OGH 3Ob84/71

OGH3Ob84/7115.9.1971

SZ 44/132

Normen

ABGB §426
ABGB §427
ABGB §426
ABGB §427

 

Spruch:

Zu der für den Eigentumserwerb erforderlichen Übergabe einer in einer Werkstätte aufgestellten Maschine genügt es vollkommen, wenn die anläßlich der Miete der Werkstättenräumlichkeiten angekaufte Maschine nach Übergabe der Räumlichkeiten an den neuen Mieter in der Werkstätte verbleibt; die Benützung der Räumlichkeiten und der Maschine durch den neuen Bestandnehmer bzw Erwerber stellt eindeutig jene Lage her, durch die sich die Maschine sowohl faktisch als auch nach der Verkaufsauffassung in der Macht des Erwerbers befindet

OGH 15. 9. 1971, 3 Ob 84/71 (LG Innsbruck 2 R 251/71; BG Kitzbühel C 67/71 )

Text

Im Zuge der dem Beklagten zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung von S 80.490.- samt Anhang gegen Rudolf K bewilligten Fahrnisexekution wurde am 23. 3. 1970 eine gebrauchte Spitzendrehbank, Marke Colchester, Type Triumph, samt Werkzeugen und Meßwerkzeug, gepfändet.

Die Klägerin begehrte gemäß § 37 EO die Unzulässigkeitserklärung dieser Exekution hinsichtlich des genannten Pfandgegenstandes, den sie vom Verpflichteten in ihr Eigentum erworben habe.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil die als Klägerin auftretende Gesellschaft mbH nur zum Schein errichtet worden sei, mangels Übergabe kein Eigentum am Pfandgegenstand erworben habe, ferner die Veräußerung in der der Klägerin bekannten Absicht des zahlungsunfähigen Verpflichteten geschehen sei, seine Gläubiger zu benachteiligen, weshalb das Veräußerungsgeschäft angefochten werde.

Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen des Beklagten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes ist der Verpflichtete Rudolf K Bestandnehmer des Hauses St Johann/Tirol, Sch-weg 1. Er betrieb dort bis zum Jahre 1969 die Erzeugung von Holzbearbeitungsmaschinen. Die gegenständliche Spitzendrehbank hatte er im Jahre 1964 neu um zirka S 110.000.- gekauft, sie in den im Erdgeschoß des von ihm gemieteten Hauses befindlichen Werkstättenräumen auf einem Betonfundament verschraubt aufgestellt und seither in seinem Unternehmen verwendet. Im Jahre 1969 löste er diesen Produktionsbetrieb auf und befaßt sich seither mit Maschinenhandel. Er benützt seither im genannten Haus nur mehr einen Raum, in welchem sich seine Geschäftsunterlagen befinden; im übrigen hält er sich fast nie in St. Johann/Tirol auf.

Die Klägerin wurde mit dem in Form eines Notariatsaktes vom 9. 10. 1969 errichteten Vertrag zwischen den Gesellschafterinnen Irmgard K - damals noch Ehefrau des Rudolf K, mit dem sie jedoch schon seit 1965 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebte und von dem sie im August 1970 geschieden wurde - und Doris B - der Tochter des Rudolf K - mit einem Stammkapital von S 100.000.- gegrundet. Gegenstand dieser nicht bloß zum Schein gegrundeten, seit 9. 3. 1970 ins Handelsregister eingetragenen Gesellschaft mbH ist die Herstellung und der Vertrieb von Spezialmaschinen sowie die Übernahme von Vertretungen. Zu ihrer Geschäftsführerin wurde bereits am 22. 9. 1969 (in einer laut Protokoll Beilage D abgehaltenen "Generalversammlung") Irmgard K bestellt. Mit der Gründung dieser Gesellschaft wollten sich die Gesellschafterinnen eine Existenzgrundlage schaffen. Hiezu mietete "die Klägerin" bereits im Jahre 1969 gegen einen monatlichen Untermietzins von S 2000.- die von Rudolf K infolge Einstellung seines Erzeugungsbetriebes nicht mehr benötigten Werkstättenräumlichkeiten im Hause St. Johann/Tirol, Sch-weg 1, sie kaufte gleichzeitig um den Preis von S 70.000.- (mit Vereinbarung einer Ratenzahlung) auch die gegenständliche Spitzendrehbank, die Rudolf K aus dem gleichen Grund nicht mehr brauchte und für die ihm "die Klägerin" das höchste Anbot gemacht hatte. Über diesen Kaufvertrag stellte Rudolf K am 22. 11. 1969 eine Rechnung aus. "Die Klägerin" übernahm auch gleichzeitig sowohl die genannten Werkstättenräumlichkeiten als auch die darin befindliche Spitzendrehbank, welche das Kernstück ihrer Ausrüstung darstellt. Aus diesem Grund fand bei Übernahme der Drehbank, auf der kein Eigentumshinweis angebracht ist, auch keine Ortsveränderung statt. Mit 1. 2. 1970 nahm "die Klägerin" ihren Betrieb in der gemieteten Werkstätte auf und führt seither mit durchschnittlich drei beschäftigten Arbeitern Lohnarbeiten für andere Unternehmen durch, wobei ihre Tätigkeit mit der von Rudolf K früher betriebenen Erzeugung von Holzbearbeitungsmaschinen nicht verwandt ist und Rudolf K mit dieser Tätigkeit auch in keinem Zusammenhang steht. Diesen tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend scheint die gegenständliche Spitzendrehbank auch in der Eröffnungsbilanz der Klägerin zum 1. 2. 1970 als Anlagevermögen auf.

Rudolf K, der zumindest seit 1967 von Exekutionen verfolgt wird, zedierte seine Ansprüche gegen die Klägerin - einerseits Untermietzins, anderseits die Raten auf den Kaufpreis der Spitzendrehbank - an die Tiroler Landeshypothekenanstalt. Die Klägerin bezahlt deshalb an dieses Kreditinstitut monatlich S 3500.- , also eine Monatsrate von S 1500.- für die Spitzendrehbank.

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Klägerin als eine nicht bloß zum Schein, sondern rechtswirksam gegrundete Gesellschaft mbH am Streitgegenstand Eigentum erworben habe, und daß auch kein Anfechtungstatbestand vorliege.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von S 15.000.- übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm inhaltlich die vom Erstgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, bezeichnete einige vom Beklagten vermißte Feststellungen als unerheblich und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes mit dem Beifügen bei, daß die Klägerin vor dem 9. 3. 1970 zwar rechtlich noch nicht existiert habe, diesem Umstand aber keine Bedeutung zukomme, weil sie im Zeitpunkt der Pfändung (23. 3. 1970) existent und Eigentümerin des Pfandgegenstandes gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht führte bereits das Berufungsgericht zutreffend aus, daß der Klägerin erst seit 9. 3. 1970 (Eintragung ins Handelsregister) Rechtspersönlichkeit zukommt. Daraus ergibt sich jedoch lediglich, daß der Ankauf und die Übernahme der gegenständlichen Spitzendrehbank durch Irmgard K in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der bereits vertraglich gegrundeten Gesellschaft mbH zunächst nach den Regeln über den Erwerb für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes oder offene Handelsgesellschaft zu beurteilen gewesen wäre (ebenso HS 1203. 2145 ua), mit Eintragung der Klägerin ins Handelsregister jedoch für die Klägerin rechtswirksam wurde (ebenso HS 2150. 3222. 4443 ua; eine Verweigerung der Genehmigung des Erwerbes der Spitzendrehbank durch die Klägerin wurde von keiner Seite behauptet).

Zu der für den Eigentumserwerb erforderlichen Übergabe der in einer Werkstätte aufgestellten Maschine genügt es vollkommen, wenn die anläßlich der Miete der Werkstättenräumlichkeiten angekaufte Maschine nach Übergabe der Räumlichkeiten an den neuen Mieter in der Werkstätte verbleibt; die Benützung der Räumlichkeiten und der Maschine durch den neuen Bestandnehmer bzw Erwerber stellt eindeutig jene Lage her, durch welche sich die Maschine sowohl faktisch als auch nach der Verkehrsauffassung in der Macht des Erwerbers befindet (vgl SZ 41/37. EvBl 1970/374 ua). Demzufolge war hier eine Ortsveränderung oder eine zusätzliche Bezettelung der Spitzendrehbank nicht erforderlich (vgl EvBl 1963/433 ua).

An der hier eindeutig festgestellten tatsächlichen Benützung der Werkstätte und der Spitzendrehbank durch die Klägerin seit 9. 3. 1970 bzw durch Irmgard K namens der bereits gegrundeten Gesellschaft ab dem Spätherbst 1969 und jedenfalls mit aller Deutlichkeit seit 1. 2. 1970 könnte auch der Umstand nichts ändern, daß Irmgard K bereits vor Inbestandnahme der Werkstättenräumlichkeiten einen Schlüssel (in ihrer Eigenschaft als Ehefrau des Rudolf K) zu diesen damals von Rudolf K benützten Räumlichkeiten besaß sowie daß Rudolf K allenfalls noch bis August 1970 einen Schlüssel zu den von ihm eben seit 1969 nicht mehr benützten Werkstättenräumlichkeiten gehabt haben kann.

Beim festgestellten Sachverhalt ist daher der Auffassung der Vorinstanzen beizupflichten, daß ein gültiger, zum Eigentumserwerb hinreichender Traditionsakt gesetzt wurde.

Hinsichtlich des behaupteten Anfechtungstatbestandes sind die vom Beklagten vermißten Feststellungen zur Frage seines Anfechtungsrechtes im Sinn des § 8 Abs 1 AnfO deshalb entbehrlich, weil in Ansehung der Veräußerung der gegenständlichen Spitzendrehbank schon mangels einer Benachteiligung der Gläubiger des Rudolf K kein Anfechtungstatbestand vorliegt. An die Stelle der Spitzendrehbank trat nämlich das dafür vereinbarte Entgelt, von dem niemand behauptete, daß es kein wirtschaftlich entsprechendes Äquivalent gewesen wäre (der langfristigen Ratenzahlung steht ein in Anbetracht fünfjähriger Verwendung vermutlich relativ hoher Preis gegenüber) bzw daß es infolge ungenügender Bonität der Klägerin wirtschaftlich nicht gleichwertig sei. Durch den Verkauf der gegenständlichen Spitzendrehbank wurde somit der Befriedigungsfonds für die Gläubiger des Rudolf K nicht geschmälert.

Bei dieser Sachlage geht die Berufung des Beklagten auf einzelne Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (etwa SZ 25/207 und 38/210) ins Leere; die von ihm behauptete Benachteiligung kann für ihn nur dadurch entstanden sein, daß Rudolf K die Kaufpreisforderung an einen anderen Gläubiger zedierte und damit dem Beklagten die Möglichkeit nahm, auf dieses Vermögen des Rudolf K Exekution zu führen. Ob diese Rechtshandlung des Rudolf K anfechtbar wäre, ist im gegenständlichen Rechtsstreit aber nicht zu untersuchen.

Da somit der Revisionsgrund gemäß § 503 Z 4 ZPO nicht gegeben ist, war der Revision nicht Folge zu geben.

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