OGH 1Ob89/48

OGH1Ob89/4828.4.1948

SZ 21/92

Normen

ABGB §158
ZPO §14
ZPO §233
ABGB §158
ZPO §14
ZPO §233

 

Spruch:

Wenn der Staatsanwalt die eheliche Geburt eines Kindes bestreitet, so ist dem Gericht die Überprüfung der Frage verwehrt, ob die Anfechtung im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Kindes gelegen ist.

Notwendige Streitgenossenschaft nach § 14 ZPO., wenn der Ehemann und der Staatsanwalt die Ehelichkeit bestreiten.

Entscheidung vom 28. April 1948, 1 Ob 89/48.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Sämtliche Instanzen gaben der Klage des Staatsanwaltes wegen Bestreitung der ehelichen Geburt des Beklagten Folge.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe des Obersten Gerichtshofes:

Auf Grund einer vom Staatsanwalt gemäß dem § 158 ABGB. eingebrachten Klage hat das Erstgericht entschieden, daß der mj. Beklagte nicht als ein eheliches Kind des W. B. aus der mit A. B., geborenen Sch., geschlossenen Ehe anzusehen ist. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil bestätigt.

In der auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache gestützten Revision versucht der Kurator der beklagten Partei, wie schon in den Vorinstanzen, nachzuweisen, daß die Voraussetzungen des § 158 ABGB. für die Bestreitung der ehelichen Geburt des beklagten Kindes durch die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall nicht gegeben seien, weil erstens die Frist zur Bestreitung durch den Ehemann der Kindesmutter im Zeitpunkt der Klagserhebung noch nicht abgelaufen gewesen sei und zweitens die Bestreitung weder im öffentlichen Interesse noch im Interesse des Kindes liege. Die Revision ist unbegrundet.

Die erste gesetzliche Voraussetzung für das Bestreitungsrecht des Staatsanwaltes, daß nämlich der Ehemann der Kindesmutter innerhalb eines Jahres seit der Geburt des Kindes dessen Ehelichkeit nicht bestritten habe, war im Zeitpunkt der Klagserhebung jedenfalls gegeben. Der Umstand, daß der Ehemann zu dieser Zeit selbst noch das Recht gehabt hätte, die Bestreitung der ehelichen Geburt vorzunehmen, ist unentscheidend. Denn wie das Berufungsgericht mit vollkommen zutreffenden Gründen dargelegt hat, schließt das Bestreitungsrecht des Ehemannes der Kindermutter das des Staatsanwaltes grundsätzlich nicht aus. Die Anfechtung der ehelichen Geburt eines Kindes durch den Staatsanwalt ist nur dann, aber auch nur aus verfahrensrechtlichen Gründen ausgeschlossen, wenn die Klage des Ehemannes nach Ablauf eines Jahres seit der Geburt des Kindes noch anhängig ist (§ 233 ZPO.) oder wenn der Anfechtungsprozeß des Ehemannes sachlich rechtskräftig entschieden ist. Fechten der Ehemann der Kindesmutter und der Staatsanwalt die Ehelichkeit des Kindes nebeneinander an, dann sind sie in dem Rechtsstreit notwendige Streitgenossen nach § 14 ZPO.

Die weitere Vorschrift des § 158 ABGB., daß der Staatsanwalt die Ehelichkeit eines Kindes bestreiten könne, wenn er dies im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Kindes für geboten erachte, ist wie schon aus dem Gebrauch des Wortes "erachten" ganz klar hervorgeht, nichts anderes als eine dem Staatsanwalt erteilte Richtlinie für seinen Entschluß zur Ausübung des Bestreitungsrechts. Keineswegs wurde durch diese Bestimmung eine objektive und vom Gericht zu überprüfende Voraussetzung für das Klagerecht des Staatsanwaltes geschaffen. Die Entscheidung, ob ein öffentliches Interesse oder ein Interesse des Kindes an der Anfechtung der ehelichen Geburt vorliege, hat der Staatsanwalt nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Hat er sich einmal zur Anfechtung entschlossen, so ist dem Gerichte die Prüfung der Frage, ob ein öffentliches Interesse oder ein Interesse des Kindes für die Anfechtung vorliege, verwehrt, und auch dem Kinde die Einwendung, daß die Anfechtung nicht im öffentlichen oder in seinem eigenen Interesse liege, abgeschnitten (Rexroth in Deutscher Justiz 1938, S. 711). Die Untergerichte haben sich daher überflüssigerweise mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vorliegende Klage im öffentlichen oder im Interesse des Kindes gelegen sei. Die gegen die Auffassung beider Untergerichte, daß das Interesse des Kindes die Bestreitung der ehelichen Geburt erfordere, gerichteten Ausführungen der Revision sind daher nicht beachtlich. Aus diesen Gründen war der Revision der Erfolg zu versagen.

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