OGH 4Ob315/73

OGH4Ob315/7322.5.1973

SZ 46/53

Normen

PatG §22
PatG §147
PatG §22
PatG §147

 

Spruch:

Das Anbot, erst dann zu liefern, wenn hiezu die Genehmigung seitens des Patentinhabers vorliegt oder erst nach Ablauf des Patentes, ist kein "Feilhalten"

Wurde der Eingriffsgegenstand aber "zur Erprobung" an verschiedene Fabrikanten weitergegeben, so wurde sehr wesentlich in die Interessen des Patentinhabers eingegriffen, weil durch die Weitergabe zur Erprobung, auch wenn diese unentgeltlich erfolgte - Entgeltlichkeit ist keine Voraussetzung der Betriebsmäßigkeit" - die Verwendung der Musterexemplare den geschäftlichen Zwecken Dritter diente und geeignet war, Patentverletzungen zu fördern und das Monopolrecht des Patentinhabers zu schwächen

OGH 22. Mai 1973, 4 Ob 315/73 (OLG Wien 2 R 11/73; HG Wien 19 Cg 15/71)

Text

Die klagende Partei ist Inhaberin des österreichischen Patents Nr. 282.106 mit Priorität vom 1. November 1967, der Zweitbeklagte ist persönlich haftender Gesellschafter der erstbeklagten Partei.

Die klagende Partei stellte zuletzt folgende Begehren: 1. Die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, die Erzeugung, das Feilhaben und den Vertrieb eines Möbelbeschlagteiles zu unterlassen, bei dem an der Innenseite der Vorderwand im Bereich ihrer beiden unteren Ecken je eine mit waagrechten, schlitzförmigen Befestigungsöffnungen versehene Tragplatte befestigt ist und jede Tragplatte in einem am vorderen Ende des ausziehbaren Bodens befestigten Tragwinkel an dessen senkrecht stehendem freien Schenkel höhenverstellbar ist und in einer senkrecht zur Vorderwand liegende Ebene schwenkbar aufgenommen ist, und zwar sofort bei sonstigem

Zwange, in eventu: es werde den beklagten Parteien gegenüber festgestellt, 1 daß die beklagten Parteien nicht berechtigt sind, Möbelbeschlagteile gemäß der Beschreibung des Punktes 1 des Urteilsbegehrens herzustellen, feilzuhalten und in den Verkehr zu setzen; 2. Die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, es zu unterlassen, die Lieferung eines Möbelbeschlagteiles der im Punkt 1 beschriebenen Art für die Zeit nach Beendigung eines Patentstreites anzukundigen, in eventu: die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, es zu unterlassen, die Lieferung eines Möbelbeschlagteiles der im Punkt 1 beschriebenen Art für den Fall anzubieten, daß die Patentfrage geklärt sei.

Zur Begründung berief sich die klagende Partei auf Eingriffe in ihr Patent durch die Beklagten gemäß § 147 PatG sowie auf Verstöße nach §§ 1.2 UWG.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der von der Klägerin als Beilage./C vorgelegte Möbelbeschlagteil wurde im Betrieb der Erstbeklagten hergestellt. Es wurde von dieser Art von Möbelbeschlagteilen eine geringe Zahl von Musterexemplaren, ungefähr 5 Stück, hergestellt und diese Musterexemplare wurden verschiedenen Möbelfabrikanten zu dem Zweck übergeben, sie zu erproben. Es wurde jedoch allen Personen, denen ein solches Muster übergeben wurde oder denen es auf einer Messe gezeigt wurde, erklärt, daß derartige Möbelbeschlagteile noch nicht geliefert werden könnten, eine Lieferung sei erst möglich, wenn das Patentverfahren abgeschlossen sei bzw. der Streit über das Patent abgeschlossen sei bzw. die Erstbeklagte vom Patentamt in Wien wegen des Vorbenützungsrechtes eine Mitteilung habe; oder: die Lieferung sei nicht möglich wegen Patentschwierigkeiten bzw. wegen eines Prozeßverfahrens. Eine serienmäßige Erzeugung solcher Möbelbeschlagteile wurde niemals begonnen, es fehlen auch die Werkzeuge für eine solche serienmäßige Erzeugung. Es wurde auch kein Preis für einen derartigen Möbelbeschlagteil genannt. Die Möbelbeschlagteile wurden niemandem zum Kauf angeboten. Es konnten auch die von der Klägerin zum Nachweis dafür geführten Zeugen, daß die Erstbeklagte Möbelbeschlagteile wie Beilage ./C in den Verkehr setzt und feilhält nur bestätigen, daß die Firma R-Küchen Johann G einen Möbelbeschlagteil wie Beilage./C besessen habe.

Die Erstbeklagte übergab eines der Musterexemplare wie Beilage./C ihrem Vertreter K mit dem Auftrag, es der Firma R-Küchen Johann G zur Erprobung zu übergeben, es aber niemanden anzubieten, bevor das Patentverfahren abgeschlossen sei. K übergab dieses Musterexemplar seinem Mitarbeiter Fritz H und überreichte es dem Direktor L der Firma R-Küchen Johann G mit der Erklärung,daß er diesen Möbelbeschlagteil zur Erprobung übergebe, daß er aber kein Anbot und auch keine Lieferzusage machen könne, da erst abgewartet werden müsse, "ob etwas mit einem Patent sein wird". Aus dem Lager der Firma R-Küchen Johann G entwendete der Zeuge G dieses Musterstück und erzeugte dann nach diesem Musterstück selbst Beschläge. Von ihm kam dieses Muster über den Zeugen St. an die Klägerin.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht im wesentlichen die Auffassung, die Erstbeklagte habe eine betriebsmäßige Erzeugung und Feilhaltung von Möbelbeschlagteilen wie Beilage./C abgelehnt, solange nicht durch die zuständige Behörde die Patentrechtslage geklärt sei; damit habe es aber die Erstbeklagte ausdrücklich abgelehnt, einen Patenteingriff zu begehen. Es brauche daher die Frage, ob Möbelbeschlagteile wie Beilage./C die geschützten Merkmale des klägerischen Patentes aufweisen, nicht geprüft zu werden, da eine betriebsmäßige Herstellung oder ein betriebsmäßiger Gebrauch nicht vorliege, von den Beklagten auch nicht vorbereitet worden, den Interessenten gegenüber ausdrücklich ausgeschlossen worden sei und daher auch nicht drohe. Es entbehre daher sowohl eine Unterlassungsklage als auch eine Feststellungsklage wegen drohender Patentverletzung einer tatsächlichen Grundlage.

Es sei aber für die Klägerin auch mit einem Hinweis auf Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nichts zu gewinnen. Eine zu Irreführung geeignete Angabe im Sinne des § 2 UWG könne schon deshalb nicht vorliegen, weil der wesentliche Informationsgehalt der festgestellten Äußerungen der Mitarbeiter der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten nicht in der Bekanntgabe bestehe, daß eine bestimmte Art von Verfahren anhängig sei, sondern in dem Hinweis, daß die Erstbeklagte vorläufig nicht liefern könne und die Liefermöglichkeit von einer Entscheidung einer kompetenten Behörde abhänge. Mit Recht habe der Zweitbeklagte darauf verwiesen, daß es für die präsumtiven Geschäftspartner der Erstbeklagten unerheblich war, welches Verfahren anhängig sei und, wie man ergänzen müsse, ob überhaupt ein Verfahren schon anhängig sei, sondern daß für sie der Hinweis genügte, daß die Erstbeklagte derzeit nicht liefern könne, weil noch patentrechtliche Fragen zu entscheiden seien. Eine Irreführung wäre nur dann vorgelegen, wenn die Erstbeklagte über die Chancen der Beseitigung des vorliegenden Hindernisses irreführende Angaben gemacht hätte oder wenn sie trotz der Beseitigung rechtlicher Hindernisse aus tatsächlichen Gründen nicht erzeugen und liefern hätte können.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach den Feststellungen der Untergerichte hat die erstbeklagte Partei in ihrem Betrieb etwa fünf Möbelbeschlagteile nach dem Muster von Beilage. /C, das nach den Behauptungen der klagenden Partei den Gegenstand der geschützten Erfindung bildet, hergestellt und die Muster verschiedenen Möbelfabrikanten zu Erprobung übergeben. Aus dieser Zweckbestimmung der Übergabe wollen die Untergerichte ableiten, daß schon das Merkmal der Betriebsmäßigkeit (§§ 147, 22 PatG), das bei jeder Eingriffsform gegeben sein müsse, fehle.

Die Auffassung, daß Betriebsmäßigkeit der behaupteten Eingriffshandlungen nicht vorliege, kann nicht geteilt werden. Nach den Motiven (vgl. Munk, Das österreichische Patentgesetz, 59, 60. Sumari, Kommentar zum österreichischen Patentgesetz, 103; Friebel - Pulitzer, Das österreichische Patentrecht[2], 213) wurde abweichend vom deutschen Patentgesetz der Begriff der "betriebsmäßigen" und nicht der der "gewerbsmäßigen" Benutzung in das Gesetz eingeführt, weil der letztgenannte Begriff zu enge ist, um das industrielle Ausnutzungsrecht zu decken. Unter den Begriff der Betriebsmäßigkeit fallen nicht Benutzungen zu nur persönlichen, häuslichen oder belehrenden Zwecken. Dieser Ansicht steht auch die Entscheidung PBl. 1914, 89, nicht entgegen, in der erklärt wurde, daß ein Eingriff dann nicht vorliege, wenn der Eingriffgegenstand in der Versuchswerkstätte nur zu dem Zwecke angefertigt wird, um auf dem eingeschlagenen Weg weiterbauend zu einem weiteren Fortschritt zu gelangen. Durch eine solche Benutzung werden Interessen des Patentinhabers noch nicht wesentlich berührt bzw. es müssen diese Interessen zugunsten des technischen Fortschrittes zurückstehen. Der weite Begriff der Betriebsmäßigkeit (nach den Motiven ist die Benutzung betriebsmäßig, wenn sie auf einer nach einem einheitlichen Plan eingerichteten, wiederholungsfähigen wirtschaftlichen Tätigkeit von gewisser Dauer beruht, welche, ohne notwendig auf Erwerb gerichtet zu sein, nicht bloß zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse dient; (vgl. PBl. 1907, 997) kann auch das festgestellte Verhalten der beklagten Parteien erfassen. Denn wenn tatsächlich in der Werkstätte der Erstbeklagten der Gegenstand der Erfindung hergestellt und in etwa fünf Exemplaren "zur Erprobung" an verschiedene Möbelfabrikanten weitergegeben wurde, so wurde damit sehr wesentlich in die Interessen des Patentinhabers eingegriffen, weil durch die Weitergabe zur Erprobung, auch wenn diese unentgeltlich erfolgte - Entgeltlichkeit ist keine Voraussetzung der Betriebsmäßigkeit - die Verwendung der Musterexemplare den geschäftlichen Zwecken Dritter, nämlich der Möbelfabrikanten, diente und geeignet war, Patentverletzungen zu fördern und das Monopolrecht des Patentinhabers zu schwächen.

Die Beklagten haben es unterlassen, auszuführen, wozu eine Erprobung der Möbelbeschlagteile hätte dienen sollen. Ihren Schreiben laut Beilagen II und III läßt sich jedenfalls nicht entnehmen, daß noch eine technische Weiterentwicklung der Möbelbeschlagteile erforderlich wäre. Eine Erprobung derselben durch potentielle Interressenten des Gegenstandes der Erfindung, ob dieser technisch einwandfrei funktioniert, kann nicht dem Falle gleichgestellt werden, daß der Gegenstand der Erfindung in der Werkstätte des Herstellers zu Forschungszwecken verwendet wird. Durch die Übergabe der Möbelbeschlagteile in die tatsächliche Verfügungsgewalt von Möbelfabrikanten wurde der Gegenstand der Erfindung, vorausgesetzt, daß darin die Erfindungsmerkmale verwirklicht worden sind, in Verkehr gebracht. Das Inverkehrbringen kann durch Verkauf sowie durch jede andere Art der geschäftlichen Verbreitung erfolgen.

Insofern Lieferung in späterer Zeit in Aussicht gestellt wurde (laut Schreiben, Beilage II, in zirka drei Monaten, "wenn wir mit unserem Patent durchgekommen sind"; laut Schreiben, Beilage III, sofort nach Abklärung des Prozeßverfahrens), wurde überdies auch feilgehalten. Denn für dieses ist das Vorhandensein der angebotenen Ware nicht erforderlich, jederzeit mögliche Herstellbarkeit und Lieferbarkeit genügt an sich (Friebel - Pulitzer, Patentrecht, 217). Nach den Feststellungen der Untergerichte wurde nicht klar erklärt, unter welchen Voraussetzungen die Beklagten in der Lage sein würden, zu liefern. Das Anbot der Lieferung erst dann, wenn hiezu die Genehmigung seitens des Patentinhabers vorhanden ist oder erst nach Ablauf des Patentes, wäre wohl kein Feilhalten (vgl. Tetzner, Das materielle Patentrecht der Bundesrepublik Deutschland, 450). Der vorliegende Fall ist aber anders gelagert. Hier haben sich die Beklagten nicht eindeutig festgelegt, sondern auf ein angeblich laufendes Patentverfahren bzw. Prozeßverfahren bzw. ihr angebliches Vorbenützungsrecht hingewiesen. Durch solche Anbote der patentierten Sache kann, auch wenn keine Lieferbereitschaft besteht, der Markt verwirrt und die Monopolstellung des Patentinhabers beeinträchtigt werden (vgl. Tetzner, Patentrecht).

Daraus folgt aber, daß dem ersten Hauptbegehren stattzugeben wäre, falls feststeht, daß der Eingriffsgegenstand das Patent der Klägerin verletzt und ein Vorbenützungsrecht nicht besteht.

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