OGH 3Ob191/13

OGH3Ob191/135.3.1974

SZ 47/21

Normen

ABGB §26
Bundesverfassungsgesetz Art118
EO §216 Abs1 Z2
Oberösterreichisches Landesstraßenverwaltungsgesetz 1946 §8
Oberösterreichisches Landesstraßenverwaltungsgesetz 1946 §49
ABGB §26
Bundesverfassungsgesetz Art118
EO §216 Abs1 Z2
Oberösterreichisches Landesstraßenverwaltungsgesetz 1946 §8
Oberösterreichisches Landesstraßenverwaltungsgesetz 1946 §49

 

Spruch:

Beitragsgemeinschaften für Güterwege sind öffentlich-rechtliche Zwangsgemeinschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren behördliche Bildung eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ist

Die von den Mitgliedern einer zur Herstellung eines Güterweges gebildeten Beitragsgemeinschaft zu leistenden Beiträge sind öffentliche Abgaben im Sinne des § 216 Abs. 1 Z. 2 EO Diese Interessentenbeiträge genießen aber kein gesetzliches Vorzugsrecht, insbesondere nicht nach § 11 Grundsteuergesetz 1965, BGBl. 149, § 18 oö. Bringungsrechtsgesetz, LGBl. 1962/19, oder als Konkurrenzbeiträge HfD 4. Jänner 1836 JGS 113

OGH 5. März 1974, 3 Ob 191/13 (LG Linz 13 R 444/73; BG Rohrbach, E 2007/73)

Text

Die dem Versteigerungsverfahren beigetretene Gläubigerin Beitragsgemeinschaft für den Güterweg F begehrte im Verteilungsverfahren die vorzugsweise Befriedigung ihrer schon vor dem Versteigerungstermin angemeldeten vollstreckbaren Forderung, weil es sich um Kosten des Güterwegebaus, also eine "nach dem Muster der Grundsteuer" zu entrichtende Robotleistung handle. Die Kosten für Wege und Straßen würden üblicherweise aus der Grundsteuer bestritten und auf diese umgelegt.

Das Erstgericht wies den nach Berichtigung von Gerichtsgebühren und Kuratorkosten verbleibenden Meistbotrest dem Pfandgläubiger Josef M zu, weil es die Voraussetzungen für eine vorzugsweise Befriedigung der von der Beitragsgemeinschaft angemeldeten Forderung nicht als gegeben ansah.

Das Rekursgericht gab weder dem Rekurs der Beitragsgemeinschaft, noch dem der führenden betreibenden Gläubigerin Folge. Es war der Ansicht, daß die Forderung der Beitragsgemeinschaft nicht den Rang des § 216 Abs. 1 Z. 2 EO genieße, weil sie nicht ausdrücklich mit einem gesetzlichen Pfand- oder Vorzugsrecht ausgestattet sei. Gesetzliche Pfand- und Vorzugsrechte seien, da sie dem Eintragungsgrundsatz widersprechen und das Vertrauen auf den Grundbuchsstand beeinträchtigen, aus rechtspolitischen Gründen abzulehnen, ihre Erweiterung im Wege der Interpretation unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beitragsgemeinschaft nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der rechtzeitig angemeldeten und durch den Rückstandsausweis der Gemeinde H vom 26. August 1972 urkundlich belegten Forderung der Beitragsgemeinschaft handelt es sich um den von der Verpflichteten als Mitglied der Beitragsgemeinschaft, der auch die Gemeinde H angehört, zu leistenden Beitrag zu den Herstellungskosten des Güterweges E. Güterwege sind nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 Z. 6 der oö. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1946 vom 29. April 1936 LGBl. 43 i. d. F. der Gesetze LGBl. 2/1947 und 20/1947 öffentliche Wege, welche die Verkehrsverbindung landwirtschaftlicher Anwesen zum öffentlichen Straßennetz herstellen. Sie sind also überwiegend nur für den lokalen Verkehr von Bedeutung, daher Verkehrsflächen der Gemeinde im Sinne des § 40 Abs. 2 Z. 4 der oö. Gemeindeordnung 1965. Gemäß § 49 in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1946 setzt die Bezirksverwaltungsbehörde mit Bescheid die Bedingungen fest, die bei der Herstellung eines Güterweges zu erfüllen sind und bildet eine Beitragsgemeinschaft zur Aufbringung der Herstellungskosten. Seit dem Inkrafttreten der oö. Gemeindeordnung 1965 mit 31. Dezember 1965 ist die behördliche Bildung einer Beitragsgemeinschaft eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde (VfGH 10. März 1972, Slg. 6674). Aus den Bestimmungen der §§ 48, 49 des zitierten Gesetzes ergibt sich, daß die zu bildende Beitragsgemeinschaft keine freiwillige, sondern eine Zwangsgemeinschaft ist (VwGH 29. März 1966, Z. 1769/65, Slg. 6894), und zwar eine solche öffentlichen Rechtes (vgl. hiezu auch SZ 1/47; SZ 6/268). Dies trifft auch auf bereits bestehende Beitragsgemeinschaffen zu, die gemäß § 51 Abs. 1 des Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1946 von der Behörde zu bestätigen oder abzuändern sind. Die Beitragsgemeinschaft hat kraft Gesetzes (§§ 33 Abs. 3 und 52 Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1946) Rechtspersönlichkeit (Krzizek, Öffentliches Wegerecht, 142). Die Güterwege im Sinne des § 8 Abs. 1 Z. 6 Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1946 gehören zu den sogenannten Interessentenstraßen, bei denen Träger der Straßenbaulast eine Mehrheit physischer oder juristischer Personen ist (Krzizek, Wegerecht, 91). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die von den Mitgliedern einer zur Erreichung eines bestimmten gemeinnützigen Zweckes, nämlich der Herstellung eines Güterweges, gebildeten Beitragsgemeinschaft zu leistenden Beiträge sonstige öffentliche Abgaben im Sinne des § 216 Abs. 1 Z. 2 EO sind. Der Bestand der Beitragsgemeinschaft und der von dieser angemeldeten Forderung wird dadurch, daß die Bestimmung des § 48 Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1946 vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. März 1972 (Slg. 6674) als verfassungswidrig aufgehoben wurde, nicht berührt.

Der von der Verpflichteten geschuldete Interessentenbeitrag ist aber entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses weder eine Gemeindeumlage im Sinne des § 88 der oö. Gemeindeordnung 1965, noch ein integrierender Bestandteil der Grundsteuer. Die erwähnte Bestimmung der Gemeindeordnung 1965 regelt die Umlegung der Kosten (für bestimmte Vorhaben), die die Gemeinde auf Grund besonderer Rechtsvorschriften zu tragen oder zu denen sie beizutragen hat. Die Gemeinde hat zwar als Interessent zu den Herstellungskosten der Güterwege beizutragen, ist aber nicht alleinige Trägerin der Straßenbaulast. Die Beitragspflicht der Interessenten beruht unmittelbar auf dem Gesetz; ihre gesetzliche Grundlage sind die Vorschriften des Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1946. Von einer Gemeindeumlage im Sinne des § 88 Gemeindeordnung 1965 könnte nur dann gesprochen werden, wenn die Gemeinde ihren Interessentenbeitrag auf aridere Interessenten umgelegt hätte. Davon kann jedoch nach den vorliegenden Urkunden keine Rede sein. Die Interessentenbeitrage können auch nicht aus den vom Revisionsrekurs angestellten Erwägungen als integrierender Bestandteil der Grundsteuer qualifiziert werden. Sie beruhen auf einer anderen gesetzlichen Grundlage und sind daher als eine von der Grundsteuer verschiedene öffentliche Abgabe anzusehen. Die Interessentenbeiträge genießen daher nicht das der Grundsteuer im § 11 Grundsteuergesetz, BGBl. 149/1955, gewährte Privileg eines gesetzlichen Pfandrechtes im Steuergegenstand. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf andere Steuern oder Abgaben ist aus den vom Rekursgericht zutreffend dargelegten Gründen abzulehnen. Ein gesetzliches Vorzugsrecht kann daher auch nicht aus § 18 des oö. Bringungsrechtsgesetzes vom 12. Juni 1962, LGBl. Nr. 19, abgeleitet werden, nach welcher Bestimmung für die nicht länger als drei Jahre rückständigen Leistungen aus der Mitgliedschaft zu einer Bringungsrechtsgenossenschaft an der damit belasteten Liegenschaft ein gesetzliches Pfandrecht mit dem Vorzugsrecht vor allen Privatpfandrechten besteht. Weder das Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1946 noch die Gemeindeordnung 1965 enthält eine derartige Bestimmung. Der von der Verpflichteten geschuldete Interessentenbeitrag ist auch nicht als Konkurrenzbeitrag nach den durch Art. III Einfuhrungsgesetz zur EO aufrecht erhaltene Hofdekret vom 4. Jänner 1836 JGS 113 anzusehen und genießt auch nicht aus diesem Gründe ein Vorzugsrecht. Unter Konkurrenzbeiträgen sind die den Angehörigen einer gewissen Volksgruppe innerhalb des Volksganzen in Staat, Land oder Gemeinde auferlegten Abgaben zur Bestreitung eines bestimmten sachlichen Aufwandes zu verstehen, der nach dem Gesetz oder nach der Entscheidung der hiezu berufenen Behörde dieser Volksgruppe allein obliegt (Geller, Theorie und Praxis des Pfandrechtes, ZBl. 1919, 593, hier 610). Unter diesen Begriff fallen ohne Zweifel auch die Interessentenbeiträge zu den Herstellungskosten für Güterwege. Durch das erwähnte Hofdekret wurde den Konkurrenzbeiträgen das Vorzugsrecht der landesfürstlichen Steuern zugebilligt. Zur Zeit der Erlassung dieses Hofdekretes bestand nur für jene landesfürstlichen Steuern, die von einer bestimmten Liegenschaft zu entrichten waren, ein gesetzliches Pfandrecht an dieser Liegenschaft (Dittrich, Gesetzliche Pfand- und Vorzugsrechte an Liegenschaften, ÖJZ 1952, 149). Eine ausdrückliche Anordnung, daß Interessentenbeiträge für Guterwege von einer bestimmten Liegenschaft zu entrichten sind, fehlt im Gesetz. Nach § 48 Abs 2 Landes- Straßenverwaltungsgesetz 1946 ist der Kreis der Beitragspflichtigen nicht auf die Anrainer beschränkt, es können zur Beitragsleistung auch Personen herangezogen werden, die den Weg dauernd oder vorübergehend in einem Umfange benützen, der die Beitragsleistung für die Herstellung rechtfertigt. Das Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1946 enthält im Gegensatz zum oö. Bringungsrechtsgesetz (§ 18) keine Bestimmung, die die Beitragspflicht der Mitglieder einer Beitragsgemeinschaft zur Grundlast erklärt. Die Bemessung der Interessentenbeiträge erfolgt nach § 48 Abs. 2 Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1946, unter Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Beteiligten und auf den Nutzen, den ihnen die Anlage des Guterweges bietet, also ohne Zusammenhang mit der von den Beteiligten zu entrichtenden Grundsteuer und auch nicht in Form eines Zuschlages zu dieser. Die angemeldete Forderung gehört deshalb nicht zu den Konkurrenzbeiträgen, die nach dem Hofdekret JGS 113 ein gesetzliches Vorzugsrecht genießen (vgl. SZ 14/115). Der Revisionsrekurs ist nicht in der Lage, eine gesetzliche Vorschrift zu nennen, die den Interessentenbeiträgen zu den Herstellungskosten der Güterwege ein gesetzliches Vorzugsrecht zubilligt.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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