OGH 6Ob143/71

OGH6Ob143/717.7.1971

SZ 44/112

Normen

ABGB §509
ABGB §881
ABGB §938
ABGB §956
ABGB §509
ABGB §881
ABGB §938
ABGB §956

 

Spruch:

Die vom Beschenkten übernommene Verpflichtung, die geschenkte Liegenschaft niemandem anderen als einem bestimmten Dritten zu hinterlassen, begrundet einen Vertrag zugunsten dieses Dritten

Der Vorbehalt des Fruchtgenußrechtes des Übergebers schließt das Vorliegen einer Schenkung nicht aus

OGH 7. 7. 1971, 6 Ob 143/71 (OLG Innsbruck 1 R 237/70; LG Innsbruck 1 Cg

610/69)

Text

Der Kläger begehrte nach der letzten Fassung seines Klagebegehrens Verurteilung der Beklagten, der Einverleibung des Eigentumsrechtes auf den ihnen gehörigen je 1/8-Anteilen der Liegenschaft EZ 79 II KG L zugunsten des Klägers zuzustimmen und die Einverleibung des Eigentumsrechtes zu bewilligen.

Die Beklagten bestritten den Anspruch des Klägers.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus: Am 24. Dezember 1949 wurde in L ein Übergabsvertrag zwischen Maria A und ihren Kindern Irene A, Gustav A und Franz A geschlossen. Nach diesem Vertrag übergab Maria A ua am 1. 12. 1949 ihrer Tochter Irene die Liegenschaft EZ 79 II KG L mit Ausnahme von rund 1500 m2 auf dem Grundstück 289. Diese Übergabe war beschränkt durch "fideikommissarische Substitution" zugunsten des Klägers, die nach dem Tod der Irene A eintreten sollte. Andere Liegenschaften wurden an die Söhne Franz und Gustav A gegeben. Der Einheitswert sämtlicher Liegenschaften wurde mit S 7820.- festgestellt. An allen Liegenschaften wurden der Übergeberin Maria A das lebenslängliche, uneingeschränkte und rechnungsfreie Fruchtgenußrecht eingeräumt, das zwecks Gebührenbemessung ebenfalls mit S 7820.- bewertet wurde. Auf Grund dieses Vertrages wurde ob der Liegenschaft EZ 79 II KG L das Eigentumsrecht für Irene A, beschränkt durch die fideikommissarische Substitution zugunsten des Klägers und durch das Fruchtgenußrecht der Maria A, einverleibt. Irene A starb am 20. August 1955 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Ihr Nachlaß wurde mit Beschluß des BG L vom 18. 3. 1966. A. 185/55-90, der Verlassenschaft der am 8. 7. 1958 verstorbenen Maria A zur Hälfte, den erbl Geschwistern Gustav A, Dr Karl A und Maria G (der Mutter des Klägers) zu je 1/8 sowie den erbl Nichten Trude G, Friedrich A und Elisabeth A zu je 1/24 eingeantwortet. Auf Grund dieser Einantwortungsurkunde wurde mit denselben Anteilen das Eigentumsrecht der vorgenannten Erben auf der Liegenschaft EZ 79 II KG L einverleibt. Der Nachlaß der am 8. 7. 1958 verstorbenen Maria A wurde mit Beschluß des BG L vom 30. 10. 1969, A 174/58-67, der Tochter der Erblasserin Maria G auf Grund des Testamentes vom 22. 10. 1965 zur Gänze eingeantwortet.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Der Kläger räume selbst ein, daß eine fideikommissarische Substitution iS des § 608 ABGB nicht vorliege. Er stützte sein Begehren ausdrücklich auf § 881 Abs 2 ABGB. Ein Vertrag zugunsten Dritter könne aber aus dem Wortlaut des Übergabsvertrages vom 24. 12. 1949 nicht abgeleitet werden, weil sich durch ihn weder die Übergeberin Maria A eine Leistung an einen Dritten habe versprechen lassen noch die Übernehmerin Irene A eine solche versprochen habe. Wenn es auch Aufgabe des Gerichtes sei, die Absicht der Parteien und damit den Geschäftszweck zu erforschen, so könne es nicht darüber hinaus den Vertragsinhalt ergänzen und verbessern. Aus dem Vertrag lasse sich bestenfalls eine übernommene Unterlassungsverpflichtung der Übernehmerin Irene A ableiten, die Liegenschaft EZ 79 II KG L zu ihren Lebzeiten an niemanden (abgesehen vom Kläger) zu veräußern, was sie ja auch nicht getan habe. Eine bestimmte Leistungsverpflichtung iS des § 881 Abs 1 ABGB zugunsten des Klägers als Begünstigten habe Irene A aber gegenüber der Maria A in Ansehung der genannten Liegenschaft nicht übernommen, sodaß dem Kläger auf Grund des Inhaltes des Übergabsvertrages auch nicht gemäß § 881 Abs 2 ABGB ein unmittelbarer Anspruch gegen die Erben nach Irene A auf Herausgabe der Liegenschaft habe erwachsen können.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und gab dem Klagebegehren statt. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Kläger sein Begehren ausdrücklich auf § 881 Abs 2 ABGB gestützt habe. Der Übergabsvertrag vom 24. 12. I949 sei dem Inhalte nach ein Schenkungsvertrag. Die Beschenkte Irene A habe der ihr gemachten Auflage, die geschenkte Sache einer bestimmten Person zu hinterlassen, zugestimmt und sich auch entsprechend verhalten. Aus dem Vertrag sei auf jeden Fall die Absicht der Übergeberin zu entnehmen, daß die vorerst ihrer Tochter Irene übergebene Liegenschaft nach deren Tode dem Kläger zukommen solle. Über die Auslegung der "fideikommissarischen Substitution" könne es daher keinen Zweifel geben. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit sei diese vertraglich festgelegte Vereinbarung, da sie gegen keine gesetzliche Bestimmung verstoßen habe, zulässig gewesen und der Kläger sei als Begünstiger nach den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften über den Vertrag zugunsten Dritter forderungsberechtigt. Formerfordernisse seien für den Schenkungsvertrag nicht erforderlich gewesen, da eine wirkliche Übergabe stattgefunden habe. Der Kläger habe auch keine Annahmeerklärung abgeben müssen. Sein Begehren sei somit gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagten bekämpfen zunächst die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Vertrag vom 24. 12. 1949 ein Schenkungsvertrag sei, und rügen auch, daß das Berufungsgericht keine Feststellungen als Grundlage für diese rechtliche Beurteilung getroffen habe. Dazu ist zunächst zu sagen, daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf den Inhalt des im Verfahren erster Instanz vorgelegten Vertrages verwiesen hat, dessen Echtheit von den Beklagten anerkannt wurde. Weiterer Feststellungen bedurfte es daher nicht. Auch der rechtlichen Beurteilung dieses Vertrages ist zuzustimmen. Ihr steht der Umstand nicht entgegen, daß sich die Übergeberin das Fruchtgenußrecht an der Liegenschaft vorbehalten hat (Stanzl in Klang[2] IV/1 630). Abgesehen davon, daß die rechtliche Beurteilung eines Übergabsvertrages nicht einheitlich ist (siehe Stanzl aaO 593, GlU 8758, EvBl 1969/253), übersieht die von der Revision vorgenommene Gleichsetzung des Vertrages vom 24. 12. 1949 mit einem Übergabsvertrag, in dem sich der Übergeber ein Ausgedinge zusichern ließ, daß sich in einem solchen Fall der Übernehmer zu bestimmten wiederkehrenden Leistungen verpflichtet hat, was bei dem in Frage stehenden Vertrag nicht der Fall war. Die Rechtsprechung hat ähnliche Verträge wiederholt als Schenkungsverträge anerkannt (GlU 4581, 13015, GlUNF 5927). Es braucht daher auf die von der Revision vorgenommene Gegenüberstellung des Einheitswertes der Liegenschaften mit der Bewertung des Ausgedinges nicht eingegangen werden.

Es ist dem Berufungsgericht aber auch darin zuzustimmen, daß aus dem Vertrag der eindeutige und klare Wille der Übergeberin hervorgeht, die Liegenschaft solle nach dem Tode der Irene A dem Kläger zufallen (Pkt II Abs 2 des Vertrages). Wenn auch diese Bestimmung unrichtig als fideikommissarische Substitution bezeichnet wurde, so liegt darin doch die von Irene A durch ihre Zustimmung zum Vertrag übernommene Verpflichtung, die Liegenschaft niemandem anderen als dem Kläger entweder zu übergeben oder zu hinterlassen. Eine solche Verpflichtung wird von der Rechtsprechung ähnlich wie eine fideikommissarische Substitution behandelt (EvBl 1957/185). Nichts anderes hat das Berufungsgericht zum Ausdruck gebracht. Es hat daher in dem Vertrag vom 24. 12. 1949 nicht nur einen rechtlich bedeutungslosen Wunsch der Übergeberin, sondern mit Recht einen Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich des Klägers, erblickt, durch den dieser einen unmittelbaren Anspruch gegen die Erben der Irene A erworben hat. Der Kläger hat diesen Anspruch daher mit Recht durch die vorliegende Klage geltend gemacht. Da die Einantwortung der Verlassenschaft nach Irene A bereits durchgeführt ist und die übrigen Erben den Anspruch des Klägers anerkennen, richtete sich diese Klage zutreffend nur gegen die beiden Beklagten, die den Anspruch des Klägers bestritten haben.

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