OGH 1Ob14/72

OGH1Ob14/7215.3.1972

SZ 45/29

Normen

ABGB §294
ABGB §294

 

Spruch:

Wenn auch an der Heizungsanlage einer aus zwei Häusern bestehenden, später geteilten Liegenschaft vom Eigentum unabhängige Sonderrechte bestehen können, so teilt doch der selbständige Bestandteil, wenn solche Sonderrechte nicht bestehen, das rechtliche Schicksal der Hauptsache

OGH 15. 3. 1972, 1 Ob 14/72 (LG Innsbruck 2 R 458/71; BG Lienz C 312/71 )

Text

Die in der Zwischenzeit verstorbene Elsa P war seinerzeit Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 13 II KG L mit den Häusern L, M-Gasse 19 und dem Hauptgebäude A-Gasse 2, die zum Teil zusammengebaut sind. Mit Übergabsvertrag vom 22. 1. 1963 übergab sie diese Liegenschaft - mit Ausnahme des Hauses M-Gasse 19 - an den Beklagten. Für die beiden Häuser besteht eine gemeinsame Zentralheizungsanlage. Der Kessel für diese Heizungsanlage samt Brenner und Öltank befinden sich im Hause M-Gasse 19. Elsa P und der Beklagte vereinbarten anläßlich der Übergabe, daß eine Trennung dieser Anlagen nicht vorgenommen werden solle, weil dies Kosten verursacht hätte und in Aussicht genommen war, daß der Beklagte einmal die Gesamtliegenschaft, also auch das Haus M-Gasse 19, bekommen werde. Im Übergabsvertrag vom 22. 1. 1963 haben Elsa P und der Beklagte deshalb bezüglich der gemeinsamen Stromversorgung und Heizungsanlage folgende Regelung getroffen: "Bis eine andere Lösung einvernehmlich getroffen wird, kommt Herr Anton M - der Beklagte - für die Kosten der Zentralheizung auf und verpflichtet sich, auf eigene Kosten einen Öltank im Keller des Hauses M-Gasse 19 mit einem Fassungsvermögen von zirka 10.000 Liter zu errichten. Frau Elise P übernimmt die jeweils anfallenden Stromgebühren. Bei Vertragsabschluß machte man sich keine Gedanken darüber, was geschehen sollte, wenn der Beklagte den übrigen Liegenschaftsbesitz der Elsa P nicht erhalte.

Schon bald nach der Liegenschaftsübernahme kam es zwischen Elsa P und dem Beklagten zu Unstimmigkeiten, Prozessen und schließlich zu erbitterter Feindschaft. Am 1. 8. 1965 übergab Elsa P das Haus M-Gasse 19 mit allen Rechten und Pflichten den Klägern. Auch mit diesen ist der Beklagte verfeindet, was zu Prozessen wegen des Ölverbrauches in der gemeinsamen Zentralheizungsanlage und wegen anderer, die beiden Häuser betreffenden Gemeinsamkeiten führte.

Ihr Begehren auf Trennung der Heizungsanlage stützten die Kläger im wesentlichen darauf, daß es infolge der Unverträglichkeit des Beklagten fortlaufend zu Schwierigkeiten gekommen sei.

Der Erstrichter hat festgestellt, daß die Trennung der Heizungsanlage technisch ohne weiteres durchführbar ist; ein größerer Sachaufwand sei nur deshalb erforderlich, weil der Beklagte in der Folge einen eigenen Ofen mit Ölbrenner und Öltank installieren müßte. Diese Kosten haben sich nach den Feststellungen des Erstrichters im Jahre 1968 auf rund S 96.500.- belaufen. Der mit der Trennung verbundene Aufwand sei dem Beklagten jedoch zumutbar.

Den festgestellten Sachverhalt beurteilte der Erstrichter dahin, daß die mit dem Mauerwerk fest verbundenen Rohrleitungen, allenfalls auch die Heizkörper in den einzelnen Räumen als unselbständige Bestandteile der Liegenschaft, mit der sie verbunden sind, anzusehen seien, während der Heizkessel samt Ölbrenner, allenfalls auch der Öltank, als selbständiger Bestandteil, an denen Sonderrechte, abweichend von jenen der Liegenschaft begrundet werden können, zu gelten hätten. Im Zweifel teilten aber auch selbständige Bestandteile das rechtliche Schicksal der Hauptsache (§ 294 ABGB). Da bei Überlassung eines Teiles der Gesamtliegenschaft an den Beklagten keine Übereinkunft hinsichtlich eines besonderen Schicksals der Heizungsanlage getroffen worden sei, gelte die Vermutung des § 294 ABGB auch für den vorliegenden Fall. Daraus folge, daß jene Teile der Zentralheizung, die sich auf der Liegenschaft des Beklagten befinden, in dessen Alleineigentum stehen, während jene auf der Liegenschaft der Kläger als deren Eigentum zu gelten haben. Die Bestimmungen über die Gemeinschaft des Eigentums fänden daher keine Anwendung. Es könne davon ausgegangen werden, daß die Kläger in den Vertrag vom 22. 1. 1963, sei es durch stillschweigendes Einverständnis, sei es als Nachfolger der Elsa P im Eigentum der Liegenschaft M-Gasse 19, eingetreten sind. Dieser Vertrag habe ein Dauerschuldverhältnis begrundet. Ein solches könne, ohne daß es einer diesbezüglichen ausdrücklichen Vertragsbestimmung bedürfe, jederzeit und ohne Angabe von Gründen, unter Setzung einer angemessenen Frist, aufgekundigt werden. Die Möglichkeit einer Vertragsauflösung biete aber auch die Vereinbarung vom 22. 1. 1963 selbst, obschon darin ausdrücklich nichts enthalten sei. Die Bestimmung des § 914 ABGB biete nämlich dem Gericht bei der Vertragsauslegung auch die Möglichkeit der Vertragsergänzung. Eine solche habe nach der Übung des redlichen Verkehrs immer dann stattzufinden, wenn nicht ausdrücklich feststehe, was die Parteien in den im Vertrag nicht vorgesehenen Fällen gewollt hätten. Auch gegenständlich sei ein Fall eingetreten, den die Vertragsparteien Elsa P und der Beklagte im Vertrag nicht vorgesehen hatten, nämlich, daß die Liegenschaft Haus M-Gasse 19, nicht in das Eigentum des Beklagten gelange, sondern anderen übereignet werde, mit denen der Beklagte dann in Feindschaft lebe. Die Vertragsparteien hätten für diesen Fall die Trennung der Heizungsanlage vorgesehen, freilich gegen eine angemessene Entschädigung des Beklagten für die von ihm geleisteten Investitionen an der gemeinsamen Anlage, berechnet nach dem Zeitwert zum Tage der Trennung der Heizung. Daraus ergebe sich, daß der Klagsanspruch zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei Beurteilung der gegenständlichen Rechtssache ist davon auszugehen, daß beide Häuser ursprünglich im Alleineigentum der Elsa P gestanden sind. Die Frage, ob durch den Übergabsvertrag vom 22. 1. 1963 bzw 1. 8. 1965 selbständiges, getrenntes Eigentum an der für beide Häuser gemeinsam errichteten Heizungsanlage geschaffen werden konnte, ist aus nachstehenden Erwägungen zu bejahen: wie schon der Erstrichter zutreffend ausgeführt hat, stellen die einzelnen Teile einer mit Öl betriebenen Sammelheizung, wie Kessel mit Ölbrenner, Öltank, Öl- und Wasserpumpe, aber auch die in den einzelnen Räumen angebrachten Radiatoren im Verhältnis zum Gebäude bzw der Liegenschaft selbständige Bestandteile dar, denn sie können jederzeit ohne Zerstörung oder Wertminderung von dem Ort ihrer Aufstellung entfernt werden (hiezu SZ 39/23; EvBl 1966/512). Daraus folgt, daß an ihnen - vom Eigentum an der Liegenschaft unabhängig - Sonderrechte bestehen könnten. Der selbständige Bestandteil wird aber, wenn an ihm ein solches Sonderrechtsverhältnis nicht besteht, von den rechtlichen Schicksalen der Hauptsache erfaßt (s hiezu Klang in Klang[2] II, 14). Hingegen stellen die Rohre, in denen das Warmwasser zirkuliert, insbesondere bei Verlegung im Mauerwerk, so wie die Gas- und Wasserleitungsrohre eines Gebäudes, unselbständige Bestandteile dar.

Das Bestehen eines Sonderrechtsverhältnisses an den selbständigen Bestandteilen der gegenständlichen Zentralheizung ist nicht hervorgekommen. Insbesondere läßt es sich nicht aus dem Übergabsvertrag vom 22. 1. 1963 ableiten, wurde doch darin zwischen den Vertragsparteien lediglich eine Vereinbarung über die Tragung der Betriebskosten für die Heizung bzw die gemeinsame Stromversorgung getroffen. Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, daß auf die gegenständliche Sammelheizung die Grundsätze des 16. Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches über die Gemeinschaft des Eigentums und anderer dinglicher Rechte (§§ 825 ff ABGB) keine Anwendung zu finden haben, kann daher darin ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden, da nach obigen Ausführungen alle jene Teile der Zentralheizung, die sich im Hause M-Gasse 19 befinden, in das Alleineigentum der Kläger, jene, die sich im Hause A-Gasse 2 befinden, hingegen in das des Beklagten übergegangen sind. Dem steht auch die Entscheidung nicht entgegen, mit der ausgesprochen wurde, daß der Verkauf eines von zwei nebeneinander gelegenen Häusern selbständiges getrenntes Eigentum an der über beiden Häusern gelegenen Wohnungseinheit (2. Stock) nicht schaffen konnte, weil der vorliegende Fall eindeutig anders gelagert ist. Damals kam es darauf an, daß an materiellen Teilen eines Gebäudes, welche nicht so beschaffen sind, daß sie als körperliche Sachen angesehen werden können, selbständiges Eigentum nicht erworben werden kann (s hiezu Klang in Klang[2] III, 1128).

Es ist den Vorsitzenden auch darin beizupflichten, daß die Kläger, die die Liegenschaft M-Gasse 19 mit allen Rechten und Pflichten von Elsa P übernommen haben, in die vertragliche Vereinbarung über die Tragung der Betriebskosten der Zentralheizung eingetreten sind. Bei diesem Vertrag handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, das aus wichtigen Gründen auch vor Ablauf der vereinbarten Zeit ohne Anwendung der sonst anwendbaren Kündigungstermine und Fristen aufgelöst werden kann (SZ 31/116), uzw in der Regel ohne

Nachfristsetzung (EvBl 1961/294 = JBl 1962, 319 uva, zuletzt etwa

JBl 1971, 521 = EvBl 1971/281). Daß aber das Verhalten des Beklagten

einen solchen wichtigen Grund für die Kläger darstellt, die Vertragsauflösung ex nunc zu begehren, kann keinem Zweifel unterliegen.

Eine ausdrückliche Regelung, was zu geschehen hat, wenn das Haus M-Gasse 19 dem Beklagten nicht zufällt, haben die Vertragsschließenden seinerzeit nicht getroffen, weil damals bei ihnen Einverständnis darüber bestanden hatte, daß dem Beklagten auch die Liegenschaft M-Gasse 19 einmal übereignet werden soll. Nun gestattet die Bestimmung des § 914 ABGB auch die Vertragsergänzung nach der Übung des redlichen Verkehrs, wenn nicht feststeht, was die Parteien in vertraglich nicht vorgesehenen Fällen gewollt hätten (SZ 26/194; SZ 36/68; SZ 39/216 ua, zuletzt etwa MietSlg 21.261/43; Gschnitzer in Klang[2] IV, 408 f). Es entspricht aber durchaus der Übung des redlichen Verkehrs, wenn die Vorinstanzen den Vertrag zwischen Elsa P und dem Beklagten entsprechend der Bestimmung des § 914 ABGB dahin ausgelegt haben, daß diese für den Fall, daß die Liegenschaft M-Gasse 19 nicht in das Eigentum des Beklagten gelangt und letzterer mit den nachmaligen Eigentümern dieser Liegenschaft in Feindschaft lebt und mit ihnen mehrere Prozesse führt, die Trennung der Sammelheizung gegen entsprechende Entschädigung des Beklagten für seine seinerzeit im Hause M-Gasse 19 für die Zentralheizung vorgenommenen Investitionen vorgesehen hätten.

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