OGH 6Ob108/71

OGH6Ob108/7112.5.1971

SZ 44/70

Normen

WechselG Art1 Z5
WechselG Art1 Z5

 

Spruch:

Auch eine unvollständige Angabe des Zahlungsortes auf dem Wechsel genügt, wenn daraus die Identität des Zahlungsortes eindeutig erschlossen werden kann

OGH 12. 5. 1971, 6 Ob 108/71 (OLG Linz 4 R 37/71; LG Linz 32 Cg 182/70)

Text

Die Klägerin erwirkte auf Grund des Wechsels vom 1. 10. 1970 gegen die Erstbeklagte als Annehmerin und gegen den Zweitbeklagten als Bürgen für den Annehmer die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages über S 49.890.49 sA. In diesem Wechsel hatte sich die erstbeklagte Partei verpflichtet, der A-Fabrik am 1. 10. 1970 S 49.980.49 zu bezahlen. Der Zweitbeklagte hatte den Wechsel als Bürge für den Annehmer unterschrieben.

Die Erstbeklagte zog ihre zunächst eingebrachten Einwendungen zurück und anerkannte das Klagebegehren. Der Zweitbeklagte erhob die Einwendung, daß in der Klage der Zahlungsort St Florian angeführt sei, tatsächlich enthalte der Wechsel aber keinen Zahlungsort. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. 12. 1970 führte der Zweitbeklagte diese Einwendung dahin aus, daß es einen "Bezirk St Florian nicht gebe, ein bestimmter Ort sei nicht angeführt. Die Sparkasse für den Bezirk St Florian habe zwei Niederlassungen in Markt St Florian und in Ansfelden. Selbst wenn es sich bei letzterer um eine unselbständige Außenstelle handle, sei der Wechselverpflichtete nicht gehalten, darüber Erhebungen zu pflegen. Es müsse vielmehr aus dem Papier der Zahlungsort eindeutig hervorgehen. Darüber hinaus gebe es in Österreich fünf Orte mit dem Orte St. Florian.

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht und ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus: Der Wechsel trägt den Vermerk: "Zahlbar bei der Sparkasse für den Bezirk St. Florian". Er wurde in der Folge indossiert, zuletzt war die Klägerin Inhaberin des Wechsels. Der Name der Sparkasse in St Florian (Hauptniederlassung) lautet: "Sparkasse für den Bezirk St Florian". So ist er auch im Sparkassenregister beim Amt der Oö Landesregierung registriert. Überdies bestehen noch Zweigniederlassungen in Ansfelden, Haid, Nettingsdorf und Linz-Pichling. Sowohl die Erstbeklagte als auch der Zweitbeklagte wickeln ihre Geldgeschäfte zumindest zum Teil über die Sparkasse in St Florian (Hauptniederlassung) ab. In Österreich gibt es sonst keine Sparkasse, die den Ortsnamen St Florian in ihrem Namen enthält.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Es ergebe sich aus dem im Wechsel angeführten Zahlungsort "Zahlbar bei der Sparkasse für den Bezirk St Florian" eindeutig, daß der Wechsel bei der Hauptniederlassung in St Florian vorzulegen sei und der Bezogene bzw dessen Bürge die Zahlung dort bereitzuhalten habe. Da auch der Zweitbeklagte seine Geldgeschäfte zumindest zum Teil über die Sparkasse in St Florian abwickle, habe der Zweitbeklagte auch subjektiv nicht der Meinung sein können, daß ein anderer Zahlungsort als St Florian in Frage komme. Wäre der Wechsel bei einer Zweigniederlassung in Ansfelden oder in Haid vorzulegen gewesen und hätte der Verpflichtete die Zahlung dort bereithalten müssen, dann wäre dies mit dem Zusatz "Zweigniederlassung Ansfelden oder Haid" kenntlich gemacht worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Zweitbeklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Wechsel enthält den vorgedruckten Vermerk: "Zahlbar bei der Sparkasse für den Bezirk St Florian", er enthält also eine besondere Angabe des Zahlungsortes, weshalb die Ersatzregel des Art 2 Abs 3 WG keine Anwendung finden kann (Stranz, WG[14], 55). Diese Angabe des Zahlungsortes ist aber unvollständig, denn sie enthält nur die Firmenbezeichnung der Sparkasse, nicht aber eine ausdrückliche Ortsbezeichnung. Der Zahlungsort muß bestimmt genug bezeichnet sein; ob dies der Fall ist, muß wie bei allen wechselmäßigen Erklärungen nicht vom Standpunkt der Kontrahenten, sondern eines dritten Lesers des Wechsels beurteilt werden (Jacobi, Wechselrecht 435), wobei aber der Wechsel nicht nach einem Maßstab auszulegen ist, den ein Dritter einnehmen muß, welcher den Lokalverhältnissen der Beteiligten fernsteht (Jacobi aaO 436). Der Revisionswerber gibt selbst zu, daß auch eine unvollständige Angabe des Zahlungsortes genüge, wenn daraus dessen Identität eindeutig erschlossen werden kann. Dies ist aber hier der Fall. Denn gerade für einen unbefangenen Leser des Wechsels kann kaum ein Zweifel bestehen, daß eine Sparkasse "für den Bezirk St Florian", auch wenn es derzeit weder einen politischen noch einen Gerichtsbezirk mit dieser Bezeichnung gibt, ihren Sitz in dem Ort St Florian hat, mag dessen amtliche Bezeichnung auch "Markt St Florian" lauten, die aber gewöhnlich nicht verwendet wird. Richtig ist allerdings, daß es in Österreich mehrere Orte mit dem Namen St Florian gibt, allgemein bekannt ist aber nur jener Ort mit der obangeführten amtlichen Bezeichnung. Wenn also von einem St Florian ohne nähere Erläuterung die Rede ist, wird darunter das St Florian bei Linz verstanden. Trotz Abweichung von der amtlichen Bezeichnung ist der Zahlungsort somit in einer im Verkehr üblichen Weise und mit einer dem Rechtsverkehr genügenden Deutlichkeit bezeichnet (Staub - Stranz, WG[13] 75/76). Zwar ist auch richtig, daß die Sparkasse für den Bezirk St Florian vier Zweigstellen (nicht Zweigniederlassungen) hat. In dem Falle, daß als Zahlstelle ein Kreditinstitut angegeben ist, das über Zweigniederlassungen verfügt, gilt, das grundsätzlich bei der Hauptniederlassung zu leisten ist (Jacobi, Wechselrecht 440). Umsomehr muß dies gelten, wenn keine Zweigniederlassungen, sondern nur, wie hier, (unselbständige) Zweigstellen vorhanden sind. Auch daraus kann somit auf eine undeutliche Angabe des Zahlungsortes nicht geschlossen werden. Die Untergerichte haben daher mit Recht keine Ungültigkeit des Wechsels mangels Angabe des Zahlungsortes angenommen.

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