OGH 5Ob297/70

OGH5Ob297/7030.12.1970

SZ 43/239

Normen

EheG §24
EheG §28
1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §74
ZPO §14
EheG §24
EheG §28
1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §74
ZPO §14

 

Spruch:

§ 24 EheG setzt nur voraus, daß die erste Ehe zur Zeit der zweiten Eheschließung noch aufrecht bestanden hat; eine spätere Scheidung dieser Ehe ist belanglos

Die Prüfung der Frage, ob das öffentliche Interesse (die Belange der Allgemeinheit) die Erhebung der Nichtigkeitsklage erfordert, ist dem Staatsanwalt vorbehalten und der Überprüfung durch das Gericht entzogen

Die vom Staatsanwalt mit Ehenichtigkeitsklage belangten Ehegatten sind notwendige Streitgenossen

OGH 30. Dezember 1970, 5 Ob 297/70 (OLG Wien 4 R 120/70; LGZ Wien 27 Cg 156/70)

Text

Der am 4. Februar 1924 geborene Erstbeklagte schloß am 3. Juli 1948 in Budapest mit Angyalka Maria geb M die Ehe.

Im Dezember 1952 kam der Erstbeklagte allein nach Österreich. Seine damalige Ehefrau blieb in Budapest. Am 3. April 1954 brachte der Erstbeklagte zu 2 Cg .../54 des Landesgerichtes Salzburg gegen seine Ehefrau eine auf den Scheidungsgrund des § 55 EheG gestützte Ehescheidungsklage ein. Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. April 1954 wurde die zwischen dem Erstbeklagten und Angyalka Maria Sz geb M geschlossene Ehe für geschieden erklärt. Auf Grund einer von der ersten Ehegattin des Erstbeklagten eingebrachten Berufung erklärte das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 16. Dezember 1965 das Scheidungsurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. April 1954 und das diesem vorausgegangene Verfahren für nichtig, weil sich die Unterschrift der Angyalka Maria Sz auf der ihrem Vertreter Rechtsanwalt Dr W ausgestellten Vollmacht als gefälscht herausgestellt habe. In der Folge wies das Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 25. September 1968, 2 Cg .../66 (bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 4. Dezember 1968 und der hg Entscheidung vom 5. März 1969 das auf Scheidung der Ehe gerichtete Begehren des Erstbeklagten ab.

In der Zwischenzeit hatte der Erstbeklagte mit Friederike geb Sch eine Ehe geschlossen, die mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien 27 Cg .../62, geschieden wurde.

Am 24. April 1965 schloß der Erstbeklagte vor dem Standesamt Wien Innere Stadt-Mariahilf mit der Zweitbeklagten die Ehe.

Die zwischen dem Erstbeklagten und Angyalka Sz am 3. Juli 1948 geschlossene Ehe wurde am 3. Oktober 1969 vom Pester Zentralbezirksgericht und überdies mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27. Februar 1970, 27 Cg .../70 rechtskräftig geschieden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Staatsanwaltschaft Wien die zwischen dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten am 24. April 1965 in Wien geschlossenen Ehe für nichtig zu erklären. Die Klage wird darauf gestützt, daß im Zeitpunkt der Eheschließung des Erstbeklagten mit der Zweitbeklagten die Ehe des Erstbeklagten mit Angyalka Sz aufrecht gewesen sei. Nach § 24 EheG sei die zwischen den beiden Beklagten geschlossene Ehe nichtig.

Das Erstgericht erklärte die zwischen dem Erstbeklagten Dipl-Ing Nikolaus Sz und der Zweitbeklagten Melitta Sz geschiedene S, geb F am 24. April 1965 vor dem Standesamt Wien I-M geschlossene Ehe für nichtig. Das Prozeßgericht ging davon aus, daß nach § 24 EheG eine Ehe nichtig sei, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in gültiger Ehe lebe. Da der Erstbeklagte im Zeitpunkt seiner Eheschließung mit der Zweitbeklagten am 24. April 1965 (nur dieser Zeitpunkt sei maßgebend) noch in aufrechter Ehe mit Angyalka Sz gelebt habe, sei seine Ehe mit der Zweitbeklagten nichtig. Dem stehe auch nicht entgegen, daß nachträglich die Ehe des Erstbeklagten mit Angyalka Sz geschieden worden sei, weil durch die spätere Auflösung der ersten Ehe des Erstbeklagten die im Zeitpunkt der Eheschließung mit der Zweitbeklagten bestandene Nichtigkeit nicht geheilt werde.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen zur Gänze und billigte die vom Prozeßgericht vertretene Rechtsauffassung.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision des Erstbeklagten ist ungeachtet dessen zulässig, daß nur die Zweitbeklagte gegen das Ersturteil Berufung erhoben hat. Die Ehegatten der anfechtbaren Ehe stellen notwendige Streitgenossen dar (Novak, Die Amtswegigkeit im österr Eheverfahren und ihre Grenzen, 38, Köstler, Eherecht[3], 25).

Nach § 24 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in gültiger Ehe lebt. Schon auf Grund des Textes der angeführten Gesetzesstelle ergibt sich, daß der Zeitpunkt der zweiten Eheschließung des Erstbeklagten für die Beurteilung der Gültigkeit seiner zweiten Ehe maßgebend ist. Die erste Ehe muß zur Zeit der zweiten Eheschließung noch aufrecht bestanden haben. Auch das Schrifttum (Scanzoni, Ehegesetz[3] Anm 3 zu § 24 EheG, Volkmar - Antoni, Eherecht 107, Schwind, Kommentar zum österr Eherecht 132 f) und die Rechtsprechung (EFSlg 8472) haben daran festgehalten. Da somit die Ehe des Erstbeklagten mit Angyalka Sz im Zeitpunkt seiner Eheschließung mit der Zweitbeklagten (24. April 1965) noch nicht geschieden war, ist sie nichtig.

Dem steht auch nicht entgegen, daß nachträglich, nämlich mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27. Februar 1970, 27 Cg .../70, die zwischen dem Erstbeklagten und Angyalka Sz geschlossene Ehe geschieden wurde. Denn bei der Scheidung erfolgt die Auflösung der Ehe erst mit Rechtskraft des Urteils (Volkmar - Antoni, Komm, 86, Scanzoni, Ehegesetz[3], 45, Wentzel in Klang, Komm[2] I/1, 590, Schwind, Komm, 132 f, EFSlg 8472).

Sofern die Revisionswerber vorbringen, daß die Staatsanwaltschaft nur bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses legitimiert sei, eine Ehenichtigkeitsklage zu erheben und daß ein öffentliches Interesse im Hinblick auf die nachträgliche Scheidung der Ehe des Erstbeklagten mit Angyalka Sz nicht gegeben sei, kann ihnen nicht beigepflichtet werden. Nach § 28 Abs 2 EheG kann im Falle einer Nichtigkeit nach § 24 EheG der Staatsanwalt, jeder der Ehegatten und der Ehegatte der früheren Ehe die Nichtigkeitsklage erheben. Damit wurde dem Staatsanwalt ein selbständiges Klagerecht eingeräumt.

Es trifft zu, daß der Staatsanwalt dann verbunden ist eine Ehenichtigkeitsklage einzubringen, wenn Belange der Allgemeinheit, somit das öffentliche Interesse sein Einschreiten erfordern (§ 74 Abs 1, 1. DV EheG, Wentzel in Klang, Komm[2] I/1, 608). Die Prüfung der Frage aber, ob ein öffentliches Interesse (die Belange der Allgemeinheit) die Erhebung der Ehenichtigkeitsklage erfordern, ist dem Staatsanwalt vorbehalten und der Überprüfung durch das Gericht entzogen (Wentzel in Klang[2] I/1, 609, vgl hiezu auch SZ 21/92, SZ 21/137).

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