Spruch:
Nicht erstattungsfähiger Drittschaden, wenn der Ehegatte des Getöteten als Folge eines auf die Nachricht vom Unfall neu erlittenen Schocks ebenfalls stirbt
Die Aufzählung der aus der Tötung eines Menschen zustehenden Ansprüche ist erschöpfend
OGH 25. 3. 1971, 2 Ob 6/71 (OLG Innsbruck 2 R 165/70; LG Innsbruck 5 Cg 257/69)
Text
Am 14. 8. 1966 verursachte der Beklagte auf der Gerlos-Bundesstraße als Lenker seines PKWs einen Verkehrsunfall, bei dem Johann K, der Vater der Kläger, getötet wurde. Wegen dieses Unfalles wurde der Beklagte des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG, begangen durch Einhaltung einer zu hohen Geschwindigkeit, schuldig gesprochen.
Mit der vorliegenden Klage machte der Erstkläger gegen den Beklagten zuletzt folgende Schadenersatzansprüche geltend:
1. Todfallskosten bezüglich des verunglückten Johann K. ... 5.131
S; 2. Kosten eines Doppelgrabes ..............................
9.800 S; 3. Todfallskosten hinsichtlich der am 8. 11. 1968
verstorbenen Mathilde K, der Mutter der Kläger ......... 5.000 S;
4. Sachschaden wegen Notschlachtung einer beim Unfall verletzten Kuh
.................................. 10.250 S; 5. Kosten für
Hilfskräfte, die wegen des Ausfalles der Arbeitskraft der Eltern in
der Landwirtschaft und der Mutter im Haushalt aufgenommen werden
mußten a) bis zum Tode der Mutter, 24 Monate zu je 4.000 S
.......... 96.000 S b) vom 1. 11. 1968 bis 30. 4. 1969 monatlich
7.000 S .... 42.000 S 138.000 S --------- --------
- 168.181 S.
Für die Zeit ab 1. 5. 1969 begehrte der Erstkläger die Zahlung einer monatlichen Rente von S 7000.- als Ersatz der Kosten für Hilfskräfte.
Die Zweitklägerin verlangte die Feststellung der Haftung des Beklagten für die künftigen Schäden aus dem Unfall vom 14. 8. 1966.
Die Kläger behaupteten das Alleinverschulden des Beklagten und brachten vor, daß der Tod der Mutter, die durch den tragischen Unfall ihres Gatten einen schweren Schock erlitten habe, eine Folge des Unfalls sei.
Der Beklagte wendete überwiegendes Verschulden des Getöteten ein, bestritt die geltend gemachten Ansprüche und beantragte Klagsabweisung.
Das Erstgericht sprach dem Erstkläger S 16.781.40 sA zu und stellte die Haftung des Beklagten für zwei Drittel der künftigen Schäden der Zweitklägerin fest. Das Mehrbegehren des Erstklägers auf Zahlung von S 151.393.60, ferner auf Zahlung weiterer Zinsen und einer Rente von S 7000.- monatlich ab 1. 5. 1969 sowie das Feststellungsmehrbegehren der Zweitklägerin wies es ab.
Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Hingegen wurde der Berufung des Beklagten teilweise Folge gegeben und ein weiteres Begehren des Erstklägers von S 660.74 sA abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der OGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß im Falle deliktischer Schädigung zwischen dem unmittelbaren und mittelbaren Schaden zu unterscheiden sei und daß außer in den Fällen des § 1327 ABGB nur der unmittelbar durch die rechtswidrige Handlung Verletzte Schadenersatz verlangen könne. Mittelbar ist ein Schaden, wenn er nicht in der Richtung des Angriffes, sondern infolge einer Seitenwirkung in einer Interessensphäre eintritt, die nicht durch das Verbot des Eingriffes geschützt wird. Dieser gesetzlichen Regelung liegt der Gedanke zugrunde, daß es wirtschaftlich nicht vertretbar wäre, die Kausalität sich unbegrenzt auswirken zu lassen (SZ 34/112). Die Verkehrsvorschriften, durch deren Verletzung der Beklagte den Tod des Johann K verschuldet hat, dienen dem Schutze der Verkehrsteilnehmer, sollen also denen Schädigung verhindern. Der durch den Tod eines bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Menschen einem Dritten verursachte Körperschaden ist ein mittelbarer Schaden, zu dessen Ersatz der Schädiger dem Dritten gegenüber nicht verpflichtet ist. Folgerichtig muß auch der durch einen solchen Körperschaden verursachte Tod des Dritten und dessen Folgen für andere Dritte als ein mittelbarer Schaden beurteilt werden, dessen Ersatz weder nach § 1295 noch nach § 1327 ABGB beansprucht werden kann (ZVR 1958/144). Der § 1295 ABGB bezweckt nicht die Feststellung des Ersatzberechtigten, sondern die des Ersatzpflichtigen. Das Wort "jedermann" im § 1295 ABGB bedeutet nur, daß derjenige, der auf die in dieser Gesetzesstelle genannte Weise Schaden erleidet, nur von dem ihm unmittelbar gegenüberstehenden Schädiger Ersatz begehren kann (SZ 20/23). Den Vorinstanzen ist daher beizupflichten, daß der Beklagte zum Ersatz der durch den Tod der Mathilde K verursachten Schäden auch dann nicht verpflichtet wäre, wenn diese an den Folgen des durch den Tod ihres Gatten erlittenen Körperschadens gestorben sein sollte.
Die Aufzählung der aus der Tötung eines Menschen zustehenden Ansprüche im § 1327 ABGB ist erschöpfend. Der Revision ist zuzugeben, daß der Anspruch nach § 1327 ABGB kein Unterhalts-, sondern ein Schadenersatzanspruch ist, der aber den dort aufgezählten Personen nur in jenem Rahmen zusteht, in dem ihnen ein gesetzlicher Unterhalt gegenüber dem durch fremdes Verschulden Getöteten entgeht (ZVR 1963/234). Ist der Angehörige zur Zeit der Beschädigung des Unterhaltspflichtigen bereits selbsterhaltungsfähig, so steht ihm ein Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB nicht zu. Die Selbsterhaltungsfähigkeit des Erstklägers - nur dieser hat Leistungsansprüche geltend gemacht - wurde von den Untergerichten mit Recht bejaht. Entgegen der Ansicht der Revision erlangt ein eheliches Kind die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht erst mit der Großjährigkeit, sondern ist schon dann selbsterhaltungsfähig, wenn es in der Lage ist, die Mittel zur Bestreitung seines standesgemäßen Unterhaltes durch Arbeit zu verdienen (Wentzel-Plessl in Klang[2] I/2 33 f). Der Erstkläger stand im Unfallszeitpunkt im 20. Lebensjahr, hatte seine Schul- und Berufsausbildung als Landwirt abgeschlossen und seinen Unterhalt durch die Mitarbeit in der Landwirtschaft seines Vaters selbst verdient, war also bereits selbsterhaltungsfähig.
Der Erstkläger hat gar nicht behauptet, daß ihm durch den Tod der Eltern der gesetzliche Unterhalt entgangen sei. Für den Standpunkt der Revision ist auch mit dem Hinweis auf die Erbenstellung des Erstklägers nichts gewonnen, weil die nach dem Tod der Eltern für Hilfskräfte aufgewendeten Kosten keinen noch in der Person des Erblassers entstandenen Vermögensschaden darstellen. Wenn die Folgen des schädigenden Ereignisses über den Erbfall hinauswirken und das Vermögen des Erblassers nun in der Person des Erben schädigen, besteht kein Ersatzanspruch des Hinterbliebenen. Dieser ist vielmehr auf den entgangenen Unterhalt beschränkt (Wussow, Unfallhaftpflichtrecht[10], Anm 1058, 1066).
Dem hinterbliebenen Ehemann wird der Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe, die er wegen des Todes seiner Gattin einstellen muß, von der Judikatur deshalb zugebilligt, weil er einen gesetzlichen Anspruch auf Beistand der Ehefrau in der Haushaltsführung und im Erwerb hat (§§ 44, 92 ABGB). Aus dieser Rechtsprechung kann ein Schadenersatzanspruch des minderjährigen, aber bereits selbsterhaltungsfähigen ehelichen Kindes wegen des Todes seiner Eltern nicht abgeleitet werden. Der Tod der Mutter kann diesfalls schon deshalb keinen Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB begrunden, weil er, wenn überhaupt, nur die Folge einer mittelbaren Schädigung ist; aus den bereits dargelegten Gründen ist insoweit keine Ersatzpflicht des am Tode des Vaters Schuldigen gegeben.
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