Spruch:
Die gerichtliche Bestimmung einer Sicherheit nach § 10 EisbEG ist nicht zur Bewilligung des Vollzuges vor Abschluß einer Vereinbarung oder Erlassung einer gerichtlichen Entscheidung über die Höhe des Entschädigungsbetrages vorgesehen; auch § 56 ZPO kann hiezu nicht herangezogen werden
OGH 9. 8. 1972, 7 Ob 177/72 (LG Klagenfurt 1 R 247/72; BG Klagenfurt 1 Nc 440/71)
Text
Mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes für Kärnten vom 2. 7. 1968 samt Nachtragsbescheid vom 23. 12. 1968 wurde ua auch die Liegenschaft EZ 332 KG W samt den darauf befindlichen Baulichkeiten aus dem Eigentum des Antragsgegners gemäß § 99 Luftfahrtgesetz (LuftFG) in Verbindung mit § 17 Eisenbahnenteignungsgesetz (EisbEG) zugunsten der Antragstellerin dauernd enteignet. Da sich die Parteien über die Höhe der hiefür zu leistenden Entschädigung nicht einigen konnten, beantragte die Antragstellerin die gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrages für die dem Antragsgegner enteignete Liegenschaft. Noch bevor darüber in erster Instanz entschieden wurde, beantragte sie ferner unter Hinweis auf §§ 10, 35 Abs 2 EisbEG und § 56 ZPO die gerichtliche Festsetzung einer "Sicherheitsleistung für den Vollzug der Enteignung" weil die weiteren Ausbauarbeiten am Flughafen Klagenfurt vom Vollzug der gegenständlichen Enteignung abhängig seien und dieser Vollzug daher dringlich sei.
Das Erstgericht wies diesen Antrag auf Bestimmung einer Sicherheit mit der Begründung ab, daß eine derartige Beschlußfassung gemäß § 10 EisbEG nur für die nach dem Enteignungsvollzug allenfalls zu leistenden Entschädigungen (§§ 8 und 9 EisbEG), außerdem nur über Antrag des Enteigneten vorgesehen sei, nicht aber hinsichtlich des vom Gericht für die Enteignung festzusetzenden Entschädigungsbetrages, zumal der Enteignungsvollzug zufolge § 35 Abs 2 und 4 EisbEG die Leistung bzw Hinterlegung des durch gerichtliche, wenn auch nicht rechtskräftige Entscheidung festgestellten Entschädigungsbetrages voraussetze.
Das Rekursgericht hob infolge Rekurses der Antragstellerin den Beschluß des Erstgerichtes auf, weil es die Auffassung vertrat, daß die Antragstellerin zur Ermöglichung eines sofortigen Enteignungsvollzuges zum Begehren auf Bestimmung einer Sicherheitsleistung iS ihres Antrages berechtigt sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zunächst ist festzuhalten, daß § 99 LuftFG die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes und nicht etwa des Bundesstraßengesetzes normiert, der Hinweis des Rekursgerichtes auf § 15 Abs 4 BStG also nicht stichhältig ist. Während nämlich das Eisenbahnenteignungsgesetz die Bestimmung des Entschädigungsbetrages ausschließlich den Gerichten zuweist, ist im Bundesstraßengesetz (durch § 15 Abs 2) bereits im Enteignungsbescheid die - vorläufige, weil durch Gerichtsverfahren überprüfbare - Festsetzung der Entschädigungssumme vorgeschrieben (zu dieser Abweichung vgl Wegan, ÖJZ 1961, 594, Krzizek, ÖJZ 1969.566).
Ferner steht die Meinung des Rekursgerichtes, die Unmöglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung der Enteignung vor gerichtlicher, wenngleich noch nicht rechtskräftiger Festsetzung des Entschädigungsbetrages hätte eine "vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Verzögerung des Vollzuges" zur Folge, in eklatantem Widerspruch zu den Bestimmungen der §§ 33 und 35 EisbEG, wonach die gerichtlich festgestellte Entschädigung vor dem Vollzug zu leisten (§ 33 Abs 1) und eine Zwangsvollstreckung durch die Bezirksverwaltungsbehörde nur bei Nachweis dieser Leistung zu bewilligen ist (§ 35 Abs 2), wobei zur Vollzugsbewilligung allerdings die Leistung - oder gemäß § 1425 ABGB bzw § 34 Abs 1 EisbEG der gerichtliche Erlag - des vom Gericht erster Instanz nicht rechtskräftig festgestellten Entschädigungsbetrages ausreicht (§ 35 Abs 4). Die wenigstens vom Gericht erster Instanz erfolgte Festsetzung des für die Enteignung zu leistenden Entschädigungsbetrages und dessen Zahlung bzw Erlag ist somit die Voraussetzung für eine Bewilligung des Enteignungsvollzuges, wie das Erstgericht zutreffend erkannte (vgl außer Kautsch, den bereits das Erstgericht richtig zitierte, auch Wegan aaO 595).
Hingegen ist die gerichtliche Bestimmung einer Sicherheit in § 10 EisbEG bloß für nicht sofort feststellbare und daher erst nach dem Enteignungsvollzug zu leistende Entschädigungen - überdies nur auf Antrag des Enteigneten - vorgesehen, nicht aber zur Bewilligung des Vollzuges vor Abschluß einer Vereinbarung oder Erlassung einer gerichtlichen Entscheidung über die Höhe des Entschädigungsbetrages. Dies scheint auch die Antragstellerin erkannt zu haben, da sie in ihrem Rechtsmittel gegen den erstgerichtlichen Beschluß erklärte, die Abweisung ihres Antrages nach § 10 EisbEG nicht weiter zu bekämpfen, und sich in ihrem Rechtsmittel nur mehr auf die Bestimmung des § 56 ZPO berief.
Die letztgenannte Bestimmung bezieht sich jedoch ausschließlich auf die in den Zivilprozeßgesetzen geregelten Sicherheitsleistungen (ebenso Fasching II 383 ua), welche eine Sicherheitsleistung zu dem von der Antragstellerin angestrebten Zweck nirgends vorsehen.
Schließlich sind auch die vom Rekursgericht geäußerten Bedenken in Ansehung einer allfälligen Aufhebung der Enteignung gemäß § 37 EisbEG - das Rekursgericht muß in diesem Zusammenhang selbst einräumen, daß sowohl Feil (Enteignungsgesetze 38) als auch Wegan (aaO) seine Auffassung nicht teilen - kein Argument für die Zulässigkeit der Bestimmung der hier beantragten Sicherheitsleistung, weil § 37 Abs 1 EisbEG auch das unterbleiben der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung als Grundlage für einen Aufhebungsantrag anführt, die Bestimmung einer Sicherheitsleistung aber die Festsetzung des Entschädigungsbetrages nicht zu ersetzen vermag. Schon deshalb besteht kein Anlaß, hier zu dieser übrigens von der Verwaltungsbehörde zu lösendon Frage (§ 37 Abs 3 und 4 EisbEG) Stellung zu nehmen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)