ansprüche im Falle ihrer selbständigen Geltendmachung im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen, so ist die Rechtssache insoweit an das gemäß dem § 114 JN zuständige Gericht zu überweisen." Der Gesetzgeber selbst setzt damit voraus, daß das zur Vormundschaft berufene Bezirksgericht (§ 114 JN) über selbständig geltend gemachte Unterhaltsansprüche des unehelichen Kindes im Verfahren außer Streitsachen zu befinden hat (vgl hiezu auch die Erläuternden Bemerkungen zu Art V Z 7).
Da es bei der Gesetzesauslegung geboten ist, alle Instrumente zu mobilisieren, die das Verstehen fördern können, und auf die Chance eines zusätzlichen Zuganges zu besserem Verständnis nicht von vornherein verzichtet werden soll (Mayer - Maly, Auslegen und Verstehen, JBl 1969, 415), soll noch darauf hingewiesen werden, daß die Tendenz der Gesetzgebung auf die Erweiterung des Gebietes der außerstreitigen Gerichtsbarkeit zielt, weil die Formlosigkeit des Außerstreitverfahrens und dessen Amtswegigkeit für die Erledigung der meisten Ansprüche geeigneter erscheint. Dadurch ist der ursprüngliche Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit längst überschritten, und viele Gebiete, die ihrer materiellrechtlichen Natur nach einwandfrei in den Rahmen der streitigen Zivilgerichtsbarkeit gehörten, sind in den Bereich des außerstreitigen Verfahrens einbezogen worden (Fasching, aaO I 128). Es wäre nicht sinnvoll, wollte man dem Gesetzgeber gerade im vorliegenden Fall eine Abkehr von der beschriebenen Tendenz unterstellen und die Bestimmung des § 114 Abs 2 JN in der vom Rechtsmittelwerber geforderten Weise auslegen. Dies würde nämlich im Ergebnis darauf hinauslaufen, daß Unterhaltsansprüche minderjähriger ehelicher Kinder gegen ihre Eltern - wie bisher - im außerstreitigen Verfahren, dieselben Ansprüche unehelicher Kinder hingegen im - kostenaufwendigen - Prozeßweg verfolgt werden müßten. Das aber würde zweifellos der Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufen, dessen erklärter Wille dahin ging, durch die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes gesetzliche Diskriminierungen des unehelichen Kindes zu beseitigen. Auch unter diesem rechtspolitischen Aspekt ist das Ergebnis der Auslegungstätigkeit des Rekursgerichtes zu billigen, so daß dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben muß.
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