OGH 1Ob76/73

OGH1Ob76/7323.5.1973

SZ 46/55

Normen

Lohnpfändungsgesetz §4 Abs2
Lohnpfändungsgesetz §4 Abs2

 

Spruch:

Die Prüfung der Frage, ob die Pfändung der Billigkeit entspricht (§ 4 Abs. 2 LPfG), erfordert die Abwägung der Interessen beider Teile

OGH 23. Mai 1973, 1 Ob 76/73 (LGZ Graz 1 R 241/72; BGZ Graz 4 C 1679/70)

Text

Die Streitteile haben am 28. Feber 1959 geheiratet. Die Ehe besteht noch aufrecht, wenngleich ein Scheidungsverfahren läuft und die Ehegatten nunmehr getrennt leben. Mit der Begründung, daß der Beklagte im Jahre 1970 ehewidrige Beziehungen zu Hermine K aufgenommen habe und seit dieser Zeit seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin nicht mehr entsprechend nachkomme, begehrte diese mit der seit 18. November 1970 anhängigen Klage den Zuspruch eines Unterhaltsbetrages von 8000 S monatlich.

Der Beklagte hat Klagsabweisung beantragt und behauptet, er begehrte Unterhalt sei viel zu hoch gegriffen. Schließlich hat der Beklagte eine Gegenforderung in der Höhe von 161.031.35 S eingewendet.

Das Erstgericht hat ausgesprochen, daß die Forderung der Klägerin mit monatlich 5000 S ab 1. Dezember 1970 zu Recht, die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe; demgemäß hat es den Beklagten verurteilt, der Klägerin ab 1. Dezember 1970 einen monatlichen Unterhalt von 5000 S zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Bezahlung eines weiteren Unterhaltsbetrages von monatlich 3000 S ab 1. Dezember 1970 hat es abgewiesen. Es gelangte unter eingehender Darstellung der beiderseitigen Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu der Feststellung, daß das monatliche Reineinkommen des Beklagten als Zahnarzt, von dem der Unterhalt der Klägerin zu leisten sei, rund 16.000 S betrage. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Klägerin aus der Vermietung einer Eigentumswohnung im Monat rund 1000 S, seit 1. Juli 1972 über 1200S erziele, außerdem wohnversorgt sei und der Beklagte sich bereit erklärt habe, für die Kosten der Erhaltung des gemeinsamen Hauses aufzukommen, erscheine bei Bedachtnahme auf die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für den minderjährigen Oliver in der Höhe von 2000 S monatlich, der der Klägerin zuerkannte Unterhaltsbetrag von 5000 S monatlich standesgemäß und der Bestimmung des § 91 ABGB entsprechend.

Zur Frage der eingewendeten Gegenforderung stellte das Erstgericht fest, daß der Beklagte anläßlich von Kreditaufnahmen am 13. Mai 1970 der Klägerin, die die Pfandbestellungsurkunden mit unterfertigt hatte, zugesichert habe, es würden die gesamten Rückzahlungen aus seinen Einkünften bestritten, die Klägerin daher keine Verpflichtung daraus treffe und sie sich nur unter dieser Voraussetzung mit der Pfandbestellung bzw. Kreditaufnahme einverstanden erklärt habe. Im übrigen sei nach herrschender Rechtsprechung die Aufrechnung einer Geldforderung gegen auf gesetzlicher Vorschrift beruhender Unterhaltsforderungen bezüglich des zur Aufrechterhaltung standesgemäßer Lebensführung erforderlichen Betrages unzulässig. Der Beweis, daß die Unterhaltsforderung der Klägerin den Bedarf der standesgemäßen Lebensführung überschreite, sei dem Beklagten nicht gelungen.

Das Berufungsgericht gab den beiderseitigen Berufungen nicht Folge und bestätigte das Ersturteil in der Hauptsache mit der Maßgabe, daß die Aufrechnungseinrede des Beklagten abgewiesen wurde. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters und billigte auch dessen Rechtsansicht, vertrat aber im Zusammenhang mit der geltend gemachten Gegenforderung die Auffassung, daß die bezügliche Einrede mangels Kompensabilität ohne Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung abzuweisen gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausführungen des Beklagten zur Aufrechnungseinrede sind nicht zielführend. Entgegen älteren Auffassungen schließt die herrschende Rechtsprechung die Aufrechnung einer Geldforderung gegen einen Geldunterhaltsanspruch nicht allein wegen dessen höchstpersönlichen Charakters und daher schon wegen Mangels der Gleichartigkeit im Sinne des § 1438 ABGB aus, da ja auch bei der Unterhaltsrente ausschließlich Geldbeträge geschuldet werden. Wohl aber ist die Bestimmung des § 293 Abs. 3 EO zu beachten, wonach die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil einer Forderung nur zur Hereinbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schaden absichtlich zugefügt wurde, zulässig ist.

Daß diese Voraussetzungen nicht vorliegen, haben die Untergerichte zutreffend erkannt. Der Beklagte macht als Gegenforderung Aufwendungen für das im gemeinsamen Eigentum stehende Einfamilienhaus in G geltend, in dem die Ehewohnung gelegen ist. Die Forderung setzt sich zusammen aus vom Beklagten - wie er behauptet - für die Klägerin geleisteten Abzahlungsraten zweier zum Ausbau des Hauses aufgenommener Darlehen in der Höhe von 49.127.50 S und 30.597 S sowie aus Forderungen eines Baumeisters und einer Handwerksfirma in der Höhe von 34.266 S bzw. 47.040.85 S. Es handelt sich somit keinesfalls um einen der Klägerin gewährten Vorschuß. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten ohne weitere Prüfung unterstellt, die Aufwendungen, deren Ersatz er begehrt, hatten die Grundlagen für die Wohnraumversorgung der Klägerin geschaffen, weshalb zwischen ihrem Unterhaltsbegehren und der Gegenforderung ein Zusammenhang besteht, so wurde dem doch bereits dadurch Rechnung getragen, daß der Klägerin u. a. wegen ihrer Wohnraumversorgung eben nur 5000 S monatlich zugesprochen wurden. In welcher Höhe die Wohnraumversorgung zu veranschlagen war, gehört zum Bemessungskomplex, auf den der Oberste Gerichtshof nicht eingehen kann. Zwischen dem noch offenen Unterhaltsbegehren der Klägerin und der Gegenforderung des Beklagten besteht jedenfalls kein rechtlicher Zusammenhang mehr. Ein Schadenersatzanspruch als Grundlage der Gegenforderung scheidet im vorliegenden Fall überhaupt aus.

Liegen aber die Voraussetzungen des § 293 Abs. 3 EO nicht vor, wäre für den Beklagten in Ansehung seiner Gegenforderung nur etwas zu gewinnen, wenn er dartun hatte können, daß die Voraussetzungen für die Pfändbarkeit nach § 4 Abs. 2 LPfG gegeben sind. Eine Aufrechnung gegen eine Unterhaltsforderung ist nur zulässig, wenn entweder ein Fall des § 293 Abs. 3 EO vorliegt oder Pfandbarkeit gemäß § 4 Abs. 2 LPfG gegeben ist. Nach letzterer Gesetzesstelle können Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Exekution in das sonstige bewegliche Vermögen des Verpflichteten zu einer vollständigen Befriedigung des betreibenden Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird, und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art der vollstreckbaren Forderung und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

Die Prüfung der Frage, ob die Pfandung der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der Interessen beider Teile, es können also nicht allein die Interessen des Verpflichteten berücksichtigt werden, vielmehr ist auch auf die des betreibenden Gläubigers Bedacht zu nehmen, der allenfalls schutzwürdiger sein konnte (Heller - Berger - Stix 1972 und 2106). Es ist zu prüfen, ob dem Gläubiger eine allfällige Versagung der Exekutionsführung eher zumutbar ist als dem Schuldner der gänzliche oder teilweise Entzug seines Bezuges durch die Exekutionsführung. Es wird daher auch die auf beiden Seiten bestehende größere oder geringere Bedürftigkeit gegeneinander abzuwägen sein. Insbesondere wird hiebei auf die "Art" (gemeint ist wohl der Rechtsgrund und alle wesentlichen Umstände der Entstehung) der vollstreckbaren Forderung und auf die Höhe der zu pfändenden Bezüge Bedacht zu nehmen sein. Auf die Art der hereinzubringenden Forderung wird es freilich weniger ankommen, wenn die zu pfändende Forderung sehr hoch ist, was z. B. der Fall sein kann, wenn die Unterhaltsforderung des Verpflichteten über die Erfordernisse für den anständigen (angemessenen z. B. § 66 EheG) standesgemäßen Unterhalt hinausgehen sollte. In diesem Sinn bedarf die bisherige Judikatur (SZ 43/229 u. a.) einer gewissen Ergänzung (s. auch hiezu Heller - Berger - Stix 1974; ähnlich schon 3 Ob 4/73, die Unpfändbarkeit einer nicht über die Erfordernisse des anständigen Unterhaltes hinausgehenden Unterhaltsforderung nicht ausnahmslos, sondern nur im Regelfall annahm).

Wendet man diese grundsätzlichen Ausführungen auf den gegenständlichen Fall an, dann zeigt sich, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, ihm angeblich gegen die Klägerin zustehende Forderungen gegen ihren Anspruch auf laufenden Unterhalt aufzurechnen.

Zunächst muß darauf verwiesen werden, daß dem Beklagten als dem wesentlich Finanzkraftigeren die Versagung der Exekution und damit der Aufrechnung eher zumutbar ist als der Klägerin der teilweise Entzug ihres Bezuges, ist sie doch im wesentlichen auf die Unterhaltsleistung ihres Mannes angewiesen, denn die Einkünfte aus der Eigentumswohnung von 1200 S monatlich fallen hiebei nicht entscheidend ins Gewicht, auch wenn man noch die Wohnraumversorgung berücksichtigt. Legt man ferner zugrunde, daß sich die Forderung des Beklagten auf Leistungen für das gemeinsame Haus beziehen, dessen Hälfte die Klägerin seinerzeit vom Beklagten schenkungweise erhalten hat, und daß sie auch schon beim Eingehen der Zahlungsverpflichtungen kein eigenes laufendes Einkommen hatte, aus dem sie die auf sie entfallenden Leistungen hatte erbringen können, erscheint es wohl mehr als fraglich, daß die Ehegatten, insbesondere auch der Beklagte, ernstlich jemals daran gedacht haben könnten, die Klägerin würde die auf sie entfallenden Beträge aus eigenem tragen. Unter diesen Umständen und nach den Feststellungen der Untergerichte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten kann also nicht gesagt werden, daß Billigkeitserwägungen für die Zulässigkeit der Aufrechnung sprächen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß der Beklagte nicht behauptet oder unter Beweis gestellt hat, eine Exekution in das sonstige bewegliche Vermögen der Klägerin würde zu keiner vollständigen Befriedigung hinsichtlich seiner angeblichen Gegenforderung führen (§ 4 Abs. 2 LPfG). Das Berufungsgericht hat also die unzulässige Einwendung der Gegenforderung des Beklagten zutreffend abgewiesen, ohne daß damit über ihren Bestand oder Nichtbestand entschieden worden wäre (SZ 41/68, SZ 43/229, Fasching III, 582).

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