OGH 5Ob168/72

OGH5Ob168/7216.8.1972

SZ 45/85

Normen

HGB §1 Abs2 Z2
HGB §2
HGB §1 Abs2 Z2
HGB §2

 

Spruch:

Das Gewerbe der Chemischputzer (Kleiderreiniger), Wäscher und Wäschebügler fällt unter § 1 Abs 2 Z 2 HGB. Wer es handwerksmäßig betreibt, kann die Eigenschaft eines Kaufmanns nur durch Eintragung in das Handelsregister gemäß § 2 HGB erlangen

Bei der Anwendung des § 2 HGB ist nicht entscheidend, ob das Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb hat, sondern ob es einen solchen Betrieb erfordert. Dabei kommt es auf die Art und den Umfang des Unternehmens, nämlich vor allem darauf an, ob es zur Erreichung der Übersichtlichkeit einer kaufmännischen Buchführung bedarf

OGH 16. 8. 1972, 5 Ob 168/72 (OLG Wien 3 R 115/72; KG St Pölten Fa 108/71)

Text

Das Erstgericht lehnte die von den Antragstellern begehrte Eintragung der von ihnen unter der Firma Franziska S & Co mit dem Sitz in St Pölten errichteten und am 17. 12. 1971 begonnenen offenen Handelsgesellschaft in das Handelsregister ab, weil der Gewerbebetrieb der Antragsteller nicht über den Umfang eines Kleingewerbes hinausgehe und daher durch die Vereinigung der Antragsteller zum Betrieb dieses Gewerbes keine offene Handelsgesellschaft gegrundet werden konnte. Bezüglich des Gewerbebetriebes der Antragsteller stellte das Erstgericht fest, daß für diesen Betrieb - es wird das handwerksmäßige Gewerbe der Chemischputzer (Kleiderreiniger), Wäscher und Wäschebügler ausgeübt - Betriebsräumlichkeiten im Gesamtausmaß von 71 m2 zur Verfügung stehen, daß die Betriebseinrichtung aus acht Waschmaschinen, zwei Reinigungsmaschinen, einer Zentrifuge, eine Wäscherolle, einer Bügelpuppe, einem Trockenapparat und einem Verpackungsapparat bestehe und daß im Unternehmen derzeit eine Arbeiterin beschäftigt werde. Der Umsatz habe bis Ende März 1972 zirka S 155.000.- betragen.

Das Rekursgericht bewilligte die beantragte Eintragung in das Handelsregister. Es war der Auffassung, daß die festgestellte Einrichtung des Betriebes der Antragsteller nach Art und Umfang dem Standard einer in einem städtischen Einzugsgebiet üblicherweise etablierten gewerblichen Kleiderreinigungs- und Wäschereibetriebes entspreche. Die Maschinenausstattung ermögliche den kontinuierlichen Ablauf der Reinigungsvorgänge ohne Inanspruchnahme mehrerer Arbeitskräfte, weshalb die Beschäftigung bloß einer Arbeiterin der Annahme nicht entgegenstehe, daß das Unternehmen über den Umfang eines bloß handwerksmäßigen Betriebes hinausgehe. Diese Annahme werde auch durch die Tatsache unterstützt, daß der weitere Kapitaleinsatz dieses Betriebes relativ gering sei und von dem sicher zu erwartenden Jahresumsatz von S 600.000.- nur geringe Spesen abzurechnen seien. Damit sei aber auch die Verpflichtung des Unternehmens zur Führung kaufmännischer Bücher gegeben. Die Antragsteller betrieben damit ein "natürliches Handelsgewerbe" iS des § 1 Abs 2 Z 2 HGB, weshalb ihr Begehren auf Eintragung in das Handelsregister gerechtfertigt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich Folge; er hob die Beschlüsse der Untergerichte auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist iS des § 14 AußStrG zulässig (vgl die ausführliche Darstellung der im Handelsregisterverfahren anzuwendenden Rechtsmittelvorschriften in Hämmerle, Handelsrecht[2], 52 ff; SZ 26/7, ferner SZ 31/131); er ist auch begrundet.

Entscheidend für die aufrechte Erledigung des Eintragungsantrages ist die Beantwortung der Frage, ob das von den Antragstellern betriebene Gewerbe (s § 1b Abs 2 Z 40 und 74 GewO) über den Umfang des Handwerkes iS des § 1 Abs 2 Z 2 HGB hinausgeht, oder ob es nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Nur in diesen Fällen wurde durch die Vereinigung der Antragsteller zum Betrieb dieses Gewerbes gemäß § 4 Abs 2 HGB eine offene Handelsgesellschaft gegrundet und ist deren Eintragung in das Handelsregister gerechtfertigt (vgl EvBl 1963/247). Bei der von den Antragstellern ausgeübten gewerblichen Tätigkeit handelt es sich um eine Übernahme der Bearbeitung von Waren für andere iS des § 1 Abs 2 Z 2 HGB, da sie die von ihnen zu behandelnde Ware weder selbst herstellen noch anschaffen, sondern von Dritten zur Bearbeitung übernehmen. Ein Eigentumsübergang an diesen Waren findet nicht statt, das Schwergewicht der Tätigkeit des Gewerbebetriebes liegt in der Verrichtung einer bestimmten Arbeitsleistung, der gegenüber die Beistellung gewisser Materialien (Chemikalien, Waschmittel usw) völlig in den Hintergrund tritt (vgl Hämmerle aaO 69 Anm 12 und 14; Brüggemann im RGRKomm[3] I 126 f Anm 36 zu § 1 HGB). Für die Beurteilung der Art und des Umfanges des Betriebes ist der Zeitpunkt der Überprüfung der Eintragungsfähigkeit allein maßgebend (vgl Hämmerle, Handelsrecht[1], 114). Eine Ausnahme wurde nur dort gemacht, wo ein Handelsgewerbe von Anfang an auf einem vollkaufmännischen Betrieb angelegt war und seine alsbaldige Entfaltung zum Großbetrieb bevorsteht; in diesem Fall wurde das Unternehmen sogleich als vollkaufmännisches Gewerbe behandelt (EvBl 1970/346 und die dort zitierte - auch bundesdeutsche - Literatur).

Die Kaufmannseigenschaft des Gewerbeinhabers iS des § 1 Abs 2 Z 2 HGB ist aber nur gegeben, wenn das Gewerbe nicht handwerksmäßig betrieben wird, d h also in einer Betriebsart geführt wird, die sich als industrieförmig darstellt (vgl Brüggemann aaO Anm 38). Der "Lohnhandwerker", also der Gewerbeinhaber, der fremde Waren - im wesentlichen technische (vgl Hämmerle, Handelsrecht[2] I 70) - be- oder verarbeitet, ohne dies in einer industrieförmigen Betriebsart zu besorgen, kann die Kaufmannseigenschaft nur gemäß § 2 HGB als Sollkaufmann durch die Eintragung in das Handelsregister erwerben. Diese Eintragung ist nur möglich, wenn sein Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Von einem in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb kann nur gesprochen werden, wenn dieser wie der Betrieb eines Vollkaufmannes eingerichtet ist. Entscheidend für die Anwendung des § 2 HGB ist nicht, ob das Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb hat, sondern ob es einen solchen erfordert (Hämmerle, Handelsrecht[2] I 72; Brüggemann aaO Anm 8). Das Erfordernis dieser Einrichtung wird durch die Art und den Umfang des Unternehmens bestimmt. Dieses muß so geartet sein, daß es zur Erreichung der Übersichtlichkeit, wenn nicht ein kleiner Umfang hinzukommt, einer kaufmännischen Buchführung bedarf. Ein Unternehmen kann jedoch auch trotz erheblichen Umfanges so einfach und durchsichtig sein, daß es keiner kaufmännischen Einrichtungen bedarf (vgl Schlegelberger, HGB[4] I 32; Brüggemann aaO Anm 10). Es ist also auch der Umfang des Betriebes nicht allein entscheidend. Der Umfang eines Unternehmens wird in der Regel, aber auch nicht ausnahmslos, durch seinen Umsatz bestimmt. Daneben kommen die Größe des Anlage- und Betriebskapitals, die Zahl der Angestellten, die Zahl und der Wert der verwendeten Maschinen, die Größe der Betriebsräume, die Höhe der Betriebsausgaben in Betracht (Brüggemann aaO Anm 11). Maßgebend für die Entscheidung der Frage ob ein bestimmtes Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist somit stets das Gesamtbild des Unternehmens, das nach objektiven Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung beurteilt werden muß (Hämmerle aaO 73).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann erweisen sich die Feststellungen der Untergerichte über den Gewerbebetrieb der Antragsteller noch als zu dürftig, um abschließend über dessen Eintragungsfähigkeit absprechen zu können. Dem angefochtenen Beschluß ist zwar im Gegensatz zur Meinung der Rekurswerberin keineswegs zu entnehmen, daß nach Ansicht des Rekursgerichtes eine Wäscherei nur dann handwerksmäßig und als Kleingewerbe betrieben werde, wenn die übernommenen Arbeiten etwa von Wäscherinnen und ohne Maschineneinsatz ausgeführt werden; es kann aber auch das Vorliegen eines Kleingewerbes nicht deshalb verneint werden, weil der voraussichtliche Jahresumsatz des Unternehmens der Antragsteller S 500.000.- übersteigt. Die Höhe der im Gesellschaftsvertrag ausgewiesene Gesellschaftereinlagen (2 X S 20.000.-) spricht freilich nicht für die Annahme, daß der Gewerbebetrieb der Antragsteller nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Andererseits setzt aber die für den 30. 6. eines jeden Jahres vorgesehene Bilanzierung des Unternehmens eine geordnete kaufmännische Buchführung voraus. Die Art und Anzahl der im Betrieb vorhandenen Maschinen, die Größe der Betriebsräumlichkeiten und die Zahl der Beschäftigten ist im besonderen Fall für die Beurteilung der Notwendigkeit einer kaufmännischen Einrichtung des Betriebes wenig ergiebig, da die Einsatzbereitschaft der Maschinen und ihre vorausgesehene bzw tatsächliche Auslastung noch nicht bekannt sind. Die vorgesehene Auslastung der Maschinen ist auch für die Beurteilung der festgestellten Größe der Betriebsräume entscheidend, da sich hiernach der Bedarf an Aufenthaltsräumen für Kunden richtet. Bezüglich der Zahl der Hilfskräfte wird zu berücksichtigen sein, daß in mit entsprechenden Maschinen ausgestatteten "Wasch- und Putzsalons" üblicherweise die Kunden einen Teil der notwendigen manuellen Arbeit selbst verrichten, so daß die dort tätigen Betriebskräfte im allgemeinen nur den Kunden die Maschinen zuzuweisen, die erforderlichen Wasch- und Putzmittel auszufolgen und schließlich mit den Kunden abzurechnen haben. Es wird daher noch zu erheben sein, welche Tätigkeit die Gesellschafter selbst für den Betrieb ausüben, wie hoch das Anlage- und Betriebskapital des Unternehmens ist, mit welchen Betriebsspesen zu rechnen ist, in welcher Weise die Kassenführung, Buchhaltung und Geschäftskorrespondenz organisiert ist, welche Vorräte an Wasch- und Putzmitteln vorhanden sind, ob, wofür und in welcher Höhe das Unternehmen Kredite in Anspruch genommen hat und noch weitere in Anspruch nimmt, und schließlich, wie sich der von den Unternehmern erwartete Umsatz bisher gestaltet hat, wobei es auch auf die durchschnittliche Anzahl der täglichen Kunden ankommt. Erst nach Feststellung dieses Gesamtbildes des Unternehmens kann dessen Eintragungsfähigkeit in das Handelsregister beurteilt werden.

Es waren daher die Beschlüsse der Untergerichte aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufzutragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte