OGH 5Ob180/71 (5Ob181/71)

OGH5Ob180/71 (5Ob181/71)13.10.1971

SZ 44/158

Normen

ABGB §471
ABGB §823
ABGB §824
ZPO §226
ABGB §471
ABGB §823
ABGB §824
ZPO §226

 

Spruch:

Rechtliche Natur der Erbschaftsklage; Formulierung des Klagebegehrens

Der Anspruch des Erbschaftsbesitzers auf Ersatz der von ihm während seiner Besitzdauer auf die Erbschaft gemachten Aufwendungen begrundet ein Zurückbehaltungsrecht an dem ihm eingeantworteten Nachlaß (§ 471 ABGB)

OGH 13. 10. 1971, 5 Ob 180, 181/71 (LGZ Graz 4 R 211, 212/71; BG Mureck C 3/71 )

Text

Im Verlassenschaftsverfahren nach der am 13. 7. 1969 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Aloisia S bezeichnete sich der Beklagte als einziger Großneffe der Verstorbenen. Er behauptete, daß keine weiteren Verwandten der zweiten oder dritten Linie vorhanden seien. Mit Einantwortungsurkunde des BG Mureck vom 30. 10. 1969, A 136/69-9 wurde der Nachlaß der Verstorbenen dem Beklagten, der sich unbedingt erbserklärt hatte, als gesetzlichem Erben rechtskräftig eingeantwortet. Nachträglich stellte sich heraus, daß die Kläger sowie Theresia E und Maria H in gleicher Weise wie der Beklagte nach Aloisia S erbberechtigt sind. Mit der vorliegenden Klage begehrten die Kläger zunächst "die gerichtliche Teilung der Erbschaft der Aloisia S" sowie die Verurteilung des Beklagten zum Prozeßkostenersatz, da ihnen der gleiche Anteil an der Erbschaft zustehe wie dem Beklagten, er sich jedoch weigere, die Angelegenheit auf gütlichem Weg zu regeln. Der Beklagte verkundete den genannten Miterben den Streit und beantragte Klagsabweisung wegen Unschlüssigkeit der Klage. Theresia E und Maria H traten dem Rechtsstreit als Nebenintervenienten auf seiten der Kläger bei. Im Prozeß behauptete der Beklagte, noch Nachlaßpassiva im Betrag von S

34.284.90 bezahlt zu haben, bezüglich weitere Nachlaßschulden habe er die Verpflichtung zu Ratenzahlungen übernommen. Überdies habe er nach dem Willen der Erblasserin für Leistungen an sie S 20.000.- zu fordern, wenn ihm nicht der gesamte Nachlaß zufalle. Der Beklagte stellte einen diese Aufwendungen betreffenden Zwischenantrag auf Feststellung. Zum Ende der Streitverhandlung modifizierten die Kläger ihr Klagebegehren dahin, daß sie außer der Teilung der Erbschaft nach Aloisia S die Verurteilung des Beklagten begehrten, ihnen je 1/5 der Verlassenschaft abzutreten.

Das Erstgericht wies im Sinne eines Antrages der Kläger mit einem in sein Urteil aufgenommenen Beschluß den Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten zurück; im übrigen erkannte es den Beklagten schuldig, den Klägern die Verlassenschaft nach Aloisia S zu je 1/5 abzutreten sowie ihnen und den Nebenintervenienten die Prozeßkosten zu ersetzen. Gegen diese Entscheidung erhob der Beklagte Rekurs und Berufung.

Die zweite Instanz gab beiden Rechtsmitteln nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000.- übersteige. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstrichters, daß es sich bei der vorliegenden Klage um eine Erbschaftsklage nach § 823 ABGB handle, deren Begehren mit Rücksicht auf den außer Streit stehenden Sachverhalt im Gegensatz zur Ansicht des Beklagten schlüssig und hinreichend bestimmt sei. Es sei zur Exekutionsführung nicht notwendig, daß im Spruch des Urteils die Aktiva und Passiva des Nachlasses genannt würden. Es sei jedenfalls klar, daß durch ein der Erbschaftsklage stattgebendes Urteil auch die Passiva auf den Kläger übergingen. In welcher Form es letztlich zur Auseinandersetzung zwischen den Erben komme, könne dahingestellt bleiben, da noch nicht geklärt sei, ob der Beklagte als redlicher oder unredlicher Erbschaftsbesitzer anzusehen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil sowie das Urteil der ersten Instanz auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionswerber erachtet sich, soweit seinen Rechtsmittelausführungen entnommen werden kann, in erster Linie dadurch beschwert, daß das Berufungsgericht das von den Klägern formulierte Klagebegehren als für eine Erbschaftsklage tauglich ansah und daß es überdies keine Bedenken gegen die Neufassung des Urteilsspruches durch das Erstgericht hatte, obwohl dieses in Wahrheit einen Teil des Klagebegehrens unerledigt gelassen habe.

Es besteht bereits nach den Klagsausführungen kein Zweifel, daß die Kläger mit der vorliegenden Klage ihren Anspruch auf den ihnen gebührenden Anteil an dem zu Unrecht dem Beklagten allein eingeantworteten Nachlaß der Aloisia S geltend machen wollten. Die Klage wurde daher mit Recht schon vom Erstgericht als eine Erbschaftsklage iS der §§ 823, 824 ABGB erkannt. Damit erhebt sich die Frage, wie eine Erbschaftsklage zu formulieren ist und ob ein Fehler in dieser Formulierung zur Abweisung der Klage führen muß, wie dies der Beklagte annimmt.

Das Gesetz bezeichnet die Abtretung der Erbschaft als Ziel der Erbschaftsklage (Weiß in Klang[2] III 1073). Das Gesetz spricht allerdings darüber hinaus noch von einer Teilung der Erbschaft. Hier handelt es sich aber offensichtlich um ein Redaktionsversehen, da die Erbschaftsklage iS des § 823 ABGB mit der jedem Miteigentümer, also auch dem Miterben, zustehenden unverjährbaren Klage auf Teilung der gemeinschaftlichen Sache (§ 1481 ABGB) nichts zu tun hat (vgl Weiß aaO 1066 FN 5). Soweit im vorliegenden Fall das zunächst erhobene Klagebegehren nur die Teilung des Nachlasses forderte, war es somit zweifellos unzureichend. Da die Kläger jedoch in der Streitverhandlung ihr Begehren dahin neu formulierten, daß sie nunmehr auch die quotenmäßige Abtretung der Verlassenschaft der Aloisia S forderten, muß dieses Begehren als ausreichend angesehen werden. Das Gesetz hat sich, wie aus dem ersten Halbsatz des § 824 ABGB ersichtlich ist, die Abtretung der Verlassenschaft als eine vom verurteilten Beklagten zu erbringende Handlung gedacht. Es wird daher die Erbschaftsklage in Lehre und Rechtsprechung übereinstimmend als eine Leistungsklage angesehen (Weiß aaO;

Ehrenzweig[2] II/2, 616; Gschnitzer, Erbrecht 97; Fasching III 31;

EvBl 1962/342 uva). Die vom Beklagten zu erbringende Leistung (Abtretung) wird als eine reine Willenserklärung verstanden (Weiß aaO), die mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt (§ 367 EO). Damit tritt auch die notwendige Korrektur der Einantwortung ein. Wie die Einantwortung erfaßt auch die Abtretung die ganze Verlassenschaft mit allen Aktiven und Passiven, mögen sie nun im Zeitpunkt der Entscheidung bekannt sein oder nicht. Gegenstand der Erbschaftsklage ist somit ein Sondervermögen; zur Feststellung, was an Sondervermögen vorhanden ist, kann der Kläger die Abgabe des Offenbarungseides begehren (Gschnitzer aaO 98). Die Erbschaftsklage ist also - ebenso wie die Erbrechtsklage - eine Universalklage; es ist nicht notwendig, im Urteil die einzelnen Gegenstände, auf die sich die Abtretung beziehen soll, zu bezeichnen. Soweit Weiß aaO 1068 eine andere Meinung zu vertreten scheint, kann ihr nicht gefolgt werden. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist somit das diesfalls erhobene Klagebegehren durchaus für eine Erbschaftsklage tauglich. Es erscheint auch unbedenklich, daß die Untergerichte im Rahmen der zulässigen Neuformulierung des Urteilsspruches (§ 405 ZPO; EvBl 1958/368 uva) davon absahen, über das mißverständliche "Teilungsbegehren" ausdrücklich zu erkennen.

Die Sache ist jedoch noch nicht spruchreif:

Der mit der Erbschaftsklage belangte Erbschaftsbesitzer hat einen Anspruch auf die von ihm während seiner Besitzdauer auf die Erbschaft gemachten Aufwendungen. Insbesondere und unter allen Umständen besteht der Anspruch auf Ersatz der für das Begräbnis des Erblassers gemachten Auslagen sowie auf Ersatz der durch den Erbschaftsbesitzer vom Nachlaß entrichteten Steuern und öffentlichen Abgaben. Bei diesem Ersatzanspruch handelt es sich um einen dem erhobenen Erbschaftsanspruch entgegengesetzten Gegenanspruch (Weiß aaO 1076 f). Darüber hinaus kann der Erbschaftsbesitzer gemäß § 824 ABGB nach den Grundsätzen, die für den redlichen oder unredlichen Besitzer gelten, die Vergütung seiner Aufwendungen auf den Nachlaß zur Befriedigung der Erbschaftsgläubiger verlangen (Ehrenzweig aaO 618). Der Ersatzanspruch des Erbschaftsbesitzers begrundet ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten an dem ihm eingeantworteten Nachlaß (§ 471 ABGB). Nur für persönliche Forderungen als Erbschaftsgläubiger kann der Erbschaftsbesitzer den Nachlaß nicht zurückbehalten (Ehrenzweig aaO 619).

Der Beklagte, der ausdrücklich behauptet hatte, Aufwendungen auf die Verlassenschaft der Aloisia S gemacht zu haben, würde nun um dieses Zurückbehaltungsrecht insoweit gebracht werden, als die Kläger auf Grund des rechtskräftigen Urteils im Klagssinne die Einverleibung ihres quotenmäßigen Eigentumsrechtes an der zur Verlassenschaft gehörigen Liegenschaft erwirken könnten. Diese Möglichkeit wäre jedenfalls so lange nicht auszuschließen, als die Einantwortungsurkunde noch nicht verbüchert ist oder der Beklagte auf Grund dieser Einantwortungsurkunde als Eigentümer der Liegenschaft im Grundbuch aufscheint. Welcher weiteren Urkunden es für die bücherliche Durchführung der korrigierten Einantwortung bedarf, ist hier nicht zu untersuchen, eine weitere Erklärung des Beklagten ist jedenfalls nicht mehr notwendig (§ 350 EO). Es kann daher über den mit der Erbschaftsklage erhobenen Anspruch nur gleichzeitig mit dem Gegenanspruch des Beklagten entschieden werden, den dieser mit Aufwendungen für den Nachlaß begrundete. Die Meinung des Berufungsgerichtes, daß dahingestellt bleiben könne, ob der Beklagte als redlicher oder unredlicher Erbschaftsbesitzer anzusehen sei und in welcher Form letztlich eine Auseinandersetzung zwischen den Erben stattfinden werde, beruht somit auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Zur Erörterung und Klärung der Gegenansprüche des Beklagten mußten daher die Urteile beider Vorinstanzen aufgehoben werden.

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