Spruch:
Eine rechtskräftige Verurteilung des Hauseigentümers, dem Altmieter einen bestimmten Bestandgegenstand gemäß § 20 WWG zur Miete oder zum Wohnungseigentum anzubieten, zieht die Rechtsfolge nach sich, daß, im Falle des Anbotes zur Miete die Bestimmungen des § 15 WWG über die Zinsbildung zur Anwendung kommen
Der Gläubiger kann, falls der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nicht innerhalb der Leistungsfrist ausübt, die Wahl durch bloße Erklärung gegenüber dem Schuldner unter der Voraussetzung ausüben, daß er sich für eine vom Schuldner abzugebende Willenserklärung entscheidet. Die mit der Verständigung des Schuldners hievon eingetretene Rechtswirkung kann nicht mehr durch ein Wahlrecht des Schuldners beseitigt werden. An Stelle der Exekutionsführung tritt hier die Ausübung des Wahlrechtes durch den Gläubiger
OGH 5. Juni 1973, 8 Ob 49/73 (KG Wels R 435/72, BG Wels 2 C 412/72)
Text
Mit dem vom OGH bestätigten Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. Mai 1971 15 R 36/71 in der Rechtssache des Kreisgerichtes Wels 3 Cg 107/69) wurden die Beklagten schuldig erkannt, den Klägern im Sinne des § 20 WWG ein Geschäftslokal im Erdgeschoß des neu errichteten Hauses in W, K-Platz 5, mit einer Front zum K-Platz in einer Länge von etwa 4 m und im Ausmaß von etwa 42 m2 samt Zubehör (Mitbenützung eines WC) zur Miete oder zum Wohnungseigentum anzubieten.
Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger die Beklagten schuldig zu erkennen, im Erdgeschoß des genannten Hauses die Geschäftsräume derart abzuteilen, daß sich ein Geschäftslokal im oben angeführten Ausmaß ergibt und ihnen dieses Geschäftslokal samt Zubehör zu übergeben. Hiezu brachten sie vor, die Beklagten seien auf Grund des angeführten Urteiles zur Abgabe einer Willenserklärung im Sinne des Urteilsspruches verpflichtet gewesen. Die Kläger hätten mit Schreiben vom 6. März 1972 das Anbot der Beklagten zur Miete des Geschäftslokales, das mit der Rechtskraft des Urteiles als abgegeben gelte, angenommen. Mit der Annahme des Anbotes sei ein Mietvertrag hinsichtlich des Geschäftslokales zustande gekommen, da das Bestandobjekt durch das Urteil und dessen Mietzins durch die gesetzliche Regelung des § 15 WWG festgelegt seien. Einer Exekutionsführung nach § 354 EO habe es nicht bedurft. Sie wäre geradezu unzulässig gewesen.
Die Beklagten und die Nebenintervenientin wendeten ein, das nach dem Exekutionstitel den Beklagten zustehende Wahlrecht könne nicht durch die Kläger ausgeübt werden. Das Anbot gelte auch nicht durch die Rechtskraft des Exekutionstitels als abgegeben. Die Kläger hätten vielmehr zur Herbeifuhrung des Anbotes Exekution nach § 354 EO, führen müssen. Es sei daher ein Mietvertrag gar nicht zustande gekommen. Im übrigen sei den Beklagten die Stellung eines Anbotes weder möglich noch zumutbar, weil das anzubietende Lokal gar nicht bestehe, eine Bewilligung für den Umbau nicht vorhanden sei, auch in keiner Weise für die Umbaukosten vorgesorgt und das gesamte Erdgeschoß im guten Glauben an die Nebenintervenientin vermietet worden sei.
Das Erstgericht erkannte im Sinne der Klage, wobei es eine Leistungsfrist von 14 Tagen festsetzte.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes nur im Ausspruch über die Leistungsfrist insoweit ab, als es für beide Leistungen eine Frist von 6 Monaten festsetzte, bestätigte es aber im übrigen und sprach aus, daß der von der teilweisen Stattgebung der Berufungen betroffene Wert des Streitgegenstandes 1000 S und der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 50.000 S übersteigt.
Die Untergerichte gingen von folgendem Sachverhalt aus.
Mit dem Bescheid des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 24. November 1967 wurde die Fondshilfe zum Wiederaufbau des Hauses der Beklagten in W, K-Platz 5, bewilligt. Auf Antrag der Beklagten vom 30. Juni 1969 wurde jedoch mit dem Bescheid des genannten Ministeriums vom 17. September 1969 die Herausnahme des Erdgeschosses aus der Fondsfinanzierung genehmigt, dessen Wiederaufbau die Beklagten selbst finanzierten. Bei der Wiedererrichtung des Hauses wurde eine Teilung des Erdgeschosses in zwei Geschäftslokale, wie sie vor dem Abbruch des Hauses bestanden haben, nicht mehr geplant, sondern an deren Stelle ein einziges, aus mehreren Räumen bestehendes Geschäftslokal im Ausmaß von rund 126.78 m2 errichtet, das von der Nebenintervenientin gemietet und auch bezogen wurde. Das Urteil des OGH vom 24. November 1971, das das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz im Vorprozeß bestätigte, wurde den Parteien am 11. Feber 1972 zugestellt. Am 6. März 1972 richteten die Kläger an die Beklagten als Hauseigentümer ein Schreiben, in dem sie unter Bezugnahme auf das Urteil im Vorprozeß erklärten, das Anbot zur Mitte des im Urteil angeführten Geschäftsraumes anzunehmen, und in dem sie die Beklagten zur Übergabe des Geschäftsraumes aufforderten. Schon am 5. Feber 1970 wies der Vertreter der Kläger in einem Schreiben an die Nebenintervenientin auf den von den Klägern hinsichtlich eines Teiles des Erdgeschosses geltend gemachten Anspruch und auf den anhängigen Rechtsstreit.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, mit der Annahme des im rechtskräftigen Urteil enthaltenen Anbotes zur Miete sei - anders als im Falle des Anbotes zur Erwerbung des Wohnungseigentums - der Mietvertrag zustande gekommen. Die Beklagten könnten dem auf Übergabe des Bestandgegenstandes gerichteten Klagebegehren nicht mit Erfolg die Einwendung der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Leistung aus den von ihnen angeführten Gründen entgegensetzen.
Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Die Ausübung des Wahlrechtes sei zwar nach dem Exekutionstitel den Beklagten zugestanden. Da sie aber das Wahlrecht nicht ausgeübt hätten, sei es auf die Kläger übergegangen.
Anders als beim Anbot zur Erwerbung des Wohnungseigentums, das wegen seiner besonderen Ausgestaltung nur nach § 354 EC) erzwungen werden könne, handle es sich bei der Verpflichtung zum Anbot zur Miete um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die nach § 367 Abs. 1 EO mit der Rechtskraft des Urteiles als abgegeben gelte, wenn dem Urteilsspruch die entscheidenden Belange der Miete entnommen werden können. Der Mietgegenstand sei durch den Exekutionstitel hinreichend bezeichnet. Das Urteil verpflichtete auch zum Anbot von Miete "im Sinne des § 20 WWG". Damit sei auch dem Erfordernis der Bestimmtheit des Mietzinses mit Rücksicht auf die gesetzliche Regelung des § 15 WWG entsprochen. Sei aber durch die Annahme des Anbotes seitens der Kläger ein Mietverhältnis zustande gekommen, ergebe sich daraus die Verpflichtung der Beklagten zur Übergabe des zum ordnungsgemäßen Gebrauch tauglichen Mietgegenstandes. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Leistung berufen. Alle ihre diesbezüglichen Einwände seien bereits im Vorprozeß erörtert und als nicht beachtlich erklärt worden. Die Beklagten könnten den Umstand, daß sie den Mietgegenstand an die Nebenintervenientin weitervermietet haben, dem Leistungsbegehren der Kläger auf Übergabe des Mietgegenstandes nicht die Einrede der Unmöglichkeit der Leistung entgegensetzen. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf den Mangel einer baubehördlichen Bewilligung für das zu übergebende Geschäftslokal berufen, da sie gar nicht behauptet hätten, sich um eine solche Bewilligung überhaupt bemüht zu haben, obwohl sie verpflichtet seien, alles zu unternehmen, um die ihnen im Urteil auferlegte Verpflichtung zu erfüllen.
Der Oberste Gerichtshof gab der von den Beklagten und der Nebenintervenientin erhobenen Revision nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der Beurteilung des auf Herstellung und Übergabe des Bestandgegenstandes, das ist auf Erfüllung des Mietvertrages, gerichteten Begehrens ist von der Bindung an die den Beklagten im Vorprozeß urteilsmäßig auferlegte Verpflichtung auszugehen, den Klägern im Sinne des § 20 WWG, ein Geschäftslokal bestimmter Größe und Lage zur Miete oder zum Wohnungseigentum anzubieten. Es ist richtig, daß nach § 20 WWG dem Hauseigentümer das Wahlrecht zusteht, dem Altmieter die Miete der mit Fondshilfe wiederhergestellten oder wiederherzustellenden Räume oder für den Fall der Begründung von Wohnungseigentum an diesen Räumen den Erwerb des Wohnungseigentums anzubieten. Dieses Wahlrecht stand den Beklagten als Hauseigentümer auch nach dem zugrundeliegenden Exekutionstitel zu. Wenn dem Verpflichteten die Wahl zwischen mehreren Leistungen zusteht und er nicht vor Beginn der Zwangsvollstreckung die Wahl vorgenommen hat, so kann der Gläubiger nach § 12 EO die Zwangsvollstreckung auf die eine oder andere Leistung nach seiner Wahl richten. Besteht eine der nach Wahl des Schuldners zu erbringenden Leistungen in einer Willenserklärung, so kann der Gläubiger nach fruchtlosem Ablauf der Leistungsfrist zur Durchsetzung der anderen, nicht in einer Willenserklärung bestehenden Leistung Exekution führen. Will er das nicht und entscheidet er sich für die vom Schuldner abzugebende Willenserklärung, so muß er durch Erklärung gegenüber dem Schuldner diese Wahl ausüben. Die Willenserklärung gilt dann als abgegeben, wenn der Schuldner davon verständigt wird. Die damit eingetretene Rechtswirkung kann nicht mehr durch ein Wahlrecht des Schuldners beseitigt werden. An Stelle der Exekutionsführung tritt hier die Ausübung des Wahlrechtes durch den Gläubiger (vgl. Neumann - Lichtblau[4], I. 276; Stein - Jonas[17], Komm. z. ZPO, II. Anm. V/2 zu § 894d. ZPO; Wieczorek, Zivilprozeßordnung IV/2 Anm. B II b zu § 894d. ZPO).
Es ist richtig, daß nach der Rechtsprechung der Anspruch auf Anbotstellung zum Erwerb des Wohnungseigentums im Sinne des § 20 Abs. 2 WWG nach § 354 EO zu vollstrecken ist, da dieses Anbot schon mit Rücksicht auf den Kaufpreis einer besonderen Ausgestaltung seitens des Hauseigentümers bedarf (vgl. SZ 33/79; SZ 38/128). Die Revisionswerber halten diese Art der Zwangsvollstreckung auch zur Durchsetzung des Anspruches auf Anbotstellung zur Miete für erforderlich. Sie bekämpfen daher die Ansicht der Untergerichte, die urteilsmäßige Verpflichtung zum Anbieten des Geschäftslokals zur Miete habe die Abgabe einer Willenserklärung nach § 367 EO zum Inhalt. Ihren Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Zutreffend haben die Untergerichte ausgeführt, daß die im Urteil aufgetragene Anbotstellung zur Miete eine Verpflichtung zur Abgabe der erforderlichen Willenserklärung darstellt, an deren Stelle nach § 367 EO das Urteil tritt, wenn der Inhalt des Anbotes durch den Exekutionstitel genügend bestimmt ist. Verfehlt ist die Ansicht der Revisionswerber, ein Mietvertrag könne durch die Annahme des urteilsmäßigen Anbotes schon deshalb nicht zustande kommen, weil das Bestandobjekt noch nicht existent und im Urteil auch nicht genügend bestimmt sei. Nach § 20 Abs. 1 WWG (erster und dritter Satz) hat der Hauseigentümer die Miete auch erst wiederherzustellender Räume anzubieten, welches Anbot frühestens 4 Monate nach Bewilligung der Fondshilfe gestellt werden kann. Der Gesetzgeber geht also selbst davon aus, daß die für den Abschluß eines Mietvertrages nach § 20 WWG erforderlichen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen durch das Anbot des Vermieters und die befristete Annahme seitens des Mieters noch vor der Wiederherstellung der Räume abgegeben werden können. Das Bestandobjekt ist im Exekutionstitel aber auch bestimmt genug bezeichnet, da darin sowohl dessen Lage im Erdgeschoß als auch dessen Flächenausmaß und die Frontbreite angegeben sind. Auch hinsichtlich der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Mietzinses ist von der Bindungswirkung des zugrunde liegenden Exekutionstitels auszugehen, wonach den Klägern die Miete des Geschäftslokales nach § 20 WWG anzubieten ist, der sich auf mit Fondshilfe wiederhergestellte Räume mit gesetzlichen Mietzinsregelung bezieht. Im Vorprozeß wurde trotz der - erst nachträglich im Laufe des Prozesses erfolgten - Herausnahme der Wiederherstellung der Räume im Erdgeschoß aus Mitteln der Fondshilfe die Verpflichtung der Beklagten zur Anbotstellung nach § 20 WWG wegen deren Absicht, durch die nachträgliche Maßnahme die Geltendmachung des Rechtes des Altmieters auf Abschluß eines Mietvertrages zu vereiteln, als gegeben angenommen. Die im Urteil aufgetragene Anbotstellung umfaßt daher auch die Verpflichtung der Beklagten, den Klägern die Miete im Sinne des § 20 WWG zu dem in § 15 Abs. II WWG gesetzlich geregelten Mietzins anzubieten. Auch hinsichtlich der sonstigen Bedingungen des Mietvertrages sind dem Anbote die ortsüblichen Bedingungen zugrunde zu legen, wie es im § 20 Abs. 2 WWG für das Anbot des Erwerbes von Wohnungseigentum vorgesehen ist, da nicht angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber den Altmieter beim Anbot von Miete diesbezüglich schlechter stellen wollte. Es kann daher auch nicht eingewendet werden, daß der Bestandvertrag deshalb nicht zustande gekommen sein könne, weil die Bedingungen des Vertrages, vor allem der Mietzins, nicht bestimmt seien (vgl. MietSlg. 8462/17). Die den Beklagten im Urteil aufgetragene Verpflichtung zur Abgabe eines Anbotes zur Miete entspricht daher den Erfordernissen eines Exekutionstitels nach § 367 EO. Zur Herbeiführung dieser Willenserklärung bedurfte es demnach nicht der Anwendung von Zwang. Sie gilt vielmehr im Sinne der obigen Ausführungen selbst unter Berücksichtigung des ursprünglich den Beklagten zustehenden Wahlrechtes in dem Zeitpunkt als abgegeben, da ihnen die Verständigung der Kläger über die von diesen in der Richtung des Anbotes zur Miete ausgeübten Wahl zugekommen ist. Da die Kläger die mit dieser Verständigung verbundene Annahme des Anbotes innerhalb der im § 20 Abs. 1 letzter Satz WWG vorgesehenen Frist von 30 Tagen erklärt haben, ist dadurch der Bestandvertrag wirksam zustande gekommen.
Daraus ergibt sich der Anspruch der Kläger auf Vertragszuhaltung und Übergabe des vermieteten Geschäftslokales. Soweit die Beklagten dem Erfüllungsbegehren der Kläger die Einwendung der Unzumutbarkeit entgegensetzen, wurde bereits im Titelprozeß darauf hingewiesen, daß der Hauseigentümer, der seine gesetzlichen Verpflichtungen nach § 20 WWG verletzt, die Unannehmlichkeiten, die aus einer Zerreißung der wiederhergestellten Räume entstehen, sich selbst zuzuschreiben hat. Er kann sich auch nicht unter Verweisung auf seine wirtschaftliche Lage auf die Unmöglichkeit der Leistung berufen (vgl. 6 Ob 179/71).
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