OGH 2Ob102/73

OGH2Ob102/7313.9.1973

SZ 46/87

Normen

ABGB §1327
ABGB §1327

 

Spruch:

Ein Anspruch des Witwers nach § 1327 ABGB wegen Wegfalls der Leistungen seiner Frau in der Haushaltsführung kommt nur insoweit in Betracht, als diese Leistungen ihm selbst zugute kamen. Vermehrte Auslagen für den Unterhalt der Kinder wegen des Wegfalls des anderen Gattenteils sind daher nicht vom Witwer, sondern von den Kindern geltend zu machen

OGH 13. September 1973, 2 Ob 102/73 (OLG Graz 9 R 9/73; LG Klagenfurt 21 Cg 436/71)

Text

Bei einem vom Erstbeklagten am 15. November 1968 verschuldeten Zusammenstoß des PKWs des Klägers mit einem anderen Kraftfahrzeug wurde die Gattin des Klägers, Ernestine R, getötet und der Kläger verletzt. Der Kläger begehrte vom Erstbeklagten und dessen Haftpflichtversicherung (der Zweitbeklagten) Schadenersatz, und zwar 1000 S monatlich ab 1. Dezember 1968 als Unterhaltsschaden des Witwers wegen des Entganges der Haushaltsfuhrung der getöteten Ehefrau und der Pflegeleistungen für seine vier ehelichen Kinder und deren Betreuung, wofür er erhöhte Aufwendungen habe. Aufrecht ist auch noch das Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für künftigen Schaden.

Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren ab und stellte fest, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand dem Kläger für alle Ansprüche für den Aufwand für Unterhalt, Pflege und Erziehung der vier ehelichen Kinder Isolide, Heribert, Egon und Heinrich R haften. Die Haftung der Zweitbeklagten beschränke sich auf die Versicherungssumme.

Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagten, dem Kläger ab 1. Feber 1973 monatlich 300 S zu bezahlen und stellte fest, daß die Beklagten dem Kläger für allen zukünftigen Schaden haften, der ihm aus dem Verlust der Pflege und Erziehung seiner minderjährigen Kinder Isolde, Heribert, Egon und Heinrich R durch seine am 15. November 1968 verstorbene Ehefrau entstehe, wobei die Haftung der Zweitbeklagten auf die Höhe ihrer Deckungsverpflichtung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag beschränkt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht, jener der Beklagten jedoch teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über das Feststellungsbegehren bestätigt wurde, im Ausspruch über das Leistungsbegehren und im Kostenausspruch dahin ab, daß das Ersturteil wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß der Kläger im Jahre 1970 der zweitbeklagten Partei eine Abfindungserklärung ausgestellt habe, wobei die Ansprüche des Klägers wegen des Unterhaltes der vier ehelichen Kinder (wofür von der Zweitbeklagten eine a-conto-Zahlung geleistet wurde) ausgenommen geblieben seien. Die Gattin des Klägers sei ohne eigenes Einkommen nur im Haushalt tätig gewesen, der Kläger habe monatlich 4000 S, einschließlich der Familienbeihilfen 5000 S, verdient. Die Gattin des Klägers habe die vier ehelichen Kinder versorgt. Außerdem lebten im Haushalt noch drei außereheliche Kinder der Ehegattin. Das Erstgericht nahm an, daß der Kläger für jedes eheliche Kind monatlich etwa 600 S als Unterhalt ausgegeben habe. Nach dem Tode seiner Gattin seien dem Kläger höhere Auslagen erwachsen, weil er die Kinder auswärts unterbringen habe müssen. Die Auslagen an Pflegegeld für die Kinder und die Haushaltsersparnis - weil die Kinder außer Haus waren - hielten sich die Waage, weshalb das Leistungsbegehren des Klägers unbegrundet sei, ohne daß die Haushaltsersparnis durch den Tod der Ehefrau zu berücksichtigen wäre. Das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil nicht abgesehen werden könne, wie weit sich allfällige Pflegekosten in Hinkunft zur Eigenersparnis des Klägers ändern und dadurch Ansprüche des Klägers entstehen könnten.

Das Berufungsgericht wies jedoch darauf hin, daß für den Unterhalt der vier ehelichen Kinder vom Kläger bzw. der Fürsorge zusammen rund 2000 S monatlich aufgebracht werden müßten, woraus hervorgehe, daß ein Aufwand von 600 S für jedes Kind im Familienverband nicht richtig sein könne. Dieser Aufwand sei vielmehr mit 300 S je Kind anzunehmen, dazu komme ein Aufwand von 1000 monatlich für die Ehegattin. Diese habe einerseits im Rahmen ihrer Beistandspflicht für den Ehegatten (§§ 44, 92 ABGB) gearbeitet, andererseits nach § 141 ABGB den Körper und die Gesundheit der ehelichen Kinder gepflegt. Nach § 1327 ABGB habe der Witwer Anspruch auf den Ersatz dessen, was ihm durch den Tod seiner Ehefrau bei der Haushaltsführung und der Kindererziehung entgangen sei. Diesen Anspruch könne er gleich einem Unterhaltsanspruch gegen den Schädiger geltend machen. Er könne daher den Mehraufwand ersetzt verlangen, daß er wegen des Todes seiner Ehefrau eine Ersatzkraft im Rahmen der Haushaltsführung heranziehen müsse, und den Mehraufwand, den er für die gebotenen Pflegeleistungen für die Kinder erbringen müsse (Unterhaltsschaden des Vaters wegen Entziehung der Pflegeleistungen der Mutter; § 141 ABGB). Daß neben diesem letzteren Anspruch gleichartige Ansprüche unterhaltsberechtigter Kinder gegen den Schädiger bestehen könnten, nehme dem Kläger nicht das Recht, den ihm zugefügten Schaden ersetzt zu verlangen. Diesbezüglich liege eine gesetzlich zulässige (§ 1327 ABGB) Anspruchskonkurrenz zwischen Vater und Kindern vor. Da der Unterhaltsaufwand des Klägers für seine vier ehelichen Kinder vor dem Tod seiner Frau 1200 S monatlich betragen habe, der Kläger aber nunmehr für die Pflege seiner Kinder außerhalb des Familienverbandes monatlich durchschnittlich 2000 S aufwenden müsse, bestehe ein Mehraufwand von 800 S monatlich. Da die Gattin des Klägers im Haushalt sowohl als Ehefrau wie auch als Mutter tätig gewesen sei, könne angenommen werden, daß sie die Hälfte ihrer Arbeitskraft für die Haushaltsführung und Leistung des Beistandes, die andere Hälfte aber der Kinderpflege gewidmet habe, weshalb die vom Kläger für den Unterhalt seiner Frau aufgewendeten Kosten von 1000 S monatlich auch im gleichen Verhältnis bei der Vorteilsausgleichung berücksichtigt werden müßten. Der Schaden des Klägers betrage daher 300 S monatlich. Da der Kläger hierauf eine aconto-Zahlung von 15.000 S erhalten habe, sei damit die geschuldete Rente von monatlich 300 S für die Zeit vom Dezember 1968 bis einschließlich Jänner 1973 bezahlt, so daß dem Kläger ab 1. Feber 1973 ein monatlicher Ersatzanspruch von 300 S zustehe. Da die Verpflichtung des Klägers, seinen ehelichen Kindern gemäß § 141 ABGB den Unterhalt zu reichen, durch den Unfall nicht berührt worden sei, habe die Schadenersatzpflicht der Beklagten nur insoweit festgestellt werden können, als sie den Mehraufwand des Klägers wegen des Entganges der Pflegeleistungen seiner Gattin an die Kinder betreffe.

Die Beklagten bringen in ihrer Revision unter anderem vor, die Übernahme der Pflege der Kinder durch fremde Personen bewirke einen Schadenersatzanspruch der Kinder, aber nicht des Klägers nach § 1327 ABGB. Dem Kläger fehle daher die Legitimation, diesen Anspruch geltend zu machen. Die Beklagten haben schon vor dem Prozeßgericht die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Ihren Ausführungen ist aus folgenden Erwägungen beizupflichten:

Da die Kinder einen gesetzlichen Anspruch darauf haben, von ihrer Mutter gepflegt zu werden (§ 141 ABGB), was zum Unterhalt im weiteren Sinn gehört, können auch nur sie Ansprüche aus § 1327 ABGB herleiten, weil ihnen diese Pflege entgeht und nun der Kostenaufwand anderwärts verschafft werden muß. Die gegenteilige Auffassung würde auch dem Grundsatz widersprechen, daß ein Ersatzanspruch nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß mittlerweile ein anderer Unterhaltspflichtiger Unterhalt zu gewähren hat (ausdrücklich formuliert im § 843 Abs. 4 BGB, ebenso die österreichische Rechtsprechung SZ 33/140, ZVR 1970/150, 2 Ob. 26, 27/72). Vermehrte Auslagen für den Unterhalt der Kinder wegen des Wegfalles des anderen Gattenteiles sind daher nicht von dem Witwer, sondern von den Kindern geltend zu machen (Geigel 15, 8, 10, JW 1907, 388; 1911, 185). Ein Anspruch des Witwers wegen Wegfalles der Leistungen seiner Frau in der Haushaltsführung könnte daher nur insoweit in Betracht kommen, als diese Leistungen ihm selbst zugute kamen (BGH, NJW, 71, 2066). Bestehen neben dem Anspruch des Witwers gleichartige Ansprüche von Kindern, so bemißt sich der Schaden des einzelnen Unterhaltsberechtigten nach dem auf ihn entfallenden Anteil an der von der Ehefrau und Mutter geschuldeten Haushaltsführung (BGH, NJW, 72, 1130). Die Notwendigkeit einer reinlichen Scheidung der dem Vater und den Kindern nach § 1327 ABGB zustehenden Anspruche zeigt die weitere Überlegung, daß wegen des Wegfalles der Mutter Leistungen des Sozialversicherungsträgers an die Kinder denkbar sind, wobei die dann eintretende Legalzession den Schadenersatzanspruch der Kinder wegen Wegfalles der persönlichen Leistungen der Mutter erfaßt (BGH, VersR, 65, 787; 66, 487).

Das Leistungsbegehren des Klägers ist daher schon aus grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen verfehlt, so daß auf das weitere Vorbringen zur Höhe des angeblichen Entganges, wie es sich in beiden Revisionen vorfindet, nicht einzugehen ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte